Monsanto-Tribunal
Das Monsanto-Tribunal (englisch International Monsanto Tribunal) war eine Kampagne gegen das US-amerikanische Unternehmen Monsanto. Es fand vom 14. bis 16. Oktober 2016 in Den Haag als gerichtsähnlicher, symbolischer Prozess statt, geleitet von öffentlich bestellten Richtern, um festzustellen, ob die Geschäfte des Konzerns mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vereinbar sind. Initiator war eine internationale Bürgerinitiative mit Unterstützung von Umwelt- und Menschenschutz-Organisationen sowie Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft. Opfer und Experten aus fünf Kontinenten wurden zu den Schäden für Menschen und Umwelt, die durch das Herbizid Roundup von Monsanto hervorgerufen worden seien, angehört. Monsanto lehnte seine Teilnahme ab.
Ziel und Zweck
Das Monsanto-Tribunal wurde von einer international besetzten zivilgesellschaftlichen Initiative geschaffen, um bestimmte Tätigkeiten des Unternehmens Monsanto juristisch zu untersuchen. Es fanden einem gerichtlichen Prozess angenäherte Anhörungen und Beweisaufnahmen statt. Dadurch sollte es dem Tribunal ermöglicht werden, auf Grundlage der vorgelegten Beweise, sechs vorgegebene juristisch relevante Fragen zu beantworten.
Die Beantwortung der Fragen erfolgte als Rechtsgutachten auf Grundlage bestehenden internationalen Rechtes und die Gutachter gaben auch Empfehlungen für künftige Rechtsnormen (z.B. für Ökozid) ab.[1]
Verfahrensort und Verfahrensdauer
Das Tribunal hatte den Sitz für dieses Verfahren gegen Monsanto in Den Haag, Niederlande. Die Anhörungen des Tribunals haben am 15. und 16. Oktober 2016 im Institut für Soziale Studien (ISS) stattgefunden. Es wurden 30 Zeugen und Experten aus fünf Kontinenten angehört.[2]
Gutachter
Das Verfahren wurde von fünf Juristen bzw. Berufsrichtern aus Argentinien, Belgien, Kanada, Mexiko und dem Senegal geleitet, welche die Aufgaben hatten, aus dem Verfahrensergebnissen ein Gutachten auszuarbeiten. Den Vorsitz hatte Françoise Tulkens (Belgien), eine ehemalige Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte[3] Gutachter waren: Dior Fall Sow (Senegal), Jorge Fernández Souza (Mexiko), Eleonora Lamm (Argentinien), Steven Shrybman (Kanada).
Teilnahme von Monsanto
Monsanto wurde mit Schreiben vom 6. Juni 2016 eingeladen, am Tribunal teilzunehmen.[4] Auf das Schreiben wurde von Monsanto nicht direkt reagiert und das Verfahren fand sodann in Abwesenheit eines Vertreters von Monsanto statt.[5] Von Monsanto wurde ein „offener Brief“ veröffentlicht, der als Beweismittel dem Verfahren beigezogen wurde[6] und hat die Schlussfolgerungen des Tribunals in Den Haag im Vorhinein abgelehnt[7] und als unzutreffend bezeichnet.[8]
Problemstellung
Teile der von Monsanto hergestellten Produkte, sind umstritten und auch die Geschäftspraktiken[9], Klagen und das Lobbying werden teilweise kritisch gesehen. Zu den umstrittenen Produkten gehören zum Beispiel gentechnisch verändertes Saatgut von Nutzpflanzen, die Herbizide „Roundup“ (Wirkstoff Glyphosat) und „Lasso“ (Wirkstoff Alachlor).[10] Beispiel für eine unterschiedliche Geschäftspraktik unter Nutzung nationaler Unterschiede ist, dass in Europa die Unterlagen für das Zulassungsverfahren von Glyphosat wegen behaupteter Geschäftsgeheimnisse nicht eingesehen werden können, hingegen diese Einsichtnahme in den USA unter Berufung auf den Freedom of Information Act (FOIA) möglich ist.[11]
Fragen an das Tribunal
An das Tribunal wurden sechs Fragen gestellt, zu denen die Juristen nach Aufnahme der Beweise ihre rechtlichen Schlussfolgerungen abgeben sollten: [12]
- Hat das Unternehmen Monsanto durch seine Tätigkeit das Recht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen (Res. 25/21 des Menschenrechtsrats vom 15. April 2014) im Hinblick auf die Verantwortung, welcher Unternehmen im Rahmen der vom Menschenrechtsrat in seiner Resolution 17/4 vom 16. Juni 2011 verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Guiding Principles for Business and Human Rights) unterliegen, verletzt?
