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Plasma (Physik)

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Plasma in einer Plasmalampe.
Plasma, welches magnetisch verformt wurde.

Als Plasma (gr: πλασμα, das Geformte, das Gebilde) bezeichnet man in der Physik ein (teilweise) ionisiertes Gas, das zu einem nennenswerten Anteil freie Ladungsträger wie Ionen oder Elektronen enthält. Mehr als 99% der sichtbaren Materie im Universum befindet sich im Plasmazustand.

Der Begriff Plasma geht auf Irving Langmuir (1928) zurück. Der Plasmazustand wird als vierter Aggregatzustand bezeichnet. Die Theorie zur Beschreibung eines Plasmas als ein leitendes Gas ist die Magnetohydrodynamik.

Vorkommen

Natürliches Vorkommen von Plasma

Sonne
Blitze
Polarlicht


Weil die Sonne und Sterne aus Plasma bestehen, liegen über 99% aller sichtbaren Materie des Universums als Plasma vor.

Künstlich erzeugte Plasmen

Eigenschaften von Plasmen

Ein Plasma ist eine Sammlung von geladenen Teilchen mit den folgenden drei Eigenschaften:

  1. Die Debye-Länge ist klein gegenüber den Abmessungen.
  2. Die Anzahl von Teilchen in einer Kugel mit Radius gleich der Debye-Länge ist groß.
  3. Die Zeit zwischen Stößen ist lang gegenüber der Periode der Plasmaoszillationen

Ein Plasma wird charakterisiert durch die vorhandenen Spezies (Elektronen, positive und negative Ionen, neutrale Atome, neutrale und geladene Moleküle), deren Dichten und Temperaturen (die nicht gleich sein müssen) und räumliche Struktur, insbesondere Ladung und Ströme bzw. elektrische und magnetische Felder.

Plasmen sind normalerweise quasineutral, d.h. die Netto-Ladungsdichte ist sehr klein im Vergleich zur Elektronendichte. Ausnahmen beschränken sich auf Regionen von der Größe der Debye-Länge, z.B. in der Randschicht.

Das Verhältnis zwischen Ionenmasse und Elektronenmasse ist groß, mindestens 1836 (bei einem Wasserstoffplasma). Viele Eigenschaften von Plasmen lassen sich daraus ableiten.

Charakteristisch für Plasmen ist ihr typisches Leuchten, das durch Strahlungsemission angeregter Gasatome oder Moleküle verursacht wird. Ausnahmen sind Plasmen, die sehr kalt sind (wie oft im Weltraum) oder die so heiß sind, dass die Atome vollständig ionisiert sind (wie im Zentrum von Fusionsmaschinen).

Technische Plasmaanwendungen

Grundsätzlich können verschiedene im Plasma ablaufende chemische oder physikalische Prozesse ausgenutzt werden.

Anwendungen in der Beleuchtungstechnik

Das für Plasmen typische Leuchten wird ausgenutzt. Im Plasma führen Stoßprozesse schneller Elektronen mit Gasatomen oder Molekülen dazu, dass Elektronen aus der Hülle der getroffenen Partikel Energie zugeführt wird. Diese Energie wird dann zu einem späteren Zeitpunkt als abgestrahltes Licht freigesetzt. Das entstehende Spektrum hängt stark von den vorhandenen Gasen, dem Druck und der mittleren Energie der Elektronen ab.

Plasmachemische Anwendungen

Eine hohe Konzentration chemisch reaktiver Spezies erlaubt es grundsätzlich auch, Plasmen für chemische Umsetzungen einzusetzen. In der Tat gab es in der Vergangenheit Versuche, plasmachemische Verfahren industriell einzusetzten. Die komplexe Plasmazusammensetzung macht derartige Umsetzungen jedoch sehr aufwändig und wenig effizient. Plasmachemische Verfahren werden deshalb heute in der chemischen Synthese praktisch nicht mehr eingesetzt.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Anwendung ist die Synthese von Diamant. Dabei wird Diamant aus dem Plasma auf eine Oberfläche abgeschieden. Diese Diamantschicht ist polykristallin und hat nicht die Qualität von Schmuckdiamanten. Die Wachstumsraten dieser Schicht sind sehr klein (ca 1µm/h). Daher sind dickere Schichten sehr teuer.

