Italienische Mafia
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Die Mafia (auch: Maffia) war anfänglich ein Geheimbund, der seine Wurzeln im Sizilien des 19. Jahrhunderts hatte, inzwischen aber weltweit kriminell organisiert tätig ist. Die Mafia und die Cosa Nostra bezeichnen heute praktisch ein und dieselbe Organisation. Der diffuse Begriff Mafia bekam erst in den 1990ern durch die später von der Mafia ermordeten Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino ein Gesicht, da hier erstmals durch die Aussagen des Ex-Mafiamitglieds Tommaso Buscetta die Strukturen bis hin zu führenden Bossen der weltweit operierenden Familien der Cosa Nostra juristisch verwertbar aufgedeckt wurden. Der umgangssprachlich genutzte Begriff Mafia für jegliche Form Organisierter Kriminalität ist sachlich falsch, da hier eine Differenzierung zwischen Mafia und anderen ähnlich aggierenden kriminellen Organisationen auf der Welt, die lokal und historisch von der Mafia völlig unabhängig entstanden, nicht mehr stattfindet; das gilt z.B. für die durch Medien geprägten Mafiabegriffe wie z.B. Russische Mafia oder Vietnamesische Mafia. Diese kriminellen Organisationen werden jedoch als mafiose Organisationen bezeichnet, weil sie in ihren Aktivitäten und wegen ihres Einflusses auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik der Mafia italienischen Ursprungs sehr ähnlich sind.
Etymologie
Die Herkunft des Wortes Mafia ist unsicher; es gibt verschiedene Ansätze. Eine Möglichkeit wäre das arabische mahyah (Prahlerei), oder auch "mûafâ" ( "mû" = "Mut" und "afât" = "beschützen"). Nach einer anderen leitet sich Mafia von "Ma afir" ab, einem sarazenischen Geschlecht, das von 831 bis 1072 in Palermo regierte. Mafia könnte sich aber auch vom französischen "mauvais" herleiten lassen. Manche Historiker sehen den Ursprung in den Anfangsbuchstaben der Schlachtrufe „Morte Alla Francia, Italia Anela“ („Den Tod Frankreichs ersehnt sich Italien“) und "Morte Ai Francesi, Invasori, Assasini" ("Tod den Franzosen, Eindringlingen, Mördern"), mit dem sich Kämpfer in Palermo auf ihre Besatzer stürzten. In einem sizilianisch-italienischen Wörterbuch tauchte der Begriff Mafia erstmals im Jahre 1868 auf und wird dort als Synonym für Camorra benannt.
Die Mafia und die Organisierte Kriminalität
Bevor man sich dem Begriff Mafia zuwendet, sollte der Artikel Organisierte Kriminalität gelesen werden, um einen umfassenen Überblick über die verschiedenen Erscheinungsformen Organisierter Kriminalität und die Abgrenzung zur Mafia zu erhalten. Die Mafia unterscheidet sich von anderen Formen der Organisierten Kriminalität in ihrer Struktur: Die Mafia sizilianischen Ursprungs besteht aus so genannten Familien - wobei es sich hier nicht um Familien im eigentlichen Sinne handelt, sondern um einen engen streng hierarchisch gegliederten Gruppenverband aus Mitgliedern sizilianischer Abstammung - die einem Codex folgen, dessen Regeln jedes Familienmitglied genau einzuhalten hat. Verstöße gegen diese Regeln wurden in der Vergangenheit oft mit brutalsten Mitteln bis hin zu Mord geahndet. Die Mafia ist vor allem auch eine patriarchale Organisation, Frauen haben keinen Zugang zur Hierarchie der Mafiafamilien, die Mitglieder sind ausschließlich Männer. Jede Mafiafamilie hat einen Boss, dem jedes Familienmitglied zu absolutem Gehorsam verpflichtet ist. Diesen Bossen steht wiederum ein Oberboss vor, der uneingeschränkte Macht über alle Familien hat. Die Hierarchie der Mafia ist im Artikel Cosa Nostra aufgelistet.
