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Villa Profitlich

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Villa Profitlich

Die Villa Profitlich in der am Mittelrhein gelegenen Stadt Unkel ist ein im Jahr 1910 für den Pelzfabrikanten Paul Profitlich (* 31. Dezember 1821 in Münstereifel; † 1902) errichtetes Wohnhaus. Es steht auf dem Gelände der auf das Jahr 1872 zurückgehenden Werksanlage der Firma Paul Profitlich & Söhne, Rauchwaren-Zurichterei und Färberei, das heute kaum mehr als ehemalige Produktions- und Lagerstätte erkennbar ist.

Die Hausadresse ist Von-Werner-Straße 9.

Die Villa

Im Jahr 1910, also 38 Jahre nach Erwerb des Anwesens für die Werksanlagen der Pelzzurichterei und Färberei, ließ sich der Inhaber Paul Profitlich auf der Rheinseite des Betriebsgrundstücks eine repräsentative Villa erbauen. Entworfen hat sie der bekannte Berliner Architekt Wilhelm Freiherr von Tettau. Paul Profitlich stammt aus einer Familie, die mindestens seit dem 17. Jahrhundert nachweislich in Unkel beheimatet ist. Er war mit der Französin Adrienne Clerc verheiratet.[1]

Es handelt sich um einen Mansarddachbau, auf der Rheinseite geprägt von einem Ziergiebel und einem eindrucksvollen, für das Repräsentative maßgebenden Erker mit Jugendstilornamenten. Das Hoftor ist mit der Jahreszahl 1922 bezeichnet. Die Stützmauer aus neuerer Zeit besteht aus behauenem Trachyt, der vielleicht von der Perlenhardt im Siebengebirge stammt, wenngleich die Struktur etwas davon abweicht. An der Mauer des Fronhofs auf der gegenüberliegenden Straßenseite zeugen diverse Hochwassermarken von den Überschwemmungen früherer Jahre.

Eine Machbarkeitsstudie im Auftrag der Technischen Universität Wien beschrieb im Jahr 2015 künftige Entwicklungsmöglichkeiten des Profitlich-Komplexes im Rahmen des Modellvorhabens „Kulturstadt Unkel am Rhein“:

„Die ehemalige Pelzfabrik aus dem Ende des 19. Jahrhunderts stellt ein unentdecktes Kleinod einer Kleinstadt am unteren Mittelrhein dar. Die Immobilie steht nicht unter Denkmalschutz, stellt aber eine der wenigen Spuren der industriellen Geschichte der Gemeinde dar, d. h. Denkmalschutz wäre möglich. Die Immobilie ist kaum mehr als Produktions- und Lagerstätte erkennbar, da sie durch Ein- und Umbauten in ihrer Substanz sehr stark verändert wurde. Nutzungen reichen von einer Gastwirtschaft im unteren Preissegment über die Räume einer Fahrschule bis zu einfachen Wohnungen für große ausländische Familien. Die Umnutzung der Immobilie zu gehobenem „Atelier-Wohnen“ ist denkbar. Ob sich dies privatwirtschaftlich darstellen lässt, hängt von der Entwicklung der Gemeinde als Ganzem ab. Eine Amortisation des Investments ist eher mittel- bis langfristig denkbar.“

Diverse Autoren, im Auftrag der Technischen Universität Wien[2]

Paul Profitlich & Söhne, Rauchwaren-Zurichterei und Färberei

„Fabrik französischer Kaninfelle“
Das Firmengelände im Briefkopf

Als im Jahr 1873 Paul Profitlich seinen Pelzveredlungsbetrieb begründete, schuf er etwa 60 neue Arbeitsplätze (später waren es zeitweilig wesentlich mehr), zusammen mit der Betonwarenfabrik Schwenzow waren es damals etwa 100. Dies nutzten viele der um Unkel ansässigen Winzer, um von ihrem bisherigen risikoreichen Erwerbszweig auf einen wahrscheinlich sichereren Fabrikarbeitsplatz zu wechseln. Der Verdienst der Arbeiter bei Profitlich betrug durchschnittlich 2,50 bis 3 Mark pro Tag, was als ein guter Verdienst galt.[3][4]

