Bischöfliches Hilfswerk Misereor

Das Bischöfliche Hilfswerk Misereor e. V. (lat. misereor, ich erbarme mich) ist eines der größten Hilfswerke der römisch-katholischen Kirche in Deutschland und hat seinen Sitz in Aachen.
Nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe unterstützte Misereor seit seiner Gründung im Jahr 1958 ca. 106.000 Projekte in Asien, Afrika, Ozeanien und Lateinamerika. Das Ziel Misereors ist es, den Ärmsten der Armen zu helfen und gemeinsam mit einheimischen Partnern Menschen jedes Glaubens, jeder Kultur und jeder Hautfarbe zu unterstützen.[1] Jedes Jahr werden etwa 6000 Projektanfragen an die Organisation gestellt. In der Geschäftsstelle Aachen arbeiten ca. 330 römisch-katholische und evangelische Christen. Die jährliche Aktion in der Fastenzeit soll den römisch-katholischen Pfarrgemeinden die Lebenswelt von Menschen nahebringen, die unter Armut und Ungerechtigkeit leiden.
Geschichte
Blatt 1 der fünfbändigen Entstehungsakte für das Bischöfliche Hilfswerk Misereor im Archiv der Erzdiözese Köln ist ein Schreiben von Jakob Holl vom 24. April 1958 an den Generalvikar Joseph Teusch. Darin macht er ihn auf einen von ihm geschriebenen Artikel mit der Überschrift „Hunde haben's bei uns besser“ aufmerksam, der in der Kölner Kirchenzeitung vom Vortag erschienen war. Holl wirbt in dem Artikel dafür, mehr gegen den Hunger in der Welt zu unternehmen und dafür neue Organisationsformen zu schaffen. Voraufgegangen war eine dreimonatige Reise Holls von Ende Oktober 1957 bis Anfang Januar 1958 nach Asien, die ihn auch mehrere Wochen zu Mutter Teresa in Kalkutta führte. Er begleitete sie mit seiner Kamera zu Sterbenden und bewunderte ihre Geduld dabei. Wer unter den Hungernden noch essen konnte, bekam von ihr unter dem Blitzlicht von Holl's Kamera Milch und Reis. Ein 14-jähriger Junge starb in den Armen von Holl in der Sterbehalle von Kalighat, der die ihm eingeflößte Milch nicht mehr schlucken konnte. Als Holl wieder zu Hause war, ergriff er sofort Initiativen. Über das Päpstliche Werk der Glaubensverbreitung in Aachen richtete er ein Postscheckkonto mit dem Stichwort „Reis für Kalkutta“ ein und sammelte Spenden. Als sein Bericht in der Kirchenzeitung veröffentlicht wurde, hatte er bereits 75.000 DM gesammelt, die er an Mutter Theresa weiterleitete. In einem Begleitbrief schrieb er ihr:
„Als ich in der Sterbehalle von Kalighat stand, kamen mir spontan die Worte unseres Herrn in den Sinn: Misereor super turbam – mich erbarmt des Volkes“
Insgesamt erbrachte die Aktion „Reis für Kalkutta“ rund eine halbe Million DM.[2]
Der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings nahm das zum Anlass und bat auf der Bischofskonferenz in Fulda im Herbst 1958 um die Einrichtung eines bischöflichen Hilfswerks mit der Bezeichnung Misereor super turbam, um in den Entwicklungsländern besser Hilfe leisten zu können. Die Bischöfe stimmten dem Vorschlag einhellig zu. Der Name wurde jedoch auf das Wort Misereor verkürzt. Damit führte die Spur über Jakob Holl auch gleichzeitig zu Mutter Teresa.[3] In der Fastenzeit 1959 wurde die erste Fastenaktion durchgeführt.[4] Ein Jahr später zog Misereor in die Aachener Mozartstraße Nr. 9 ein, wo sie in direkter Nachbarschaft zur Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen einen Großteil des Gebäudetraktes von dem dort seit 1932 ansässigen Priesterseminar Aachen übernahm.