Mafia und Politik
Politisch betrachtet ist die Mafia eine Ausprägung rechtskonservativen Denkens, mit einer sehr starken Einschränkung der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der freien Marktwirtschaft. Aus dieser politischen Positionierung infiltriert die Mafia insbesondere Parteien des rechten und moderaten Spektrums. Ihr klassischer politischer Gegner sind linke Parteien, linke Gewerkschaften, aber auch zum Teil liberale Bewegungen und Unternehmerverbände. Einfach gesagt sind der Mafia alle Bewegungen entgegengesetzt, deren gemeinsames Interesse die transparente und soziale Gestaltung staatlicher Verhältnisse ist.
Im Fall von Italien war augenscheinlich der Faschismus unter Mussolini ein solcher Gegner der Mafia und zwar der zugleich radikalste und erfolgreichste. Innerhalb weniger Jahre und Kraft der Möglichkeiten totalitärer Staatsordnung gelang hier die Zurückdrängung der Mafia bis zur Bedeutungslosigkeit. Als Kehrseite dieses Erfolges und zugleich wichtig zur Präzisierung des Phänomens Mafia, tritt mit dem Faschismus der Mafia weniger ein Gegner als vielmehr ein ungleicher Konkurrent gegenüber. Diese "Mafia-Bindung" totalitärer Staaten wird auch sichbar, wo, im umgekehrten Fall, beim Zusammenbruch nichtdemokratischer Regime, wie den Staaten des ehemaligen Ostblock, eine zum Teil rasante Entwicklung der Mafia zu beobachten ist. Auffällig in Erscheinung treten dabei insbesondere frühere Funktionäre aus Geheimdienst, Partei und der Staatswirtschaft.
Die Besonderheit der Mafia, also die Verschmelzung von organisierter Kriminalität und Staat, ist nur möglich in dem Maß, wie sie eine verbreitete, im Volk tief verankerte Mentalität ausdrückt. Ihr Eindringen in die Administration beschreibt am Fall von Italien Violante (in den Neunziger Jahren Chef der Anti-Mafia-Kommission): "Die Mafia versucht immer mehr, direkt in die Politik einzudringen und stellt sogar ihre eigenen Kandidaten. Daher muss man die Augen offen halten und scharf reagieren" ... "Für die Mafia ist es nicht so sehr das Problem, Verbindungen mit nationalen Politikern zu finden, die Mafia will zu Geld kommen. Daher ist es für die Cosa Nostra wichtig, auch auf lokaler und regionaler Ebene Politiker in die Institutionen einzuschleusen. Alle Parteien müssten sich mit der Gefahr der Mafia-Verstrickung auseinander setzen."
Im Volk verbreitete Haltung gegen staatliche Ordnung dringt einerseits in alle Instanzen öffentlich sichtbaren politischen Lebens, adererseits organisiert sie hierarchisch gegliederte Entscheidungs-Gremien einschließlich ausführender Organe. So berichtet ein Vincenzo Calcara vom Tag seiner rituellen Aufnahme: "Die Cosa Nostra erkennt die Autorität des Staates nicht an, zu dem sie immer im Gegensatz stand und stehen wird. Wir kümmern uns nicht um den Staat. Unsere Heimat ist die Mafia-Familie, die wir bis zum letzten Blutstropfen verteidigen müssen". (Bettini 1994, 86–88).
Mafia und Wirtschaft
Ab einem bestimmten Punkt der Akkumulation okönomischer Ressourcen aus Kriminalität, wird der Aufbau von Strukturen zur Geldwäsche zum strategischen Ausgangspunkt der gesellschaftlichen und internationalen Weiterentwicklung von der klassischen zur modernen Mafia. Dabei streift sie den letzten Schein ihrer "archaischen Züge" ab. Die Mafia infiltriert die Wirtschaft eines Landes und schließlich die internationalen Finanzmärkte als "sauberer Investor". Geht die Infiltration weit genug wird die Mafia zum Wirtschaftsfaktor, der in prädestinierten Regionen den staatlich kontrollierten überragen kann.
Die Gegenleistungen der Mafia sind nicht gemeinschaftlicher Art wie Krankenhäuser, Schulen usw., sondern persönliche Vorteilsverschaffung etwa bei der Verteilung staatlicher Bauaufträge oder bei der Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst. Ergebnis ist der wirtschaftliche und verwaltungstechnische Rückfall hinter andere Landesregionen und in Folge die Abwanderung. Die Folge wiederum sind Wirtschaftshilfen und damit die Stärkung der Mafia, die die Verwaltung dieser Hilfen je nach ihrem Einfluß kontrolliert.
