Chatten
Die Chatten [lat. Chatti) (auch Katten geschrieben) waren ein germanischer Volksstamm, der im Bereich des Oberlaufes der Lahn und den Tälern von Eder, Fulda und Werra ansässig war, was zu großen Teilen dem heutigen Niederhessen und Oberhessen, bzw. Nordhessen und z.T. Mittelhessen entspricht. Hessen ist eine spätere Abwandlung des Stammesnamens der Chatten, und die Chatten sind damit die Namensgeber des modernen Hessen.
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Herkunft

Kerngebiet des chattischen Siedlungsraumes waren die Ebene von Fritzlar-Wabern und das Kasseler Becken sowie die umgebenden Mittelgebirge. Ausläufer des Siedlungsgebietes reichten bis in die äußersten Randregionen des Rhein-Main-Gebiets hinein, wo die Chatten im 1. Jahrhundert mehrfach Konflikte mit den Römern austrugen. Der Ursprung der Chatten liegt bis heute weitestgehend im Dunkeln, nach neuestem Forschungs- und Kenntnisstand wanderten die Chatten aber nicht als gesonderter Stamm in das Gebiet zwischen Rothaargebirge und Rhön ein. Vielmehr wurden kleinere versprengte Sueben-Gruppen aus der Zeit des Ariovist sowie andere rhein-weser-germanische Völkerschaften und kleinere keltische Ethnien von einer eingewanderten elbgermanischen Herrscherschicht zum Stamm der Chatten vereint.
Zeitlicher Abriss
Als die Ubier, die an der unteren Lahn und im Westerwald lebten, 39 v.Chr. vom römischen Feldherrn Marcus Vipsanius Agrippa auf linksrheinisches Gebiet umgesiedelt wurden, nahmen die Chatten mit Zustimmung der Römer zeitweise deren Land in Besitz. Nach Konflikten mit den Sugambrern und der Erkenntnis, dass die Römer Pläne zur Eroberung von Magna Germania (Großgermanien, das freie Germanien) hegten, zogen sie sich aus dem Gebiet der umgesiedelten Ubier zurück. Im Jahre 9 n. Chr. nahmen die Chatten unter Führung ihres Stammesfürsten an der Rebellion des Arminius gegen Varus teil und gingen in den folgenden Jahren eine anti-römische Koalition unter Führung der Cherusker ein. Andererseits soll ein chattischer Adliger namens Adgandestrius an der Ermordung des Arminius beteiligt gewesen sein, die in die Jahre 19 - 21 n.Chr. datiert wird. Im Jahr 15 n.Chr. wurde Mattium (nicht lokalisiert - die Altenburg in Niedenstein bei Kassel scheidet als Standort aus, da sie bereits früher von Sueben zerstört wurde), einer der Hauptorte der Chatten, beim Rachefeldzug des Germanicus restlos zerstört.
Um ca. 58 n.Chr. kam es zu Kämpfen der Chatten mit ihren östlichen Nachbarn, den Hermunduren, um einen salzführenden Grenzfluss (vermutlich die Werra).
69 n. Chr. beteiligten sich die Chatten am Bataveraufstand unter der Führung des Julius Civilis. Gemeinhin werden die Bataver, die im Gebiet der späteren Niederlande ansässig waren, als ein nach inneren Konflikten abgespaltener und ausgewanderter, früherer Teil der Chatten angesprochen.
83 und 85 n. Chr. kam es in den sogenannten Chattenkriegen zu größeren Auseinandersetzungen zwischen den römischen Truppen des Domitian und Chatten, die im Vorland von Mainz im Taunus und im Gießener Becken lebten. Dabei gelang den Römern die Unterwerfung des Gebiets der Wetterau, was ein Bestandteil der Germanienpolitik Domitians (Neuordnung der Grenze) war. In der Folge entstanden die Grenzbefestigungen des Taunus- und Wetteraulimes. Im Zusammenhang mit dem Putsch des Saturninus 89 n. Chr. gegen Domitian kam es zu weiteren Kämpfen mit Chatten, die gelegentlich als Zweiter Chattenkrieg Domitians bezeichnet werden. [1]
162 n. Chr. fielen die Chatten in Obergermanien und Rätien ein, 170 n.Chr. in Belgien.