Arbeitsschwerpunkte
Projektarbeit
Misereor arbeitet mit den Menschen, die unter Krankheit, Armut oder einer anderen menschlichen Not leiden, um dadurch Gerechtigkeit, Freiheit, Versöhnung und Frieden in der Welt zu fördern. Zentrale Themen in der Projektarbeit sind der Kampf für Menschenrechte, für jeden Menschen zugängliches Trinkwasser, der Kampf gegen AIDS, Klimawandel, die Armut in Städten oder Genderproblematiken. Schlüsselbereiche der Förderung sind ländliche Entwicklung, das Gesundheitswesen, die Berufs- und Erwachsenenbildung, die Kleingewerbeförderung, Selbsthilfewohnbau, Projekte der Sozialarbeit, Frauenförderung, Menschenrechtsarbeit sowie die Schulung örtlicher Führungskräfte.
Misereor arbeitet mit ortsansässigen Partnerorganisationen. Projektpartner vor Ort leben mit den Armen und wissen, unter welchen Bedingungen diese leben. Misereor-Partner kommen aus Ortskirchen, Selbsthilfeinitiativen, Kooperativen, Menschenrechtsgruppen und anderen nichtstaatlichen Organisationen. Während der Projektbegleitung bilden der Erfahrungsaustausch und die Auswertung von durchgeführten Maßnahmen einen stetigen Entwicklungsprozess. Des Weiteren will Misereor einen Süd-Süd-Dialog als Grundlage für eine zukunftsfähige Entwicklung verstärken.[5]
Öffentlichkeitsarbeit
Misereor führt Untersuchungen zu den Ursachen von Verarmung, Unterdrückung und Zerstörung durch und informiert darüber. Um der Entwicklungszusammenarbeit in der Politik und öffentlich den Rücken zu stärken betreibt Misereor Lobbyarbeit. Dies bedeutet auch die Beteiligung an internationalen Diskussionen über Entwicklungspolitik und Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess in der Gesellschaft. Tausende Menschen unterstützen die Entwicklungsarbeit von Misereor mit ihrem ganz persönlichen Beitrag. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der jährlichen Fastenaktion zu.[6]
Finanzierung

Im Jahr 2016 nahm Misereor insgesamt 202,0 Millionen Euro ein. Neben 53,2 Millionen Euro aus Kollekten und Spenden wurden Misereor 139,1 Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie 7,5 Millionen Euro aus kirchlichen Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt. [7]
Misereor-Fastenaktionen
Aktions-Jahr | Thema[8] |
---|---|
1989 | Solidarisch in der Einen Welt – Gerechtigkeit und Erbarmen (30 Jahre Misereor) |
1990 | Gemeinsam handeln – Solidarisch in der Einen Welt |
1991 | Die Würde des Menschen ist unantastbar |
1992 | 1492–1992 – 500 Jahre Lateinamerika |
1993 | Die Schöpfung bewahren – …damit alle leben können |
1994 | Flüchtlinge – Prüfstein weltweiter Solidarität |
1995 | Zeit für Versöhnung |
1996 | Jeder Tropfen zählt |
1997 | Brich mit den Hungrigen dein Brot |
1998 | Die Armen zuerst (40 Jahre Misereor) |
1999 | Ich will Kind sein |
2000 | Jetzt ist die Zeit – gemeinsam anders handeln |
2001 | Teilen mit Gewinn |
2002 | Schritte zum Frieden |
2003 | Wem gehört die Welt? |
2004 | Unser tägliches Brot gib uns. Heute. |
2005 | Teilen verbindet – gemeinsam gegen Krankheit in der Welt |
2006 | Die Fülle des Lebens teilen |
2007 | Entdecke, was zählt! |
2008 | Mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der Armen |
2009 | Gottes Schöpfung bewahren – damit alle leben können |
2010 | Gottes Schöpfung bewahren – damit alle leben können |
