Zum Inhalt springen

Colin Grazier

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. Dezember 2017 um 14:13 Uhr durch OS (Diskussion | Beiträge) (Postume Ehrungen: erg & Foto der Plakette). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Able Seaman Colin Grazier (* 7. Mai 1920 in Tamworth; † 30. Oktober 1942 im Mittelmeer) war ein britischer Seemann. (Sein Dienstgrad Able Seaman der Royal Navy entspricht etwa dem heutigen NATO-Rangcode OR-3 und damit dem deutschen Obergefreiten.) Durch heldenhafte Erbeutung streng geheimer Enigma-Schlüsselunterlagen, bei der er den Tod fand, beeinflusste er den Verlauf des Krieges.

Leben

Ähnlich wie dieses von U 505 erbeutete Kenngruppenheft wurden auch Wetterkurzschlüssel und Kurzsignalheft mit wasserlöslicher roter Tinte auf rosafarbenem Löschpapier gedruckt, um sie im Fall von Gefahr schnell vernichten zu können.

Als Matrose des britischen Zerstörers HMS Petard gelang es ihm am 30. Oktober 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, im Mittelmeer, etwa 140 km nördlich Port Said (Lage), zusammen mit dem ihn begleitenden Lieutenant Tony Fasson (1913–1942) und seinem Kameraden Tommy Brown (um 1926–1945), geheime Codebücher, wie Kurzsignalheft und Wetterkurzschlüssel, aus dem deutschen U-Boot U 559 zu erbeuten.[1] Das Geheimmaterial wurde nach Bletchley Park geschafft, der etwa 70 km nördlich von London gelegenen zentralen kryptanalytischen Dienststelle der Briten, und half den Codebreakers dort ganz wesentlich dabei, in die von der Kriegsmarine verwendete Rotor-Schlüsselmaschine Enigma-M4 einzubrechen.[2]

Grazier und Fasson ertranken bei dieser Aktion. Posthum erhielt Colin Grazier das Georgs-Kreuz (englisch George Cross) „for outstanding bravery and steadfast devotion to duty in the face of danger“ (deutsch „für herausragende Tapferkeit und unerschütterliche Pflichterfüllung im Angesicht der Gefahr“).[3][4]

Postume Ehrungen

Das Colin Grazier Memorial am St Editha’s Square in Tamworth
Plakette mit Portrait von Colin Grazier am Fuß des Denkmals

In seiner Heimatstadt Tamworth wurde eine Straße sowie ein Gebäudekomplex und ein Hotel nach ihm benannt, The Colin Grazier Hotel. Im Oktober 2002, zum 60. Jahrestag der Heldentat, wurde am Sankt-Edith-Platz eine vom polnischen Bildhauer Walenty Pytel geschaffene Skulptur (Bild), die drei Anker darstellt, für ihn und seine beiden Begleiter enthüllt.

Kriegsgeschichtliche Bedeutung

Seit dem 1. Februar 1942, als im deutschen U-Boot-Schlüsselnetz „Triton“, von den Briten Shark (deutsch „Hai“) genannt, die zuvor verwendete Enigma-M3 (mit drei Walzen) durch die M4 (mit vier Walzen) abgelöst worden war, konnte der britische Geheimdienst die verschlüsselten deutschen Funksprüche nicht mehr entziffern. Diese schmerzliche Unterbrechung (Black-out) dauerte zehn Monate und war eine Phase, in der die deutsche U-Bootwaffe erneut große Erfolge verbuchen konnte.[5] Die U-Boot-Fahrer nannten sie ihre „zweite glückliche Zeit“. Mithilfe des von U 559 erbeuteten Geheimmaterials gelang es den britischen Kryptoanalytikern ab dem 12. Dezember 1942 die deutschen U-Boot-Funksprüche wieder „mitzulesen“. So konnten die für das Vereinigte Königreich kriegswichtigen Geleitzüge um die deutschen U-Boot-Rudel herumgeleitet werden und die britische Bevölkerung und Kriegswirtschaft mit Lebensmitteln und Produktionsgütern versorgt werden.[6][7]

Literatur

  • Stephen Harper: Kampf um Enigma – Die Jagd auf U-559. Mittler, Hamburg 2001, ISBN 3-8132-0737-4.

Einzelnachweise

  1. Stephen Harper: Kampf um Enigma – Die Jagd auf U-559. Mittler, Hamburg 2001, S. 50 ff. ISBN 3-8132-0737-4.
  2. Stephen Harper: Kampf um Enigma – Die Jagd auf U-559. Mittler, Hamburg 2001, S. 66 ff. ISBN 3-8132-0737-4.
  3. The London Gazette vom 14. September 1943, PDF; 340 kB (englisch) abgerufen am 12. Dezember 2017
  4. Fasson, Francis Anthony Blair bei TracesOfWar abgerufen am 8. Dezember 2017
  5. Hugh Sebag-Montefiore: Enigma – The battle for the code. Cassell Military Paperbacks, London 2004, S. 225. ISBN 0-304-36662-5.
  6. Michael Smith: Enigma entschlüsselt – Die „Codebreakers“ von Bletchley Park. Heyne, 2000, S. 181. ISBN 3-453-17285-X.
  7. Rudolf Kippenhahn: Verschlüsselte Botschaften, Geheimschrift, Enigma und Chipkarte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 247. ISBN 3-499-60807-3.