Um 213 n. Chr begingen chattische Frauen Suizid, um nicht in die römische Sklaverei verschleppt zu werden.
Die Chatten in der Germania des Tacitus
Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet in seiner Germania, dass die Chatten mehr als andere germanische Stämme Bergbewohner seien und aus diesem Grund über festere Körper, sehnigere Glieder und einen regsameren Geist verfügten. In ihrer Disziplin und ihrem Organisationsgeschick vergleicht Tacitus die Chatten mit den Römern. Wie die römischen Legionäre hörten sie auf die Befehle ihrer Heerführer, ständen in fester Schlachtordnung und verschanzten sich über Nacht. Des weiteren nennt Tacitus einen Brauch der Chatten: diese würden, sobald sie erwachsen seien, ihr Haupt- und Barthaar wachsen lassen und einer Gottheit weihen. Über dem getöteten Feind und den Beutewaffen schneiden sie sich Haupt- und Barthaar ab und verkünden, dass sie nun ihres Stammes und ihrer Eltern würdig seien und ihre Geburt bezahlt hätten.
Eingliederung in den fränkischen Stammesverband
Zu Beginn des 6. Jahrhunderts wurde das Gebiet der Chatten von den Franken unter Chlodwig I. besetzt und in deren Königreich eingegliedert, um die fränkischen Grenzen vor den Sachsen zu schützen, die nördlich der Chatten siedelten und immer wieder in chattisches und fränkisches Gebiet eindrangen.
Die Behauptung einer gewissen Teilautonomie der Chatten gegenüber den Franken führte dazu, dass sie neben den Friesen der einzige germanische Volksstamm bleiben, bei dem sich sowohl Name als auch Siedlungsgebiet bis auf den heutigen Tag erhalten haben.
Im Frankenreich blieben die Chatten am längsten ihren alten germanischen Göttern treu. Das Fällen der Donareiche bei Geismar, nahe Fritzlar durch Bonifatius im Jahre 723 gab den Ausschlag zu ihrer Christianisierung.
738 trat der neue Name Hessen zum ersten Mal in der Geschichte auf: Gregor von Tours berichtete in einem Sendschreiben an Bonifatius von einem chattischen Teilstamm, dem Volk der Hessen (populus hassiorum), das an der unteren Fulda siedelte. Der Name Hessen wurde fortan als Sammelname auf alle chattischen Teilstämme in Ober- und Niederhessen angewendet. Die Namenswandlung von Chatten zu Hessen verlief in mehreren Zwischenschritten: Chatti --> Hatti --> Hassi (um 700) --> Hessi (738) --> Hessen. Die linguistische Herleitung der Namensentwicklung erklärt sich wie folgt: Chatten --> Hatten --> Hatzen --> Hassen --> Hessen.
Unterstämme und/oder Abspaltungen
Weitere Informationen
Literatur
- Tacitus, Cornelius Publius: Germania - Düsseldorf: Artemis & Winkler, 2001
- Pohl, Walter: Die Germanen - München: Oldenbourg, 2000 (Enzyklopädie deutscher Geschichte)
- Krause, Arnulf: Die Geschichte der Germanen - Frankfurt/Main: Campus, 2002
- Wolters, Reinhard: Die Römer in Germanien - München: C.H.Beck, 2000
- Döbler, Hannsferdinand: Die Germanen: Legende und Wirklichkeit von A-Z - München: Orbis Verlag, 2000
- Berichte der Kommission für Archäologische Landesforschung in Hessen 3, 1994 / 1995 - Bonn, Dr. Rudolf Habelt GmbH, 1995
Quellen
- ↑ Thomas Fischer: Die Römer in Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1999.