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Kognitive Verhaltenstherapie

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Die Kognitive Verhaltenstherapie ist eine Form der Verhaltenstherapie, die sich seit den 50er Jahren aus der Verhaltenstherapie und der kognitiven Therapie (Vertreter z.B. Aaron T. Beck und Albert Ellis) entwickelt hat.

Im Mittelpunkt der Kognitiven Therapieverfahren stehen Kognitionen. Kognitionen umfassen Einstellungen, Gedanken, Bewertungen und Überzeugungen. Die Kognitiven Therapieverfahren, zu denen die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und die Rational Emotive Therapie Verhaltenstherapie (REVT) gehören, gehen davon aus, dass die Art und Weise, wie wir denken, bestimmt, wie wir uns fühlen und verhalten und wie wir körperlich reagieren. Schwerpunkte der Therapie sind:

  • die Bewusstmachung von Kognitionen
  • die Überprüfung von Kognitionen und Schlussfolgerungen auf ihre Angemessenheit
  • die Korrektur von irrationalen Einstellungen
  • Transfer der korrigierten Einstellungen ins konkrete Verhalten

Die Kognitive Therapie stellt somit die aktive Gestaltung des Wahrnehmungsprozesses in den Vordergrund. Nicht die objektive Realität, sondern die subjektive Sicht der Dinge, also die Wahrnehmungsselektion und die Wahrnehmungsbewertung, sind entscheidend für das Verhalten. Affekt und Verhalten sind weitgehend von der Art bestimmt, wie der Mensch die Welt strukturiert.

Kognitive Therapie nach Beck

Beck beschreibt das kognitive Modell am Beispiel der Depression und geht dabei von folgenden Annahmen aus:

  1. kognitive Triade: Die Gedankeninhalte betreffen das Selbst, die Welt und die Zukunft. Der Patient hat ein negatives Selbstbild, er beurteilt sich selbst als fehlerhaft, unzulänglich, wertlos und nicht begehrenswert. Diese Gedanken gehen so weit, dass der Betroffene denkt ihm fehlen Eigenschaften, um glücklich zu sein. Außerdem neigt er dazu sich zu unterschätzen und zu kritisieren. Erfahrungen werden in der Regel negativ interpretiert, subjektiv werden überwiegend Enttäuschungen und Niederlagen empfunden und auch die Zukunftserwartung ist negativ geprägt. Eine Veränderung der gegenwärtig empfundenen Situation wird ebensowenig als möglich angenommen, wie eine eigene Beteiligung an dieser.
  2. Schemata: Die genannten Kognitionen gehen auf Schemata zurück, die aus vergangenen Erfahrungen entstanden sind. Mit diesem Konzept wird erklärt, warum ein depressiver Patient trotz objektiver Belege für positive Faktoren in seinem Leben seine schmerzverursachende und selbstverletzende Haltung beibehält. Schemata sind hier stabile kognitive Verarbeitungsmuster, die sich in der Kindheit und Jugend herausgebildet haben.
  3. kognitive Fehler: Aufgrund der in der Kindheit gelernten Schemata findet laut Beck bei Depressiven eine fehlerhafte Informationsverarbeitung statt, die dem von Piaget beschriebenen kindlichen Denken ähnelt. Die Annahmen sind eindimensional, global, invariabel, verabsolutierend, irreversibel.

Zu diesen Kognitionen führen u. a. folgende "Denkfehler":

  1. Willkürliche Schlussfolgerungen: ohne sichtbaren Beweis oder sogar trotz Gegenbeweisen werden willkürlich Schlussfolgerungen gezogen.
  2. Übergeneralisierung nach dem Muster: aufgrund eines Vorfalls wird eine allgemeine Regel aufgestellt, die unterschiedslos auf ähnliche und unähnliche Situationen angewendet wird.
  3. Dichotomes Denken: Denken in Alles oder Nichts-Kategorien.
  4. Personalisierung: Ereignisse werden ohne klaren Grund auf sich selbst bezogen.
  5. Selektives Abstraktion = Bezug auf Detail ohne Berücksichtigung des Kontexts

Ziel der Therapie ist es, dem Klienten zu vermitteln, das Denkfehler und irrationale Annahmen zu Gefühlen von Minderwertigkeit und Bedrohung führen. Deshalb ist es wichtig, die negativen Gedanken zu identifizieren und in Frage zu stellen. Dies soll dazu führen, das alternative, genauere und angepasstere Gedanken entwickelt werden. Im Gegensatz zu Ellis ist bei Beck auch der Inhalt der Gedanken von Bedeutung.