Die Mafia heute
Heute ist "Mafia" ein internationales Synonym für organisierte Kriminalität. "Mafia" wird gleichgesetzt mit gewalttätigen und verschworenen Geheimgesellschaften und kriminellen Klans, die sich in der Prostitution, dem Menschenhandel, dem Drogenhandel, die ihre Einkünfte aus Erpressung, insbesondere der Schutzgelderpressung, dem illegalen Glücksspiel und Subventionserschleichung bzw. Subventionsbetrug bestreitet. Lohnendes "Geschäftsfeld" ist weiterhin die kriminelle Unterwanderung von legalen Wirtschaftssektoren: der Bauwirtschaft, der Wohnungswirtschaft, der Abfallentsorgung, der Gastronomie, dem offiziellen Bank- und Finanzwesen. Allein in Italien soll die Mafia schätzungsweise 100 Mrd. Euro jährlich erwirtschaften - doppelt soviel wie der Autohersteller Fiat (Stand: 2006). Die Gewinne versucht die Mafia in den normalen Wirtschaftskreislauf einzubringen und so zu legalisieren. In Italien werden rund 20 000 Menschen zum Kern der Mafia gezählt.
Die sizilliansiche Mafia/ Cosa Nostra bezieht sich oft auf einen historischen Geheimbund namens Beati Paoli, ein fingierter Mönchsorden, der von einer Kapelle in Palermo aus seine Aktivitäten gesteuert habe. In Wirklichkeit stammt die Geschichte der "Beati Paoli" aus einem im 19 Jh. verbreiteten Roman von Luigi Natali unter dem Pseudonym William Galt.
Internationale Mafia-Organisationen
Folgende kriminelle Organisationen werden weithin unter dem Begriff mafia zusammengefasst, obwohl einzig die mafia auf Sizilien diesen Status regulär für sich beanspruchen könnte. Alle anderen Organisationen verfügen nicht über den sozialhistorischen Kontext und sind deshalb eher als Organisierte Kriminalität zu bezeichnen:(In Italien beherrschend sind die " drei bösen Schwestern": Cosa Nostra, Camorra und ’Ndrangheta.)
- Italien: Mafia
- Kalabrien: ’Ndrangheta
- Neapel: Camorra
- Sizilien: Cosa Nostra, Stidda,Mafia
- Apulien: Sacra corona unita
- Lateinamerika: columbianischer Narcotrafíco
- USA: Cosa Nostra
- Japan: Yakuza
- China: Triaden
- Europa: Russische Mafia
Außerdem wird der Begriff in zahlreichen weiteren Verbindungen benutzt, um organisierte Kriminalität zu bezeichnen („Russische Mafia“, „Vietnamesische Mafia“), wobei es nicht in allen Fällen tatsächlich eine einheitliche Organisationsstruktur geben muss.
Berüchtigte Mafiosi
Italien
- Giorgio Basile
- Giovanni Brusca, verantwortlich für den Tod von Giovanni Falcone
- Tommaso Buscetta
- Bernardo Provenzano
- Totó Riina
USA
- Al Capone
- Paul Castellano
- Joseph Colombo
- Frank Costello
- John Gotti
- Sammy Gravano
- Meyer Lansky
- Lucky Luciano
- Dutch Schultz
- Bugsy Siegel
Kolumbien
Namen ohne Verweise: Gaetano Badalamenti, Al Lissi, Tribiani (Singapur), Messina Denaro (vermutlich der Nachfolger Provenzanos), Christo Duizio
Liste wichtiger Mafia-Gegner (länderspezifisch und chronologisch)
Italien
- Giuseppe Impastato war ein italienischer Politiker und wurde 1978 von der Mafia ermordet.
- Carlo Alberto Dalla Chiesa war u.a. General der Carabinieri und wurde am 3. Sept. 1982 von der Mafia ermordet.
- Antonino Caponnetto war leitender Richter der Untersuchungskommission, die zu dem ersten großen Mafiaprozess führte.
- Giovanni Falcone war u.a. Staatsanwalt bei den großen Mafiaprozessen und wurde am 23. Mai 1992 von der Mafia ermordet.