..2011 | Menschenwürdig leben. Überall! |
2012 | Menschenwürdig leben. Kindern Zukunft geben |
2013 | Wir haben den Hunger satt! |
2014 | Mut ist zu geben, wenn alle nehmen. |
2015 | Neu denken! Veränderung wagen.[9] |
2016 | Das Recht ströme wie Wasser (Am 5,24 EU) |
2017 | Die Welt ist voller guter Ideen. Lass sie wachsen. |
Misereor-Hungertücher

Über den Zeitraum von meist jeweils zwei Jahren steht den Kirchengemeinden in der Fastenzeit ein Hungertuch zur Verfügung, das zur Meditation und zur Auseinandersetzung mit Themen der Entwicklungsarbeit einlädt. Das Hungertuch für 2017/2018 gestaltete der in Nigeria geboren Künstler Chidi Kwubiri. Die Themen bisheriger Hungertücher waren:[10]
Hungertuch Jahr | Motto | Künstler |
---|---|---|
1976 | Christus im Lebensbaum – Hoffnung für alle | Indien |
1978 | Ereignisse der Heilsgeschichte | Alemayehu Bizuneh, Äthiopien |
1980 | Hungertuch aus dem Mittelalter | sog. Bruder-Klaus-Meditationsbild, Schweiz (15. Jh.) |
1982 | Die Welt der Bibel | Jacques Chéry, Haiti |
1984 | Leben – Wasser und Licht | Jyoti Sahi, Indien |
1986 | Als Christinnen und Christen auf dem Weg | Frauen und Männer aus Santiago de Pupuja, Peru |
1988 | Vaterunser-Bitten | René Tchebetchou, Kamerun |
1990 | Biblische Frauengestalten – Wegweiser zum Reich Gottes | Lucy D’Souza, Indien |
1992 | Ein neuer Himmel und eine neue Erde | Adolfo Pérez Esquivel, Argentinien |
1994 | Gott begegnen im Fremden | Azariah Mbatha, Südafrika |
1996 | Hoffnung den Ausgegrenzten | Sieger Köder, Deutschland |
1998 | Barmherzigkeit und Gerechtigkeit | Altes Meditationsbild |
2000 | Ein Jahr, das Gott gefällt – Neubeginn und Befreiung | Suryo Indratno, Java |
2002 | Augen-Blicke des Friedens | El Loko, Togo |
2004 | Brot und Rosen | Frauen aus Lateinamerika |
2007 | Selig seid ihr | Li Jinyuan, China |
2009 | Gottes Schöpfung bewahren – damit alle leben können | Tony Nwachukwu, Nigeria |
2011 | Was ihr dem Geringsten tut | Sokey A. Edorh, Togo |
2013 | Wie viele Brote habt ihr? | Ejti Stih, Bolivien |
2015/2016 | Gott und Gold – wieviel ist genug? | Dao Zi, China [11] |
2017/2018 | Ich bin, weil du bist | Chidi Kwubiri, Nigeria/Deutschland [12] |
Geschäftsführung
Die ersten drei Hauptgeschäftsführer waren Prälat Gottfried Dossing (1958–1976), Bischof Leo Schwarz (1976–1982) und Prälat Herkenrath (1982–1997). Von 1997 bis zum 23. März 2012 war Josef Sayer Hauptgeschäftsführer. Nachfolger ist Pirmin Spiegel. Der Geschäftsführer für die internationale Zusammenarbeit ist Martin Bröckelmann-Simon (seit 1999), Geschäftsführer Interne Dienstleistungen seit 2006 Thomas Antkowiak.[13]
Gesellschafter, Mitgliedschaften, Kooperationen
Misereor ist Gesellschafter von GEPA – The Fair Trade Company.[14]
MISEREOR arbeitet mit anderen Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft in Kooperationen und Bündnissen zusammen:[15]
- Klima-Allianz: Für eine entschlossene Klimapolitik
- CIDSE, Coopération Internationale pour le Développement et la Solidarité, Allianz 17 katholischer Entwicklungsorganisationen aus Europa und Nordamerika
- Bündnis Entwicklung Hilft (zusammen mit Brot für die Welt, Welthungerhilfe, terre des hommes, medico international, Kindernothilfe, Christoffel-Blindenmission, terre des hommes)[16]
- VENRO, Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V.
