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Victor Almaric Walter (* 19. Mai 1870 in Sèvres, Frankreich; † 9. November 1959 in Lury-sur-Arnon, Frankreich) war ein französischer Keramiker und Glasmacher, der vor allem mit seinen Glaspasten bekannt wurde.
Leben
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Steingutplatte, ca. 1900, Durchmesser 29,5 cm
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Presse-papier "petit mars changeant", ca. 1925, 8 x 8 x 5 cm
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Vase mit Eidechse
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Goldfisch
Frühe Jahre
Walters Großvater Francesco und Vater Adolphe Joseph waren bereits in der Porzellanproduktion von Sèvres beschäftigt.[1] Ab 1885 war Walter Schüler im Werk der Manufacture nationale de Sèvres und erlernte hier die Herstellungsmethoden von Modellen und Formen sowie Mal- und Emailliertechniken.[2] Nach seinem Militärdienst (1892–1893) arbeitete er als Dekorateur für Keramikvasen in einer Werkstatt in der Rue des Binelles (Sèvres) mit Félix-Optat Milet (1838–1911) zusammen.[1]
Walter erhielt für seine Keramiken eine Bronzemedaille auf der National- und Kolonialausstellung in Rouen 1896, ein Ehrendiplom auf der Weltausstellung von Paris 1900 und 1901 eine Goldmedaille auf der Exposition internationale du travail in Paris.[1] Inspiriert von den Arbeiten Henri Cros’ experimentierte er nun zusammen mit seinem ehemaligen Lehrer an der Manufacture de Sèvres, Gabriel Lévy, an der Zusammensetzung von Pâte-de-verre, deutsch Glaspaste.[3] Ihre gemeinsame Werkstatt befand sich in der Rue des Ecoles 9 in Paris.[1] 1903 präsentierten sie gemeinsam auf dem Salon der Société nationale des beaux-arts ihre ersten Glaspasten (die sie noch pâte d’émaux agglomérés nannten, deutsch: agglomerierte Emaillepaste), diese waren ein 30 x 50 cm großes, gerahmtes Wandbild mit dem Motiv einer Fruchtrebe (La Treille), ein mit Löwenzahn verziertes kleines Tablett, sieben Vasen sowie die Büste einer jungen Pariserin, die nach dem Vorbild von Statuen der Bildhauer Denys Puech und Eugène Delagrange (1871-1920) entstanden waren.[1]
Kristallerie Daum
Antonin Daum von der Kristallerie Daum in Nancy war auf dieser Ausstellung von Walters und Lévys Werken derart beeindruckt, dass er den beiden Künstlern die Verwendung seiner Glashütte in Nancy anbot,[2] in der er auch Leiter der Kunstabteilung war. Daum, Walter und Lévy beschlossen 1903 vertraglich eine Zusammenarbeit für zehn Jahre. Für 25.000 Franc verpflichten sich Walter und Lévy, in Daums Manufaktur die Produktion von Glaspasten nach dem von Walter entdeckten Verfahren einzurichten und eine bestimmte Anzahl von Stücken herzustellen.[1] 1904 begannen sie ihre Tätigkeit bei Daum,[2] jedoch kam es zwischen Walter und Lévy bald zu finanziellen Unstimmigkeiten, sodass sich Lévy im gleichen Jahr aus dem Projekt zurückzog.[1]