- Paolo Borsellino war u.a. Staatsanwalt bei den großen Mafiaprozessen und wurde am 19. Juli 1992 von der Mafia ermordet.
- Leoluca Orlando ist Politiker und Jurist und war u.a. von 1985-2000 Bürgermeister von Palermo.
- Salvatore Pappalardo ist emeritierter Erzbischof von Palermo und wurde durch seine unerschrockenen Reden gegen die Mafia und das Mafia begünstigende Schweigen bekannt.
Schweiz
- Carla del Ponte ist eine schweizer Juristin und zur Zeit als Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag tätig.
USA
- Joseph D. Pistone war ein verdeckt arbeitender FBI-Agent, durch den eine New Yorker Mafia-Familie enttarnt werden konnte.
- Eliot Ness war u.a. Finanzbeamter in Chicago zu Zeiten der Prohibition. (Gehört eher in den Bereich organisiertes Verbrechen in den USA.)
Noch ohne Verweise:
- Pietro Grasso
- Diken Ilkay
Medien zu Mafia und Cosa Nostra (alphabetisch)
Filme
- Film: Casino, Regie: Martin Scorsese
- Film: Der Klient
- Film: Der Pate
- Film: Die Ehre der Prizzis
- Film: Die Unbestechlichen
- Film: Donnie Brasco
- Film: Es war einmal in Amerika, Regie: Sergio Leone
- Film: GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia
- Film: Mickey Blue Eyes
- Film: Pizza Connection, Regie: Damiano Damiani
- Film: Road to Perdition
- Film: Scarface
TV-Serien
- Serie: Allein gegen die Mafia, Regie: Damiano Damiani
- Serie: Die Sopranos
Medien ohne Verweise:
- Das Phantom von Corleone
- In den Straßen der Bronx
Games
- Game: Mafia
- Game: Der Pate
Literatur
- John Dickie: Cosa Nostra. Die Geschichte der Mafia. Frankfurt a.M.: S. Fischer 2006, 557 S. ISBN 3-10-013906-2
- Andreas Ulrich: Das Engelsgesicht. Die Geschichte eines Mafia-Killers aus Deutschland. Stuttgart: DVA 2005, 280 S., 8 s/w, 13 farb. Fotos, ISBN 3-421-05899-7
- Salvatore Lupo: Die Geschichte der Mafia. Düsseldorf: Patmos 2002, ISBN 3-491-96152-1
- Ciro Krauthausen: Moderne Gewalten. Organisierte Kriminalität in Kolumbien und Italien. Frankfurt a.M.: Campus 1997, 368 S., 8 Abb., ISBN 3-593-35768-2
- Henner Hess: Mafia. Ursprung, Macht und Mythos. Freiburg: Herder 1993
- Enzo Russo: Ursinis großer Coup. Reinbek: Rowohlt 1992
- Werner Raith: Die ehrenwerte Firma. Wagenbach-Verlag 1983
- Eric Hobsbawm: Sozialrebellen. focus-Verlag 1979
- Claudio Michele Mancini: INFAMITA, ISBN 3-550-08637-7, ein Roman über den Mafia-Paten Cesare Carluccio Ullstein-Verlag 2006,
- Leoluca Orlando: Ich sollte der Nächste sein Zivilcourage - die Chance gegen Korruption und Terror. Freiburg 2002 Herder-Verlag
Weblinks
- www.lamafia.de, Informationen über die verschiedenen Vereinigungen der Organisierten Kriminalität in Italien mit dem Schwerpunkt Camorra
- „Zur Entstehungsgeschichte der sizilianischen Mafia unter besonderer Berücksichtigung des Klientelismus-Phänomens“, 28. Mai 2003 (pdf-Datei, archiviert)
- Portal zur Sizilianischen Mafia von bornpower.de
- Etymologie und Mafia-Clan-Struktur in Stichworten, (v-22.de)
- Dossier "Mythos Mafia", ZDF, 30. Dezember 2003
- www.organized-crime.de, Rezensionen verschiedener Bücher zum Thema Mafia auf organized-crime.de
- «Die Aussichten für die Mafia sind gut», Berner Zeitung, 21. April 2006, Interview mit Prof. Christian Giordano
- neapolitanischen Mafia