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Elektrohydraulische Bremse

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Die Elektrohydraulische Bremse (oder eng. brake-by-wire) ist ein modernes Bremsystem, das gegenüber herkömmlichen Bremsmechanismen einen kürzeren Bremsweg ermöglicht.

Funktionsweise

Bei einer konventionellen Bremsanlage wird der Bremswunsch des Fahrers mechanisch vom Bremspedal bis zum Radbremszylinder übertragen. In der Regel wird der vom Fahrer erzeugte Bremsdruck noch durch einen Bremskraftverstärker verstärkt und über den Hauptbremszylinder auf die beiden gesetzlich vorgeschriebenen Bremskreisläufe verteilt.

Bei der elektrohydraulischen Bremse wird der Fahrerwunsch elektronisch über eine Sensorik erfasst. Dabei wird über einen Wegsensor der Pedalweg (differenziert die Pedalgeschwindigkeit) und über einen zusätzlichen Drucksensor der Druckverlauf im Steuerkreis erfasst. Der daraus abgeleitete Fahrerwunsch (Teilbremsung, Notbremsung, ...) wird von einem Steuergerät verarbeitet und aufgrund der momentanen Fahrsituation ein Solldruck für jede Radbremse ermittelt. Der Fahrer hat zu den Radbremsen keinen direkten Kontakt mehr. Ein "Simulator" erzeugt das bekannte Bremsgefühl, welches bei konventionellen Bremsen durch die Ölsäule vom Hauptbremszylinder bis zu den Radbremsen verursacht wird. Das Steuergerät regelt die Hydraulikeinheit welche, durch eine Hochdruckpumpe versorgt, einen radindividuellen Bremsdruck aufbauen kann. Dieser radindividuelle Bremsdruck ist von der jeweiligen Fahrsituation und dem Fahrerwunsch abhängig. Drucksensoren in jeder Radleitung ermitteln den Istdruck, so dass radindividuell der Solldruck nachgeregelt werden kann. Bei einem Ausfall des Systems wird über entsprechende Ventile wieder wie bei einer konventionellen Bremse eine direkte - jedoch unverstärkte - Verbindung zwischen dem Hauptzylinder und den Radbremsen hergestellt.

Die erste auf dem europäischen Markt verfügbare elektrohydraulische Bremse wurde von der Robert Bosch GmbH mit der DaimlerChrysler AG entwickelt. Sie ist als SBC (Sensotronic Brake Control) im Mercedes SL (R230), SLR (R199), in der E-Klasse W211, im Maybach (W240), sowie im Mercedes CLS (W219) im Einsatz. Besonderheit beim Maybach: hier kommen gleich zwei Aggregate zum Einsatz. Alle Bremskreise sind hierbei doppelt redundant vorhanden.

Continental Teves (Alfred Teves) hat ein elektrohydraulisches Bremssystem in den USA im Ford Escape Hybrid im Serieneinsatz.

Toyota greift bei seinen Hybridfahrzeugen ebenfalls auf diese Technologie zurück. Bekanntestes Beispiel ist der seit Anfang 2004 verfügbare Toyota Prius II.

Vorteile

Kürzere Bremswege durch optimales Ausnutzen der dynamischen Achslastverlagerung (elektronisches Fahrwerk) sowie schnelleres Bremsansprechverhalten. Sobald Niederschlag erkannt wird, legt das SBC die Bremsklötze in regenmäßigen Abständen an die Bremsscheibe an, um den darauf haftenden Wasserfilm zu beseitigen und die Scheibe so "trockenzubremsen". Weiterhin legt das SBC die Bremsklötze an die Scheibe an, wenn der Fahrer schlagartig vom Gas geht, um so bei einer eventuell folgenden Notbremsung die bestmögliche Verzögerung zu erzielen.

Auch bietet die elektrohydraulische Bremse Möglichkeiten zur Implizierung von Komfortfunktionen, bei Mercedes-Benz "SBC-Hold" und "SBC-Stop" genannt. Die Funktion des "SBC-Hold" besteht darin, das Fahrzeug bei Stillstand und Motorlauf (beispielsweise Warten an einer Ampel) gegen Wegrollen zu sichern, dazu genügt es, das Bremspedal einmal kräftig zu treten. Deaktiviert wird es automatisch beim Gasgeben bzw. nochmaligem kräftigen Durchtreten der Bremse. SBC-Stop ist ein Stop-and-go - Assistent, der mittel Tempomatschalter aktiviert wird und bis zu einer Geschwindigikeit von 15km/h das Bremsen selbständig übernimmt.

Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die pulsierende Rückwirkung auf das Pedal bei ABS Regelung entfällt und z.B. nur mehr ein Blinken des ABS Lämpchens über eine Regelung informiert. Durch diesen Entfall wird dem Fehlverhalten vieler Fahrer entgegegengewirkt. Untersuchungen haben gezeigt, dass häufig Fahrzeuglenker vor Schreck über das pulsierende Bremspedal die Bremskraft reduzieren und so Bremsweg verschenken.

Geschichte

Die erste Elektrohydraulische Bremse im Fahrzeugbereich wurde von Robert Bosch zusammen mit Daimler Chrysler entwickelt. Continental Teves stellte im Jahre 2000 einen Versuchsträger mit einem vergleichbaren System (modifizierter VW-Golf) vor, der aus 100 km/h einen Bremsweg von 30 m aufwies (Bremsverzögerung 12,86 m/s²) - üblich sind maximal 38,5 m Bremsweg und 10,02 m/s² Bremsverzögerung.

Wegen Fehlern im elektrohydraulischen Bremssystem SBC musste Mercedes-Benz im Mai 2004 rund 680.000 Fahrzeuge der E- und SL-Klasse zurückrufen. Weitere Schwierigkeiten mit der zunächst als "Superbremse" titulierten Anlage führten 2005 zur größten Rückrufaktion in der Mercedes-Geschichte und zu einer der größten Rückrufaktionen überhaupt. Weltweit mußten etwa 1,3 Millionen Mercedes der E-, CLS- und SL-Klasse in die Werkstatt. Mit der Modellpflege 2006 wendet sich Mercedes von der SBC ab und kehrt zum "konventionellen" Bremssystem zurück.

Beim Toyota Prius bewährt sich das System, dort sind keine Ausfälle bekannt geworden.

Markteinführung

2001: Mercedes-Benz SL 500.

Literatur

  • Reichel, Hans-Rolf: Elektronische Bremssysteme. Vom ABS zum Brake-by-Wire. Expert Verlag. 2001. ISBN 3-8169-2010-1.

Siehe auch: Bremse (Kraftfahrzeug), Themenliste Straßenverkehr