Benutzer:Lysis
Ich bin seit dem 13.06.2004 angemeldeter Benutzer und möchte mich in nächster Zeit vor allem den Stichwörtern Freundschaft, Homosexualität, Intersexualität, Hermaphrodit, Sodomie und Homophobie widmen, die ich in ihrer jetzigen Fassung als teilweise sehr unzureichend empfinde. Angefangen habe ich damit, dass ich unter "Homosexualität" einen neuen Abschnitt "Historische Anthropologie" erstellt habe. Auf Feedback hierzu freue ich mich natürlich!
Noch kurz zu meiner Namenswahl: Lysis ist ein Dialog von Platon, der sich mit der philia beschäftigt. Dieser Begriff bedeutet sowohl Freundschaft als auch Liebe. Die saubere Unterscheidung zwischen beiden, die unter dem Stichwort "Freundschaft" vorgenommen wird, ist, sofern sie eine universelle Beschreibung zu sein beansprucht, aus historisch-anthropologischer Sicht (ein Kompositum, das man hier leider vergeblich sucht) schlicht und einfach falsch. Solche ärgerlichen Fehler, Lücken und Auslassungen sind der Grund, warum ich mich hier korrigierend beteiligen möchte!
Per Mail könnt ihr mich erreichen unter: lysis {at} x-berg {dot} de
Ein paar Daten
- geboren: Juli 1974 in Nordbayern
- wohnhaft: Berlin (Prenzlauer Berg)
- Interessensgebiete:
- Historische Anthropologie: Leider findet sich bei Wikipedia noch immer kein Eintrag dazu. Es geht bei dieser erst etwa zehn Jahre alten Disziplin darum, die traditionellen Fragen der philosophischen Anthropologie zu historisieren. Themen, die bisher immer überzeitlich behandelt wurden, werden nun in ihrer geschichtlichen Dimension erfasst. Die Gegenstände der Historischen Anthropologie sind dabei dieselben wie die der traditionellen Anthropologie: Kosmologie (die Elemente, Leben, Natur, Mensch, Tier und Pflanze); Welt und Dinge (Gesellschaft, Institution, Raum, Zeit, Nahrung, Kleidung); Genealogie und Geschlecht (Sexualität, Fortpflanzung und Familie); Körper (Sinne, Gefühl, Bewegung und Geste) und einiges mehr.
- Mein Interesse innerhalb der Historischen Anthropologie gilt den Themengebieten Freundschaft, Sexualität und Geschlecht, und darin insbesondere dem, was seit dem 19. Jahrhundert Homosexualität heißt. Eine ahistorische Verwendung dieses Begriffes, wie er sich z.B. im Artikel Eduard II. (England) findet, halte ich für nachgerade amüsant, zeigt es doch, dass der Autor nichts von der Denkweise dieser Zeit begriffen hat. Es gab im Mittelalter keinen Begriff, der dem modernen der Homosexualität auch nur im Entferntesten nahe gekommen wäre.
- Mein besondere Vorliebe für die drei monotheistischen Weltreligionen hat keinen religiösen Hintergrund. Ich habe nie an Gott geglaubt und werde es nie tun. Trotzdem bin ich fasziniert von der Möglichkeit einer kontextuellen Auslegung der Bibel, des Talmud und des Koran.
Zu letzterem ein Beispiel
Interessant ist, wie die King-James-Bibel den hebräischen Begriff qdeshim übersetzt, nämlich als "Sodomites" (absolut idiotisch!). Die deutsche Einheitsübersetzung dagegen schreibt von "(männlichen) Tempelprostituierten". Das kommt der realen Bedeutung zwar schon näher, ist aber kein Beweis, dass man sich die Bibelausgabe der deutschen Katholiken als besonders texttreu vorzustellen hätte. So übersetzt sie die griechischen Ausdrücke "arsenokoitai" und "malakoi" mit "Päderasten" und "Lustknaben" (von beiden wird behauptet, dass sie das Himmelreich nicht erben würden). Arsenokoitai ist jedoch ein im damaligen Sprachgebrauch gar nicht exististierendes Kunstwort, das Paulus in Anlehnung an die Vulgata-Übersetzung des 3. Buch Mose geschaffen hat und soviel bedeutet wie "Männerbeschläfer", während "malakos" zunächst einmal alles Mögliche heißen kann. Die wörtliche Übersetzung ist "Weichling". Aber was ist ein "Weichling"? In der damaligen Vorstellung ist Weichling u.a. einer, der sich den fleischlichen Begierden passiv hingibt. Ein mögliches Beispiel für einen malakos wäre also tatsächlich ein junger Mann, der sich ficken lässt und diese passive Position auch noch genießt. Diese Bedeutung gewinnt malakos aber nur durch die topologische Nähe zu arsenokoitos.
Interessant ist aber, wie die Katholische Einheitsübersetzung eine Stelle im Matthäus-Evangelium übersetzt, an der Jesus ein ähnliches Wortpaar gebraucht:
- "Ich aber sage euch: Jeder, der seinen Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein." (Mt 5,22).
Wo "Dummkopf" übersetzt wurde, steht im Original "raca". Rakha ist aber das hebräische Äquivalent zu malakos (also Lustknabe?). Und wo "Narr" steht, steht im Original "moros". Dazu schreibt David Greenberg:
- "It has also been suggested that the Greek word moros [...] actually refers to a male homosexual aggressor. This reading makes the threatened punishment far more plausible."
Verwehrt sich hier Jesus gegen Beschuldigungen der "Homosexualität"? Das führt uns zu einer weiteren Stelle, nämlich dieser:
- "Nach diesen Worten war Jesus im Innersten erschüttert und bekräftigte: Amen, amen, das sage ich euch: Einer von euch wird mich verraten. Die Jünger blickten sich ratlos an, weil sie nicht wußten, wen er meinte. Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus liebte. Simon Petrus nickte ihm zu, er solle fragen, von wem Jesus spreche. Da lehnte sich dieser zurück an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist es?" (Joh 13,21-25)
Der Name dieses Jüngers ist uns nicht bekannt. Er wird im Johannes-Evangelium immer nur genannt: "der Jünger, den Jesus liebte". Im Mittelalter identifizierte man diesen Jünger als Johannes (soweit ich weiß, war damit nicht der Evangelist Johannes gemeint). Ebenso ging man (eine mittelalterliche Institution auf die Bibel projizierend) davon aus, dass Jesus und Johannes "geschworene Brüder" waren. War Jesus also homosexuell? [1] Diese Frage ist jedoch vollkommen anachronistisch, da es das Konzept der Homosexualität als einer Identität, die eine sexuelle Abweichung markiert, zu Jesus' Zeiten nicht gab. Was Johannes für Jesus war, beantwortet die Bibel dagegen selbst: er war "der Jünger, den Jesus liebte".
Von mir angelegte Artikel
Von mir erweiterte Artikel
- Homosexualität (Abschnitt historische Anthropologie)
- Heterosexualität
- Intersexualität (Die beiden Abschnitte "kulturelle Aspekte" und "historische Aspekte")
- en:Paragraph 175 (Überarbeitung der englischen Fassung)
- en:Pink triangle (ebenfalls stark überarbeitet)