Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen
Dieser Artikel ist nicht enzyklopädisch. Eine Urheberrechtsverletzung habe ich im www nicht feststellen können. Aber so kann er jedenfalls nicht bleiben. Man müsste schon auf Anhieb erfahren, dass es sich um Erzählungen von Alfred Döblin handelt. Und dass es sich offenbar um frühe Arbeiten handelt. --MrsMyer 14:48, 5. Mai 2006 (CEST)
Erzählband: Die Ermordung einer Butterblume
Zwischen 1904 und 1911 entstandenen Erzählungen, die meist die Beziehungen zwischen Mann und Frau als einen gandenlosen Kampf darstellen, der meist erst im gemeinsamen Tod endet – wobei die Elemente Wasser und Feuer eine wichtige Rolle spielen.
Döblin hat sich hier von der Seele geschrieben, was ihm im eigenen Alter, in der Auseinandersetzung mit den Erlebnissen seiner Kindheit und Jugend und mit der gesellschaftlichen Umwelt bedrängte. So entstanden diese höchst ungewöhnlichen und grotesken Geschichten, deren gesellschaftliche Bezogenheit jedoch nicht leicht zu finden ist. In diesen Erzählungen werden nicht nur die Scheinordnung bürgerlichen Lebens, sondern die Realität und die moralische Existenz als fragwürdig empfunden. Die Realität wird im Phantastischem, Märchenhaften und Irrationalen aufgelöst. Dieser Hang zum Metyphysischen ist keine Charaktereigenschaft, sondern die Begleiterscheinung der gesellschaftlich bedingten geistigen und seelischen Situation Döblins. Dieser Hang zum Metyphysischen ist Ausdruck seiner Unsicherheit und Bedrohtheit in einer für ihn undurchschaubaren Welt. Ausdruck seiner Sehnsucht nach gültigen humanistischen Werten und das starke Fluchtverhältnis vor der Realität.
Manche Erzählungen ähneln klinischen Berichten, ausführlichen, gut ausgewählten Protokollen über psychiatrische Beobachtungen. Sie enthalten kaum psychologische Deutungen, sondern nur Vorgänge, Geste und Reaktionen. Es wird versucht der Wahrheit über den Menschen näher zu kommen. Doch werden meist nur Teilwahrheiten deutlich: Jede mitgeteilte Reaktion und Geste, stellenweise jedes Wort. Hat eine doppelte Funktion. Beinahe jedes Wort wird zum Symbol oder/und Zeichen.
Die einzelnen Erzählungen
Die Tänzerin und der Leib: 1910 im Sturm veröffentlicht; Eine Tänzerin, die eine schwere Krankheit ignoriert, dann ihren Körper wegen seiner Schwäche verachtet, mit ihm ringt und sich schließlich aus Hass gegen dieses plumpe, träge Tier tötet. Leib ist nicht mit dem Ich identisch, sondern ist nur die materielle Hülle.
Die Ermordung einer Butterblume: Inhalt: Von der Begegnung eines Stadtmenschen mit der Natur: Ein Spaziergänger benutzt gedankenlos seinen Spazierstock und zerstört dabei Gräser und andere Pflanzen, insbesondere aber eine Butterblume. Den Wanderer überkommt daraufhin die Bewusstheit um diese Tat in grotesk verstärkter Form. Der Mann steigert sich in ein Schuldgefühl hinein, welches schließlich in einem Kult um die getötete Pflanze gipfelt, wobei eine andere, in einen Topf gepflanzte But-terblume als Stellvertreterin fingiert. Er wird zum Gefangenen eines „Dialogs“ mit ihr, der von widersprüchlichen Gefühlen bestimmt ist, die keine Möglichkeit zur distanzierten Reflexion zuzulassen scheinen. Erst mit der profanen Tat des Weg-werfens des Blumentopfs durch die Wirtschafterin wird der Herr scheinbar „erlöst“.
Natur hat hier eine eigene autonome Aktivität. Nicht nur der Mann handelt aktiv, sondern auch die Natur selbst ist nicht nur bloßes Objekt, das beobachtet und beschrieben werden kann. Durch die Perspektivenverschiebung wird die aktive Handlung der Natur deutlich: „die hellbraunen Augen, die freundlich hervorquollen, starrten auf den Erd-boden, der unter den Füßen fortzog“
Döblin stellt die Natur als einem dem Menschen ebenbürtigen Faktor dar; auch der Mann sieht dann die Natur zu menschlich und projiziert die Werte und Normen der menschlichen Gesellschaft in sie hinein. So wird die Natur zur handelnden Person: „Entsetzt packt ihn aber, als er sieht, wie aus einem Stamm, den er berührt, ein runder blassheller Harztropfen tritt; der Baum weint. Im Dunkeln auf einen Pfad flüchtend, merkt er bald, dass sich der Weg sonderbar verengt, als ob der Wald ihn in eine Falle locken wolle. Die Bäume treten zum Gericht zusammen.“
An dieser Novelle ist deutlich sichtbar, dass Döblin eine ganz besondere Auffassung der Natur in seinen Schriften vermittelt
Döblins Naturtheologie: Der Mensch ist völlig isoliert, entwurzelt von seinen natürlichen Ursprüngen
Personifikation der Natur: Kopf, Körperstumpf, Hals Blut und „wenn er nur die Blume rufen könnte. Aber wie heisst sie denn? Er wusste ncht einmal, wie sie hieß. Ellen? Sie hieß vielleicht Ellen, gewiss Ellen.“
Auch durch den Götzendienst des Mannes ist kein Dialog mit der Natur möglich.
Döblin zeigt, dass mit dem Verhalten und der eingeengten Sichtweise des Bürgers aus der menschlichen Erfahrungswelt der Natur nicht zu begegnen ist. Zwei Welten werden gegeneinander gestellt: die des menschlichen Ichs und die der Naturphänomene. Döblin zeigt in diesem Werk die Entfremdung des Stadtmenschen von seinen natürlichen Wurzeln: Das Unterbewusstsein des Mannes verbündet sich mit den Stufen der Evolution gegen die traditionelle Meinung, der Mensch könne als Krone der Schöpfung die Natur dominieren, sie als ein Werkzeug benutzen.
Döblin will hier ebenfalls zeigen, was wirklich hinter der scheinbaren Bürgerlichkeit steckt – Unsicherheit und Lebensangst.