Paul Profitlich ließ die von zwei großen Industrieschornsteinen überragten Fabrikgebäude schrittweise errichten.[4] Das Betriebsgelände einschließlich der Villa Profitlich wird rheinseitig von der Günther-Lauffs-Promenade begrenzt, im Norden von der Von-Werner-Straße, im Osten von der Frankfurter Straße und auf der Südseite von der Lühlingsgasse.

Inzwischen ist das Gelände zu Wohnzwecken umgewidmet, ein Gebäude im Nordosten des Areals ist noch wie ursprünglich erhalten.[5][4]

Johann Joseph Westhofen (* 1824; † 1906) erinnerte sich:

„Nach meiner Schulentlassung habe ich 2 Jahre in der Landwirtschaft zu Hause gearbeitet. Dann habe ich bei Paul Profitlich in Unkel in der Pelzfabrik gearbeitet. Bis zum Jahre 1881, (dann) war keine Arbeit mehr da. Nun haben wir 3 Breitbacher zu Fuß Arbeit gesucht. Jos. Küppen, Anstreicher (?) ist in Köln krank geworden und 1887 in Breitbach gestorben. Nikola Prinz ist in Düsseldorf auf ein Schiff gegangen, später hat er in Westfalen gearbeitet u. ist verschollen. Bis Gelsenkirchen bin ich gereist u. habe bald ein Jahr in der Bierbrauerei gearbeitet – auf der Hochstraße (?) bei Heinrich Holthaus. Dann war mir das Geld zu wenig u. da habe ich in Bulmke (?) auf der Hochöfen …. (?) (Hüllenhof) in der Schlosserei als Hilfsarbeiter gearbeitet.

Auch habe ich, wenn in Unkel im Winter nichts zu tun war, etliche Monate auf Konzelation ? als Schlüber ? in der Erde gearbeitet. Als es in Unkel bei Herrn Profitlich wieder Arbeit gab, habe ich wieder dort angefangen.“

Johann Joseph Westhofen, aus der Handschrift übertragen von Paul Kunert[6]

Kaninfelle konnte man um 1890 nur in Frankreich und Belgien gut färben (Firmen Chapal, Détré, Dolat), trotz etlicher hervorragender Rauchwarenveredlungsbetriebe beim Pelzzentrum Leipziger Brühl. Das einzige deutsche Unternehmen, das damals in der Lage war, Kanin in ein gutes, brauchbares Fabrikat zu veredeln, war die Firma Paul Profitlich in Unkel. Die in Deutschland noch seltener verlangten „aparten Töne“ kamen aus Paris und London. Seine Kenntnisse hatte sich Unkel in Frankreich angeeignet, wo er bis zum Deutsch-Französischen Krieg (1870 bis 1871) gelebt hatte.[1] Erst die Beschränkung der Einfuhrmöglichkeiten und die Materialknappheit des Ersten Weltkriegs (1914 bis 1918) zwangen die Leipziger Rauchwarenchemiker, ein wirkliches, tiefdunkles Schwarz zu entwickeln, das als Massenprodukt „Sealkanin“ auch überregional, als ganz besonders hochwertig in der Pelzbranche geschätzt wurde.[7]

Nach dem Tod von Paul Profitlich im Jahr 1902 leitete sein Sohn Ernst das Unternehmen und führte es bis zum Jahr 1917.[8] Als im Ersten Weltkrieg die männlichen Arbeitskräfte knapp wurden, mussten stattdessen Frauen und Mädchen in der Pelz-Zurichterei und Färberei Profitlich arbeiten, um die Versorgung der Soldaten an der Ostfront mit warmer Kleidung zu versorgen.