Methoden

Die Kognitive Verhaltenstherapie verbindet Methoden auf kognitiver Ebene und Verhaltensebene. Um eine Veränderung kognitiver Muster und damit verbundener Verhaltensweisen zu erreichen, werden kognitive Verfahren und verhaltensorientierte Verfahren eingesetzt.

Verhaltensorientierte Verfahren:

Verhaltensorientierte Verfahren sollen dazu dienen, den Klienten zu aktivieren und seine affektive Störungen wenigstens ansatzweise in den Griff zu kriegen. Die Änderung des Verhaltens führt zu positiven Emotionen, diese wiederum führen zu veränderten Kognitionen. Zu den verhaltensorientierten Techniken gehören:

  • graduierte Aufgabenstellung
  • Aktivitätsplanung und -durchführung
  • Mastery & Pleasure Therapie

Kognitionsorientierte Verfahren

Kognitionsorientierte Verfahren sollen dazu dienen, eine langfristige kognitive Umstrukturierung zu erreichen: negative Kognitionen sollen durch rationalere ersetzt werden, was zu aktiverem, kompetenterem Verhalten führen soll. Zu den kognitionsorientierte Verfahren gehören:

  • Sammeln und auzeichnen automatischer Gedanken
  • Zweispaltentechnik: Argumentieren gegen automatische Gedanken
  • Erkennen von Mustern kognitiver Verzerrungen
  • Realitätstesten: Testen der Kognitionen
  • Umattribution: Trennung der Verantwortlichkeiten
  • Entkatastrophisieren
  • Aufbau von Erwartungen


Wirksamkeit

Die Kognitive Verhaltenstherapie hat sich insbesondere in der Behandlung von Phobien, Panikattacken und Depressionen als sehr effektiv erwiesen. Auch bei der Behandlung von Essstörungen wurde ihre Wirksamkeit nachgewiesen (Fairburn 1985 In: Thiel; Paul 2000).

Kognitive Verhaltenstherapie am Beispiel der Therapie von Bulimie und Anorexie in folgendem Setting (Thiel; Paul, 2000)

Im Fall einer Essstörung soll die kognitive Verhaltenstherapie den Kreislauf von verzerrtem Gewichtsideal, diätischem Essverhalten und mangelnden alternativen Konfliktbewältigungsstrategien durchbrechen, indem sie hilft, das Essverhalten zu normalisieren, verzerrte Einstellungen zu Körper und Gewicht systematisch in Frage zu stellen, Auslöser, Hintergründe und die Funktion des gestörten Essverhaltens deutlich zu machen und neue Bewältigungsstrategien anzuwenden. Sie soll den Betroffenen ermutigen mit neuen Verhaltensweisen Erfahrungen zu sammeln und mit Problemen in Zukunft anders und möglicherweise besser zurechtzukommen (vgl. Thiel & Paul).

Durchführung

Ambulante Durchführung als Gruppentherapie mit zehn Teilnehmern.
Dauer und Umfang: 16 Wochen, 20 Sitzungen.
Therapeutenteam, am besten gemischtgeschlechtlich.

  • Phase 1 (4 Wochen, Sitzung 1-8)
    • Diagnostik
      • Erstellen einer individuellen Problemanalyse des gestörten Essverhaltens, weiterer Problembereiche, der Vorgeschichte etc.
    • Informationsvermittlung
      • über die Bedeutung soziokultureller Einflüsse, Zusammenhänge von Diät und Essstörungen
      • über die Bedeutung eines bestimmten Körpergewichts (Set-Point-Theorie) und möglicher Folgeschäden
    • Aufbau von Alternativverhalten
  • Phase 2 (8 Wochen,Sitzung 9-16)
    • Aufbau von Alternativverhalten und Festigung des Verhaltens in "kritischen Situationen"
    • Bearbeitung zugrundeliegender Konflikte
    • Korrektur verzerrter Einstellungen zu Körper und Gewicht
      • Identifikation und Konfrontation mit verzerrten Einstellungen zu Körper und Gewicht, Korrektur dysfunktionaler Einstellungen und Überzeugungen
  • Phase 3 (4 Wochen, Sitzung 17-20)
    • Stabilisierung und Bilanzierung
    • Rückfallanalyse und Vorbereitung auf Schwierigkeiten in der Zukunft