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Philipp von Zesen

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Philipp von Zesen

Philipp von Zesen (* 8. Oktober 1619 in Priorau bei Dessau, † 13. November 1689 in Hamburg) war ein deutscher Dichter und Schriftsteller.

Leben

Zesen war der Sohn des lutherischen Pastors Philipp Zesen und dessen Ehefrau Dorthe. Seit ca. 1631 besuchte er das Gymnasium in Halle unter Christian Gueintz und studierte ab 1639 an der Universität Wittenberg unter August Buchner. Von beiden erfuhr Zesen wichtige Impulse für seine wissenschaftliche Arbeit, und alle drei fanden sich später in der Fruchtbringenden Gesellschaft wieder.

Da Zesen sich seit 1641/1642 in Hamburg aufhielt, ist nach derzeitigem Stand der Forschung unsicher, ob er an der Universität Leipzig noch den Magistergrad erhielt.

In den Jahren 1642 bis 1648 lebte Zesen zumeist in Amsterdam, Leiden oder Utrecht. In diesen Zeitraum fallen auch seine Reisen nach London und Paris. Wegen der von ihm empfohlenen skurrilen Orthographie blieb ihm die Mitgliedschaft in der Fruchtbringenden Gesellschaft lange Zeit versagt. Erst zur Jahreswende 1648/1649 besuchte Zesen Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen und wurde von diesem als Mitglied aufgenommen.

Als Gesellschaftsname wurde Zesen der Wohlsetzende verliehen und als Devise ihm der Natur nach zugedacht. Zesens Emblem zeigt das Ruhrkraut. Im Köthener Gesellschaftsbuch findet sich unter der Nr. 521 auch Zesens Reimgesetz anlässlich seiner Aufnahme:

Wolsetzend der Natur, bin ich hier genant,
Weil uns das Ruhrkraut pflegt im leibe wol Zu setzen
Was ungesundes drin: Also muß wol bekant
Und flüßig sein die schrift, die einen sol ergetzen:
Man sich für neurung hüt' in ieder kunst und stand,
Das man nicht red' darvon und ursach sey Zu schertzen:
Wer dan aufbringen wil was neues, nehm in acht
Das er es stell' und schreib' aus gutem vorbedacht.

Angemerkt sei hier, dass es sich bei diesen Zeilen um die von Zesen selbst verbesserte letzte Fassung handelt.

In den Jahren 1649 bis 1652/1653, 1656 bis 1667, 1669 bis 1672, 1674 und 1679 bis 1684 lebte Zesen in den Niederlanden; meistenteils in Amsterdam. Schon 1662 erhielt er das Bürgerrecht in Amsterdam. Hier war er einer der wichtigsten Mitarbeiter im Verlag Elzevier. 1653 auf dem Reichstag zu Regensburg wurde Zesen von Kaiser Ferdinand III. persönlich geadelt, und 1667 erhielt er ein Pfalzgrafenamt verliehen.

Wahrscheinlich gründete Zesen schon 1642 in Hamburg eine Sprachgesellschaft mit Namen Deutsch-Zunfft. Ein Jahr später ging diese aber in die Deutschgesinnte Genossenschaft über. Diese Vereinigung hatte sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die deutsche Sprache zu bewahren und Einflüsse durch Fremdwörter zu vermeiden.

Mit Ausnahme der erwähnten Unterbrechungen lebte Zesen seit 1667 in Hamburg. Dort starb er auch im Alter von 70 Jahren am 13. November 1689.

Werke (Auswahl)

  • Assenat 91670) <biblischer Roman>
  • Himmlische Kleio (1641) <Lyrik>
  • Melpomene (1638) <Lyrik>
  • Reiselieder (1677)
  • Schöne Hamburgerin (1668) <Lieder>
  • Deutscher Helicon (1640)
  • Simson (1679) <biblischer Roman>


Eindeutschungen

erfolgreiche Eindeutschungen

Zesen erfand für zahlreiche Fremdwörter Eindeutschungen, von denen viele Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben, wie Ableitung (für das Fremdwort Derivation), Abstand (Distanz), Angelpunkt (Pol), Anschrift (Adresse), Augenblick (Moment), Ausflug (Exkursion), Beifügung (Apposition), Beistrich (Komma), Besprechung (Rezension), Blutzeuge (Märtyrer), Bücherei (Bibliothek), Emporkömmling (Parvenü), Entwurf (Projekt), Farbgebung (Kolorit), Freistaat (Republik), Gesichtskreis (Horizont, Panorama), Glaubensbekenntnis (Credo), Gotteshaus (Tempel), Grundstein (Fundament), Kerbtier (Insekt), Kreislauf (Zirkulation), Leidenschaft (Passion), Mundart (Dialekt), Nachruf (Nekrolog), Sinngedicht (Epigramm), Sterblichkeit (Mortalität), Verfasser (Autor), Vollmacht (Plenipotenz), Wahlspruch (Devise), Weltall (Universum).

erfolglose Eindeutschungen

Andere vorgeschlagene Fremdwortübersetzungen wirken heute eher witzig, wie Blitzfeuererregung (für Elektrizität), Dörrleiche (Mumie), Entgliederer (Anatom), Gesichtserker (Nase), Gottestum (Religion), Jungfernzwinger (Kloster), Kirchentisch (Altar), klägeln (querulieren), Krautbeschreiber (Botaniker), Lusthöhle (Grotte), Lotterbett (Sofa), Leuthold (Patriot), Meuchelpuffer (Pistole), Schalksernst (Ironie), Scheidekunst (Chemie), Spitzgebäude (Pyramide), Spottnachbildung (Parodie), Weiberhof (Harem) oder Zeugemutter (Natur).


Literatur (Auswahl)

  • Harbrecht, Hugo: Philipp von Zesen als Sprachreiniger. Karlsruhe: Gillardon, 1912
  • Lindhorst, Eberhard: Philipp von Zesen und der Roman der Spätantike. Ein Beitrag zu Theorie und Technik des barocken Romans. Göttingen: Univ. Diss., 1955 (Neudruck 1997)
  • Obermann, Hans: Studien über Philipp von Zesens Romane. Göttingen: Univ. Diss., 1932
  • Schielein, Chrytèle: Philipp von Zesen. Erlangen: Univ. Diss., 2002


Werk- und Literaturverzeichnis

  • Gerhard Dünnhaupt: "Philipp von Zesen", in: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock, Bd. 6.

Stuttgart: Hiersemann 1993, S. 4272-4331.