- Hat das Unternehmen Monsanto durch seine Tätigkeit das Recht auf Nahrung gemäß Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, gemäß Artikel 24.2(c) und (e) und 27.3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, gemäß Artikel 25(f) und 28.1 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau im Hinblick auf die Verantwortung, welcher Unternehmen im Rahmen der vom Menschenrechtsrat in seiner Resolution 17/4 vom 16. Juni 2011 verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte unterliegen, verletzt?
- Hat das Unternehmen Monsanto durch seine Tätigkeiten das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit gemäß Artikel 12 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, oder das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit gemäß Artikel 24 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes im Hinblick auf die Verantwortung, welcher Unternehmen im Rahmen der vom Menschenrechtsrat in seiner Resolution 17/4 vom 16. Juni 2011 verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte unterliegen, verletzt?
- Hat das Unternehmen Monsanto die zu wissenschaftlicher Forschung unerlässliche Freiheit gemäß Artikel 15 Absatz 3 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte im Hinblick auf die Verantwortung, welcher Unternehmen im Rahmen der vom Menschenrechtsrat in seiner Resolution 17/4 vom 16. Juni 2011 verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte unterliegen, verletzt?
- Hat sich das Unternehmen Monsanto zum Komplizen eines Kriegsverbrechens gemäß Artikel 8 Absatz 2 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs durch die Lieferung von Materialien an die Armee der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der im Jahre 1962 in Vietnam eingeleiteten Operation „Ranch Hand“ gemacht?
- Erfüllen die in der Vergangenheit und Gegenwart erfolgten Tätigkeiten des Unternehmens Monsanto den Tatbestand des Ökozids, eines Verbrechens, das darin besteht, eine schwerwiegende Schädigung der Umwelt oder die Zerstörung derselben zu bewirken, um großflächige Gemeindeländereien oder Ökosystemleistungen, von denen bestimmte menschliche Gemeinschaften abhängig sind, auf verheerende und dauerhafte Weise zu beeinträchtigen?
Ergebnis
Am 18. April 2017 haben die fünf Juristen des Monsanto-Tribunals ihr Gutachten veröffentlicht. Das Ergebnis des Tribunals hat keine bindende Wirkung und es kann auch kein Zwang zur Umsetzung der Ergebnisse ausgeübt werden.[13]
Die Juristen kamen einstimmig zum Schluss, dass[14]
- die Praktiken von Monsanto die Rechte auf Nahrung, Gesundheit und eine gesunde Umwelt verletzten,
- Verhalten von Monsanto die Freiheit der Wissenschaft beeinträchtige,
- trotz den vielen vorhandenen rechtlichen Mitteln im Umweltschutz eine große Lücke bestehe zwischen den Verpflichtungserklärungen der Unternehmen und deren Umsetzung.
Es wurden die Empfehlungen ausgesprochen, dass
- die Umwelt im internationalen Recht besser geschützt werden muss,
- Ökozid als Straftat festgelegt werden soll (was laut Gutachten dazu führen würde, dass wahrscheinlich international viele Aktivitäten Monsantos diesen Tatbestand erfüllen könnten),
- im Rahmen der Vereinten Nationen der internationale Rechtsschutz von Individuen verbessert und die Firmenverantwortlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof eingeklagt werden soll.
Organisation
Das Monsanto-Tribunal wurde von der Monsanto Tribunal Foundation eingesetzt, deren Statuten am 4. Juni 2015 in Kraft gesetzt wurden.
Hauptorganisatoren waren: Vandana Shiva, Corinne Lepage, Marie-Monique Robin, Olivier De Schutter, Gilles-Éric Séralini, Hans Rudolf Herren, Arnaud Apotheker, Emilie Gaillard, Valerie Cabanes, Ronnie Cummins, André Leu, Françoise Boulègue, Tjerk Dalhuisen, Luigi D’Andrea, Emilie Gaillard, Esther Gerber, Benny Haerlin, Hannes Lammler, René Lehnherr, Gilles Lemaire, Michel Pimbert, Bessie Schadee, Mindi Schneider, Doro Schreier, Ruchi Shroff, François Veillerette.[15]
Am 3. Dezember 2015 wurde eine Crowdfunding-Aktion begonnen, um die Kosten für die Vorbereitung und Durchführung des Tribunals zu finanzieren.