In großem Umfang wird Plasmachemie weiterhin in der Halbleiterindustrie betrieben. Hier werden Plasmen zum (Trocken)-Ätzen und zur Schichtabscheidung PECVD verwendet. Bei Ätzprozessen wird im Gegensatz zur Beleuchtungstechnik der direkte Kontakt des Plasmas mit der Oberfläche ausgenutzt, um gezielten Materialabtrag zu erreichen. Eine Schlüsselrolle spielen hierbei die in Wandnähe herrschenden elektrischen Felder, welche charakteristisch für Randschichten sind.

Klassifizierung von Plasmen

Eine Klassifizierung der höchst unterschiedlichen Formen von Plasma kann aufgrund mehrerer Kriterien vorgenommen werden. In der Natur vorkommende Plasmen variieren in ihrer Dichte um mehr als 10 Größenordnungen. Extrem hohe Dichte besitzt das Plasma im Sonneninneren, extrem niedrige Dichte herrscht in interstellaren Gasnebeln. Entsprechend extrem sind die Unterschiede in den physikalischen Eigenschaften von Plasmen. Ein Schlüsselparameter zur Unterscheidung von Plasmen ist der Druck des Gases, in welchem sich die ionisierten Teilchen bewegen. Dieses Hintergrundgas wird auch als Neutralgas bezeichnet.

Neutralgasdruck

Es kann unterschieden werden zwischen

Niederdruckplasmen werden in verdünnten Gasen erzeugt, deren Druck signifikant niedriger liegt, als Atmosphärendruck. Bei Hochdruckplasmen ist der Druck des Gases signifikant höher als der Atmosphärendruck. Ein typisches Beispiel sind so genannte Hochdrucklampen.

Normaldruckplasmen werden ungefähr bei atmosphärischem Druck erzeugt. Eine typische Anwendung sind die dielektrisch behinderten Entladungen, die beispielsweise bei der Bearbeitung von Kunstoffbahnmaterialien eingesetzt werden. Ein weiteres Beispiel sind Lichtbögen, wie sie beim elektrischen Schweißen entstehen..

Thermisches Gleichgewicht

Ein wichtiges Merkmal eines Plasmas ist, inwieweit es sich im thermischen Gleichgewicht befindet:

  • im vollständigen thermischen Gleichgewicht haben die Schwerteilchen (Moleküle, Atome, Ionen) die gleiche Temperatur wie die davon abgelösten Elektronen, das Plasma befindet sich auch im Strahlungsgleichgewicht mit der Umgebung, das heißt es emittiert Hohlraumstrahlung.
  • im lokalen thermischen Gleichgewicht haben nur die Schwerteilchen (Moleküle, Atome, Ionen) die gleiche Temperatur wie die davon abgelösten Elektronen, es werden aber charakteristische Spektrallinien anstatt Hohlraumstrahlung emittiert, die Strahlungstemperatur der Umgebung ist niedriger (oder höher, dann wird mehr Strahlung absorbiert) als die Plasmatemperatur.
  • bei nicht-thermischen Plasmen dagegen haben die Elektronen eine viel höhere Temperatur als die Schwerteilchen. Niederdruckplasmen verfügen typischerweise über diese Eigenschaft.

Bei entsprechender äußerer Anregung können die Elektronen kinetische Energien in der Größenordnung mehrerer Elektronenvolt aufnehmen, was mehreren 10.000 Grad entspricht. Die Temperatur des Gases kann gleichzeitig wesentlich niedriger, beispielsweise bei Raumtemperatur liegen. Mit derartigen Plasmen können Werkstücke bearbeitet werden (Beschichtung, Plasmaätzen), ohne diese übermäßig zu erhitzen. Damit eignen sich Niedertemperaturplasmen in besonderer Weise für die Oberflächenmodifizierung von temperaturempfindlichen Polymeren.