Im Jahr 1917 übernahm der Betriebsleiter der Firma, Clemens Fels, die Firma Paul Profitlich & Söhne. In dem Gebäude Frankfurter Straße 45, Ecke Von-Werner-Straße 1 betrieb er bis in die 1920er Jahre noch die Pelzfärberei. Clemens Fels starb im Jahr 1961. Seine Tochter Renate, verheiratete Lehmacher, verkaufte das Eckgebäude 1983 an Dieter Rechmann, der hier einen Installationsbetrieb für Sanitär und Heizung eröffnete. Vor ihm war hier bereits die Lederball-Fabrik von Johann Behrendt; in dem Ecklokal befand sich in den 1950er Jahren die Schnellwäscherei mit Heißmangel Götze; in den 1970er Jahren die Wäscherei und Reinigung Breyer; bis 2011 ein Blumengeschäft (Janine Lepère-Walger) und zuletzt eine Fahrschule.Stand 2016[1]

Noch im Branchenverzeichnis der Pelzbranche des Jahres 1953 ist die Firma Paul Profitlich & Söhne unter ihrem alten Namen und Adresse, Frankfurter Straße 45, verzeichnet. Ab dem darauffolgenden Jahr, 1954, firmiert sie stattdessen unter als „Rauchwaren-Zurichterei und Färberei Clemens Fels“. Im Adressbuch des Jahres 1957 befindet sich für sie noch ein Eintrag, spätestens in der Adressbuchausgabe des Jahres 1966 ist auch das Unternehmen Clemens Fels nicht mehr enthalten.[9][10][11][12]

Forderung über 1780,65 Mark an „Herrn Paul Profitlich, Unkel“ im Hauptbuch des Rauchwarenhändlers Naoum Dedo in Leipzig, 1879
Commons: Villa Profitlich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Wilfried Meitzner: Handreichung für Stadtführer in Unkel, Version 2. Geschichtsverein Unkel e. V. (Hsgr.), Unkel 2016, S 32-33.
  2. Konzeption und Machbarkeitsprüfung gemeinnütziger regionaler Rechtsformen und regionaler Finanzprodukte. 27. April 2015, PDF, S. 19. ISBN 978-3-9503087-4-7. Zuletzt abgerufen 13 November 2017.
  3. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Stadtfüher.
  4. a b c Rudolf Vollmer: Unkel am Rhein. Chronik einer Stadt. Önel, Köln 1995, S. 188. ISBN 3929490072.
  5. www.siebengebirge.com: Unkel. Zuletzt abgerufen 12. November 2017.
  6. heimatverein-rheinbreitbach.blogspot.de: Transkription der Westhofen-Chronik. Zuletzt abgerufen am 12 November 2017.
  7. Philipp Manes: Die deutsche Pelzindustrie und ihre Verbände 1900-1940, Versuch einer Geschichte. Berlin 1941 Band 2. Durchschrift des Originalmanuskripts, S. 1 (Kollektion G. & C. Franke).
  8. www.grin.com, Benjamin Klaus: Die Geschichte der Gemeinde Unkel in den Jahren der Weimarer Republik. III.2.1.1. Die „Pelzfabrik“. Examensarbeit, 2005. Zuletzt abgerufen am 11. November 2017.
  9. Winckelmann Fachadressbuch der Rauchwaren- u. Pelzwirtschaft und des Kürschnerhandwerks für Deutschland 1953, S. 80.
  10. Winckelmann Fachadressbuch der Rauchwaren- u. Pelzwirtschaft und des Kürschnerhandwerks für Deutschland 1954, S. 73.
  11. Winckelmann Fachadressbuch der Rauchwaren- u. Pelzwirtschaft und des Kürschnerhandwerks für Deutschland 1957, S. 122.
  12. Winckelmann Fachadressbuch der Rauchwaren- u. Pelzwirtschaft und des Kürschnerhandwerks für Deutschland 1966.

Koordinaten: 50° 36′ 1,3″ N, 7° 12′ 53,5″ O