Walter, der sich bei Daum wohlfühlte,[2] setzte seine Produktion in Zusammenarbeit mit dem dortigen Chefdekorateur Henri Bergé (1870–1937) fort.[4] Zwischen Walter und Bergé entwickelte sich eine lebenslange Freundschafts- und Arbeitsbeziehung.[2] Zusammen kreierten sie hier über 100 Modelle von Glaspasten in den leuchtenden Farben des Jugendstils.[4] Weitere Projekte wurden von Charles Schneider betreut.[2] Walters Fenster mit Glasmalerei waren 1909 auf dem Daum’schen Stand auf der Exposition internationale de l’Est de la France in Nancy sowie 1910 im Pariser Musée Galliera Paris zu sehen, wo sie als Sensation gefeiert wurden und ihm in Paris eine Goldmedaille einbrachten. Er gewann eine weitere Goldmedaille auf der Weltausstellung 1910 in Brüssel. Die Kunstpresse pries seine Kreationen. Daum vertrieb die Objekte Walters in seiner Pariser Boutique in der Rue de Paradis 32.[1] Die Zusammenarbeit mit Daum dauerte ununterbrochen bis 1914, als die Produktion mit Beginn des Ersten Weltkrieges eingestellt werden musste.[2]
Selbstständigkeit nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem Krieg gründete Walter 1919 sein eigenes Atelier mit dem Namen A. Walter Nancy in der Rue Claudot von Nancy, in dem er die Herstellung von Glaspasten mit gleicher Technik und den meisten bisher verwendeten Modellen fortsetzte. Die Trennung von Daum erfolgte auf freundschaftliche Weise. Antonin Daum gestand Walter die weitere Zusammenarbeit mit den in seiner Firma beschäftigten Künstlern zu, insbesondere Henri Bergé lieferte Walter weiterhin neue Modelle. Walters Produkte wurden in High-End-Geschäften verkauft, so zum Beispiel bei dem Pariser Éditeur d’Art Arthur Goldscheider .[2] Walter gehörte der von Goldscheider ins Leben gerufenen Künstlergruppe L’Evolution an, deren Arbeiten Goldscheider 1925 auf der den Begriff Art déco prägenden Ausstellung Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes zeigte.[5]
Mit Henri Bergé und den anderen Modelleuren kreierte er in der Zwischenkriegszeit fast 500 verschiedene Glasmodelle. Er reproduzierte Werke von Künstlern wie Alfred Finot, Jules Cayette, Joé Descomps-Cormier, Auguste Houillon, Auguste Rodin und anderen. Wegen der Komplexität der Glaspastentechnik war die Auflage seiner Arbeiten zahlenmäßig meist klein.[4]
Weltwirtschaftskrise, Zweiter Weltkrieg und Niedergang
Mit der Weltwirtschaftskrise ging jedoch ab 1929 die Nachfrage für Amalric Walters Luxusprodukte zurück, sodass er die Produktion und das Personal reduzieren musste. Seine letzten drei Angestellten entließ er 1935; sein Atelier in der Via Claudot 20 verkaufte er an einen Goldschmied aus Nancy.[2] Dieser Goldschmied hatte auch das Rüstzeug und die Formen der Modelle der gescheiterten Glashütte Gallé aufgekauft, zusammen mit dem noch verbliebenen Bestand an Fertigwaren und vor allem den Modellen der transparenten Vasen, die noch dekoriert werden mussten. Die Dekoration dieser Vasen mit ihren klassischen Originalthemen wurde bis kurz vor dem deutschen Westfeldzug von 1940 in Walters Werkstatt vollendet.[2]
Während der Deutschen Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg verließ Walter Nancy und nahm bei einem Freund Zuflucht.[2] Er kehrte nach Kriegsende 1945 hierhin zurück, stellte aber keine weiteren Glaspasten mehr her. Er erblindete 1954 und setzte sich, von wirtschaftlichen Problemen geplagt, in Lury-sur-Arnon zur Ruhe. 1959 verstarb er hier mittellos.[6]
Werk