Ionisierungsgrad

Der Grad der Ionisierung des Plasmas ist eine weitere charakteristische Eigenschaft. Der Ionisierungsgrad gibt den Anteil der Gasatome an, die durch Ionisation Elektronen abgegeben haben.

  • Thermische Plasmen mit hoher Temperatur (beispielsweise Sonnenkorona) sind vollständig ionisiert.
  • Bei technisch hergestellten Niederdruckplasmen dagegen liegt der Grad der Ionisierung maximal bei wenigen Promill.

Die durch den Ionisierungsgrad und den Gasdruck bestimmte Ladungsträgerdichte eines Plasmas bestimmt die Ausbreitungsfähigkeit elektromagnetischer Wellen im Plasma, siehe auch Ionosphäre.

Erzeugung von Plasmen

Ein Plasma kann nur durch äußere Energiezufuhr am Leben erhalten werden. Bleibt die Energieeinkopplung aus, so verlischt das Plasma, das heißt die positiven und negativen Ladungsträger rekombinieren zu neutralen Atomen, Molekülen oder Radikalen. Ferner können die Ladungsträger durch ambipolare Diffusion z.B. an elektrisch leitenden Wänden oder ins Vakuum des Weltalls verloren gehen. Hinzu kommen (Wärme-)Strahlungsverluste des Plasma. Um den permanenten Verlust ionisierter Teilchen zu kompensieren, müssen diese immer wieder neu erzeugt werden, was durch Stoßionisation geschieht. Sehr schnelle Elektronen sind beim Auftreffen auf ungeladene Teilchen in der Lage, Elektronen aus deren Atomhülle herauszuschlagen. Dieser Vorgang kann unter geeigneten Bedingungen als Lawineneffekt ablaufen, sofern nach dem Stoß aus einem vorhandenen Elektron zwei (plus ein positives Ion) werden. Bei technischen Plasmen kann die räumliche Begrenzung des Plasmas problematisch sein. Die energiereichen Teilchen des Plasmas vermögen u.U. Wände, Werkstücke oder Elektrode durch intensive Strahlung oder energiereiche Teilchen zu schädigen, letzterer Prozess ist auch als Sputtern bekannt. Besonders in der Beleuchtungstechnik ist der Abtrag von Elektrodenmaterial aufgrund der damit einhergehenden Reduzierung der Standzeit unerwünscht.

Methoden der Energiezufuhr

Es existiert eine Vielzahl verschiedener Methoden, einem Plasma Energie zuzuführen, um es im Plasmazustand zu halten: (1) Thermische Anregung, (2) Strahlungsanregung, (3) elektrostatische und (4) elektromagnetische Felder. Sie bewirken eine Produktion von Ladungsträgern durch (1) Stoßionisation, (2) Strahlungsionisation und (3)+(4) Elektronenstoßionisation.

(1) Thermische Anregung

Chemische und nukleare Reaktionen

Führt eine exotherme Reaktion zu einer starken Erwärmung des Gases, so bewirken die durch die schnelle Molekülbewegung verursachten Stoßionisationsprozesse den Übergang in den Plasmazustand. Als Reaktion kommen chemische Verbrennung, Kernspaltung und Kernfusion in Frage.

(2) Strahlungsanregung

Anregung durch Laserstrahlung

Plasmen können auch durch Fokussierung von intensiver Laserstrahlung erzeugt werden. Sie stellen einen Fall sehr hochfrequenter elektromagnetischer Plasmaerzeugung dar. Bei besonders kurzen Laserpulsen kann es zum Phänomen der Selbstfokussierung des Strahls kommen.