- Caritas international
- Bündnis für nachhaltige Textilien
- TransFair e. V. der deutschen Siegelorganisation für den Fairen Handel[17]
Misereor kooperiert
- in der Aktion 2 Euro helfen mit der Kölner A-cappella-Gruppe Wise Guys[18]
- mit AIDA e. V. (Arco Iris do Amor), einem gemeinnützigen Verein, der armen Menschen in Brasilien, besonders Kindern und Jugendlichen, zu einer besseren Zukunft verhelfen will[19]
- mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) für die Studie Zukunftsfähiges Deutschland (1996), die den Diskurs zur Nachhaltigkeit stark prägte.
Aktionen, Kampagnen
Misereor ist gemeinsam mit anderen Organisationen Träger der Demonstration Wir haben es satt!. Die Veranstaltung findet jährlich Anfang Januar in Berlin statt.[20]
Misereor unterstützt u.a. folgende Kampagnen und Aktionen:
- Mit zwei Euro im Monat helfen
- Faire Woche
- Kein Patent auf Leben
- Erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung
- Miteinander teilen – gemeinsam handeln – Ökumenisches Projekt: Im Rahmen der Aktion Miteinander Teilen stellen das katholische Hilfswerk Misereor und die evangelische Organisation „Brot für die Welt“ monatlich ein konkretes Projekt vor.
Publikationen
- "frings." - Magazin (halbjährlich)
- Misereor-Lehrerforum (vierteljährlich)
- Misereor-Newsletter
- Gemeinde-Newsletter
- Pressemitteilungen
- Ausstellungen ("Mensch Macht Milch" (EU-Agrarpolitik), Karikaturenausstellung "Glänzende Aussichten" (Klima, Konsum), "Auf kleiner Flamme" (Energie), "Fractured Lives" (Genozid Ruanda), "Daheim auf 2qm - Leben im Käfig" (Menschenrechte))
- Übersicht aller Publikationen
Siehe auch
- Brot für die Welt, die evangelische Spendenaktion
- Adveniat, Kindermissionswerk, Caritas, missio, Renovabis
- Deutsche Bischofskonferenz
Weblinks
- Offizielle Website
- Homepage der "2 Euro helfen"-Aktion
- Homepage von TransFair/ Fairtrade Deutschland
- Erläuterung zu Misereor auf katholisch.de
Einzelnachweise
- ↑ Homepage Misereor
- ↑ Herbert Stahl: Wie Misereor zu seinem Namen kam, in: Rheinisch-Bergischer Kalender 2017, 87. Jahrgang, S. 36ff., ISBN 978-3-87314-499-6
- ↑ Erich Läufer: Vor 40 Jahren wurde das bischöfliche Hilfswerl Misereor gegründet, in: Kirchenzeitung Köln 9/98 vom 27. Februar 1998
- ↑ – Rede von Josef Kardinal Frings zur Gründung von Misereor, aufgerufen am 1. März 2011
- ↑ misereor.de
- ↑ misereor.de
- ↑ misereor.de
- ↑ www.misereor.de (offline)
- ↑ Webseite der Misereor-Fastenaktion, abgerufen am 9. Februar 2015
- ↑ Hungertuch-Galerie
- ↑ Das Misereor-Hungertuch. Abgerufen am 9. Februar 2015.
- ↑ Die Welt ist voller guter Ideen. Abgerufen am 15. Januar 2017.
- ↑ misereor.de
- ↑ gepa.de
- ↑ Kooperationspartner und Bündnisse
- ↑ entwicklung-hilft.de
- ↑ MISEREOR-Engagement
- ↑ Wise Guys bei 2-euro-helfen.de
- ↑ AIDA e.V.
- ↑ Die TrägerInnen der Demo "Wir haben es satt!" Abgerufen am 5. Dezember 2013