Duzen
Duzen ist eine grammatikalische Form der Anrede - mit Du -, die in der deutschen Sprache Nähe und Vertraulichkeit signalisiert. Der Gegensatz (Distanz und Förmlichkeit) wird durch die Anrede mit "Sie", das Siezen, signalisiert.
Noch bis ins 19. Jahrhundert waren in Deutschland noch zwei weitere Formen üblich:
- das "Erzen" - Beispiel: "Hat Er denn gar keine Disziplin im Leibe!"
- das "Ihrzen" (heute noch z. B. bei Wolgadeutschen vorkommend) - Beispiel: "Vater, ich wollte, Ihr ließet mich hinaus ziehen, um mein Glück zu versuchen."
Für die Soziologie wurde folgende Hypothese aufgestellt: Für Formen der sozialen Gleichheit habe es gar keine Anredeform gegeben, soziale Ungleichheit sei 'normal' gewesen und nur hier seien in der Sprache eigene Sitten vonnöten gewesen. Und zwar: Hohe soziale Distanz sei durch die grammatikalische "Dritte Person" signalisiert worden, und das habe bedeutet, dass von oben nach unten ge-erzt worden sei, von unten nach oben gesiezt (nicht selten sogar in der verschärften Form: "Erlauben Durchlaucht mir, eine Ehe einzugehen?"). Bei sozialer Nähe sei die "Zweite Person" zuständig gewesen, es sei von oben nach unten geduzt, von unten nach oben ge-ihrzt worden. Das habe zugleich bedeutet, dass nach unten eine Singularform gewählt worden sei, nach oben aber der Plural. (Clausen/Clausen, Zu allem fähig, 1985, S. 108)
Die fiktive soziale Gleichheit aller habe dann nur das "Du" für die Nähe, das "Sie" für die Ferne übrig gelassen. Wird jetzt auch noch die Nähe Aller zueinander fingiert, bleibt nur noch das "Du" übrig (bekannt als 'Bruder-Du' in Schulklassen, in studentischen Verbindungen, in Arbeiterparteien, ehedem im österreich-ungarischen Offizierskorps). Es nimmt heute noch im Deutschen zu und ist z. B. im Schwedischen schon allgemein durchgesetzt. Im Englischen setzte sich früh das respektvolle, aber doch Nähe signalisierende "You" (Zweite Person Plural) durch, das altertümliche "Thou" hingegen ist hoch intim und dem Gebet zu Gott oder z. B. unter Quäkern stehen geblieben.
Von deutschen Gerichten wird jedoch ein nicht ausdrücklich erlaubtes Duzen immer als Beleidigung gewertet, auch bei Privatpersonen und nicht nur dann, wenn Amtsträger wie z. B. Verkehrspolizisten geduzt werden.