(3) Anregung durch elektrostatische Felder

Anregung durch Gleichspannung

Zwischen zwei Elektroden wird eine ausreichend hohe elektrische Spannung angelegt. Bei geeigneter Kombination von Spannung, Elektrodenabstand und Gasdruck kommt es zu einer Entladung zwischen den Elektroden. Dabei wird zwischen Gasentladungen, auch Funkenentladung genannt, und Vakuumfunken unterschieden. Die Höhe der nötigen Spannung hängt vom Elektrodenabstand und dem Gasdruck ab (Paschen-Gesetz). Schließlich kommt es zum Überschlag eines Funkens und zwischen den Elektroden bildet sich ein Plasma aus.

Drahtexplosion

Durch einen hohen Stromfluss aus einer Kondensatorbatterie durch einen dünnen Metalldraht verdampft dieser explosionsartig (in einigen µs). Dadurch wird der Stromfluss unterbrochen und durch Induktivitäten im Entladungskreis entsteht eine Spannungsspitze, die zum Funkenüberschlag und infolgedessen zur Ionisierung des Metalldampfs führt. Um die rasche Ausdehnung des Plasmas zu verhindern, findet die Drahtexplosion in einem nichtleitenden Röhrchen statt, daher spricht man auch von einer Kapillarentladung.

Pincheffekt

Wenn der Generator einer Funkenentladung hohe Ströme im Bereich größer einige zehn Kiloampere ermöglicht, kann es vorkommen, dass das Magnetfeld des Stromes das Plasma zusammendrückt. Dabei wird das Plasma dichter und heißer. Mit diesem so genannten "Pincheffekt" können sehr dichte, heiße und sehr hochionisierte Plasmen erzeugt werden, in denen Fusionsprozesse ablaufen oder die Röntgenstrahlung emittieren.

(4) Anregung durch elektromagnetische Felder

Kapazitive elektromagnetische Anregung

Ein ausreichend starkes elektromagnetisches Wechselfeld wird an zwei Kondensatorplatten angelegt. Zwischen den Platten bildet sich ein Plasma, in welchem geladene Teilchen mit der Frequenz des Wechselfeldes hin und her oszillieren. Welche Teilchen oszillieren hängt von deren Masse und Ionisationsgrad ab. Die Frequenz, bis zu der hin eine Teilchensorte mitschwingen kann, wird "Plasmafrequenz" genannt.

Induktive (elektrodenlose) elektromagnetische Anregung

Ein Wechselstrom wird durch eine Anregungsspule geleitet und induziert im Gas ein elektrisches Feld, was wiederum die Heizung der Ladungsträger bewirkt. Da die induzierten Feldlinien ringförmig geschlossen sind, erfolgt kein direkter Beschuss von dem Plasma ausgesetzen Elektroden.

Anregung durch Mikrowellenstrahlung

Durch eine geeignete Hohlleitergeometrie wird Mikrowellenstrahlung in den Reaktionsraum geleitet. In praktischen Anwendungen wie beispielsweise der Diamantsynthese wird die Strahlung gebündelt und erzeugt eine heiße Plasmazone.

Literatur

  • R.J. Goldston, P.H. Rutherford: Plasmaphysik. Eine Einführung. Vieweg, Braunschweig 1998
  • K.-H. Spatschek: Theoretische Plasmaphysik. Eine Einführung. Teubner, Stuttgart 1990
  • F.F. Chen: Introduction to Plasma Physics and Controlled Fusion. Plenum Press, New York 1983
  • Subrahmanyan Chandrasekhar: Plasma Physics. University of Chicago Press 1960
  • Parker, E.N.: Cosmical Magnetic Fields: Their Origin and Their Activity. Oxford & NY: Clarendon Press, 1979
  • F. Cap: Einführung in die Plasmaphysik. I. Theoretische Grundlagen. Vieweg, Wiesbaden 1984
  • Hubertus M. Thomas, Gregor E. Morfill: Plasmakristalle an Bord der ISS: Komplexe Plasmen in Schwerelosigkeit. Physik in unserer Zeit 36(2), S. 76 - 83 (2005), ISSN 0031-9252