Walters skulpturales Werk beinhaltete vor allem Elemente des Jugendstils, mit einer Vielfalt naturalistischer Motive, darunter kleine Reptilien, Frösche, Insekten und Goldfische,[7] sowie einer Vielzahl anderer Tiere.[2] Seine Stücke zeichneten sich durch seine markante Kontrolle des Verlaufs der Farben aus, so hatte zum Beispiel ein Salamander von Walter eine realistische und typische Fleckung. Walter produzierte ebenfalls Pâte-de-Verre-Medaillons, Wandleuchter und dekorative Wandtafeln, meist aber kleinere nützliche oder dekorative Stücke wie Aschenbecher, Nadelkästchen, Broschen oder Anhänger. Walters Glaspasten waren eher schwer, undurchsichtig und in der Regel mehrfarbig.[7]
Ganz im Stil des Jugendstils und auf Wunsch der Manufaktur Daum produzierte er zwischen 1904 und 1914 neben seinen Glasmalereifenstern mit Landschafts- und Wassermotiven eine ganze Reihe von Objekten wie Accessoires für Damenbekleidung. Er dekorierte die Innenräume der Villa des Automobilkonstrukteurs Marius Berliet in Lyon mit einem Kamin mit Cabochons, 1912 das Haus Losseau in belgischen Mons, ein Haus in der Sellier Straße in Nancy und andere. Er dekorierte auch Möbel wie Buffets, Bänke, Bücherregale und auch Holzarbeiten, in die er Teller aus Glaspaste einfügte.[1][2] Seine Arbeiten mit menschlichen Abbildungen waren vom Klassizismus inspiriert.[1] Nach 1925 und besonders nach 1929 veränderte er seinen Stil in Richtung des Art déco.[2]
Vor 1914 produzierte Stücke sind mit Daum Nancy und dem Lothringerkreuz markiert. Nach 1919 signierte Walter seine Arbeiten mit AW oder A. Walter Nancy,[7] viele Stücke tragen zusätzlich die Signatur des Designers.[2] Die Marke oder Signatur erscheint in der Regel auf der dekorierten Oberfläche an der Seite der jeweiligen Arbeit und nicht unter dem Boden, dessen Oberfläche oft glatt und flach geschliffen ist.[7]
Einzelausstellungen
- Max Stewart: Erste Einzelausstellung von Amalric Walter. Broadfield House Glass Museum, Kingswinford, West Midlands, August 2006.[8]
Weblinks
- Amalric Walter (French, 1870–1959). In: artnet, mit Bildern von Arbeiten Walters
- Amalric Walter, Maître-verrier, Master of pâte-de-verre. In: amalric-walter.net
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h i j Les périodes importantes de la carrière d’artiste d’Amalric Walter. In: amalric-walter.net
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o Giorgio Catania: Amalric Walter (Sèvres 1870 – Lury-sur-Arnon 1959).] In: www.artericerca.com/Vetro francese/Walter Amalric/Amalric Walter biografia - Giorgio Catania.htm
- ↑ Judith Miller: Miller's Field Guide: Glass. Hachette UK, 2015. ISBN 1-78472-071-2, S. 131.
- ↑ a b c Giuseppe Cappa: Le génie verrier de l’Europe. Témoignages. De l’historicisme à la modernité (1840-1998). Editions Mardaga, 1998. ISBN 2-87009-680-1, S. 444.
- ↑ Robert E. Dechant, Filipp Goldscheider: Goldscheider. Firmengeschichte und Werkverzeichnis. Historismus, Jugendstil, Art Déco, 1950er Jahre. Arnoldsche Verlagsanstalt, Stuttgart 2007. ISBN 978-3-89790-216-9, 640 S.
- ↑ Martin P. Eidelberg, Roberta A. Mayer: Opulence in an Age of Industry. Turn-of-the-century Decorative Arts from the Collection of Sigmund Freedman. April 11-June 27, 1993. Jane Voorhees Zimmerli Art Museum, Rutgers, State University of New Jersey, 1993. S. 45.
- ↑ a b c d Judith Miller: Miller's Field Guide. Art Deco. Hachette UK, 2014. ISBN 1-78472-014-3, S. 65.
- ↑ The Amalric Walter Research Project and subsequent development. In: www.artericerca.com/Vetro francese/Walter Amalric/Amalric Walter - Max Stewart.htm
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