Kritik
Im Monsanto-Tribunal sind nur Zeugen aufgetreten, welche gegen Monsanto Position bezogen haben. Monsanto hat zwar freiwillig auf eine Teilnahme verzichtet, dennoch wurde dem Unternehmen im Verfahren kein „Pflichtverteidiger“ oder ähnliches beigegeben.
Wie bereits bei den Russell-Tribunalen, wurde auch beim Monsanto-Tribunal das Verfahren teilweise als „maskierter Schauprozess“ bezeichnet.[16]
Vorbild für ein solches Tribunal
Vorbild des Monsanto-Tribunal sind die Russell-Tribunale[17], die als Vietnam-Kriegsverbrechen-Tribunal bekannt wurden und 1966 vom britischen Mathematiker, Philosophen und Literaturnobelpreisträger Bertrand Russell, sowie Ken Coates und weiteren Beteiligten, ins Leben gerufen wurde.
Dokumentarfilm
- Roundup, der Prozess (französisch Roundup face à ses juges). Regie: Marie-Monique Robin, Frankreich 2017, Arte France, 90 Minuten (online verfügbar bis 16. Dezember 2017)
Siehe auch
Weblinks
- Webseite Monsanto-Tribunal (deutsch).
- Gutachten des Monsanto-Tribunal vom 18. April 2017 (englisch).
Einzelnachweise
- ↑ Ergebnisse, International Monsanto-Tribunal, zuletzt abgerufen am 21. Oktober 2017.
- ↑ Wie, International Monsanto Tribunal, zuletzt abgerufen am 21. Oktober 2017.
- ↑ Rémi Barroux: «Le Roundup face à ses juges»: un réquisitoire accablant contre Monsanto, Le Monde, 16. Oktober 2017
- ↑ Zusammenfassung des Gutachtens, International Monsanto Tribunal, zuletzt abgerufen am 21. Oktober 2017
- ↑ Gutachten des Monsanto-Tribunal vom18. Juni 2017, S. 9 f.
- ↑ Wie, International Monsanto Tribunal, zuletzt abgerufen am 21. Oktober 2017 und Den Haag: Tribunal macht Monsanto den Prozess, Finanzblatt, 8. Januar 2016.
- ↑ Bürgertribunal beschuldigt Monsanto des "Ökozids", Die Presse, 19. April 2017.
- ↑ Rudolf Balmer, Protest gegen Monsanto - Straftatbestand „Ökomord“, taz.de, 4. Dezember 2015.
- ↑ Heike Buchter, Christiane Grefe und Jens Tönnesmann: Bayer und das Misstrauen der Welt, Die Zeit, 13. Oktober 2016.
- ↑ Den Haag: Tribunal macht Monsanto den Prozess, Finanzblatt, 8. Januar 2016 und Sergio Aiolfi, Wenig hilfreiches Kesseltreiben, Neue Zürcher Zeitung, 14. Oktober 2016.
- ↑ TV-Tipp: Das Monsanto-Tribunal, Webseite Verwaltungsrichter-Vereinigung, 20. Oktober 2017.
- ↑ Wie, International Monsanto Tribunal, zuletzt abgerufen am 21. Oktober 2017.
- ↑ Gutachten des Monsanto-Tribunal vom18. Juni 2017, S. 10.
- ↑ Rechtsgutachtens des Internationalen Monsanto Tribunals, zuletzt abgerufen am 21. Oktober 2017.
- ↑ Wer wir sind, International Monsanto Tribunal, zuletzt abgerufen am 21. Oktober 2017.
- ↑ Sergio Aiolfi, Wenig hilfreiches Kesseltreiben, Neue Zürcher Zeitung, 14. Oktober 2016. Siehe auch:Jan Grossarth, Mär von der Vergiftung der Welt, Frankfurter Allgemeine, 14. September 2016.
- ↑ Gutachten des Monsanto-Tribunal vom18. Juni 2017, S. 9.