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Waldsiedlung Lehnitz-Nord

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Die Waldsiedlung Lehnitz-Nord ist ein ein denkmalgeschütztes Siedlungsensemble in Lehnitz, einem Ortsteil von Oranienburg in Brandenburg, nördlich von Berlin.

Zeit des Nationalsozialismus 1938–1945

In den Jahren des Nationalsozialismus ließ die Reichsluftwaffe im Zeitraum 1938 bis 1943 im Oranienburger Forst eine Waldsiedlung mit 20 Einfamilienhäusern für Testpiloten und Offiziere der Luftwaffe errichten. Die aus roten und gelben Klinkern bestehenden Einzelhäuser wurden vom Architekten Klaus Heese farblich an den vorhandenen Kiefernbestand angepasst.

Am Bau dieser Siedlung wurden Häftlinge der Strafkompanie des nahen Konzentrationslagers Sachsenhausen eingesetzt. Die Klinkersteine für den Bau der Häuser wurden aus dem SS-Klinkerwerk Oranienburg, einem Nebenlager des KZ Sachsenhausen, geliefert.

In diesem Wohnpark wohnten während des Kriegs u. a. Hauptmann Karl Edmund Gartenfeld, Major Siegfried Kneymeyer und Hauptmann Hans Götz sowie Oberst Theodor Rowehl.

Neben ihren Kampfeinsätzen erfüllten diese Piloten an der Versuchsstelle für Höhenflüge am Flughafen Oranienburg diverse Aufgaben.

Da die Luftwaffenoffiziere, vorwiegend Ritterkreuzträger, mit ihren Familien die Nutzer dieser Häuser waren, wurde diese Siedlung im Volksmund „Ritterkreuzsiedlung“ genannt.

Die Lehnitzer Gemeindeverwaltung stimmte im Jahre 1943 der Eingemeindung dieses Siedlungsgebiets unter der Bedingung zu, dass die beabsichtigte Einzäunung wegfiele und die Wege für die Öffentlichkeit begehbar seien.

Nachkriegsjahre 1945–1955

Nach der Befreiung des KZ Sachsenhausen durch polnische und sowjetische Truppen diente die Siedlung als Erholungsheim für Opfer des Nationalsozialismus. Sie erhielt den Namen „Ernst Thälmann“. Tausende ehemalige politische Gefangene aus allen Teilen Deutschlands waren in den Nachkriegsjahren Besucher der Siedlung. Anlässlich des 1. Internationalen Gedenktages der Opfer des Nationalsozialismus weilten Delegationen aus Frankreich, Norwegen, Österreich, Polen, Albanien und der Tschechoslowakei in der Siedlung.

Später stand einige Häuser dem Krankenhaus und der Aufnahme von Vertriebenen aus dem Osten zur Verfügung, auch ein Kinderheim wurde untergebracht.

Die Stadt Berlin und die Landesregierung Brandenburg stellten Anfang der 1950er Jahre prominenten Wissenschaftlern und Künstlern einige Häuser als Wohnraum zur Verfügung, u. a. dem Kapellmeister Jürgen Hermann, dem Intendanten Hans Pitra, dem Schriftsteller Heiner Müller, der Professorin Marie Torhorst, dem Professor Klaus Zweiling und dem Sohn des Architekten Bruno Taut, Professor Heinrich Taut.

Friedrich Wolf 1948–1953

Der Schriftsteller Friedrich Wolf verbrachte seinen Lebensabend in dieser Siedlung. Nach seinem Tod wurde sein Wohnhaus zum Friedrich-Wolf-Archiv der Akademie der Künste der DDR umgestaltet. Dieses Haus ist innen und außen sehr gut im Originalzustand erhalten und enthält noch komplett die von Friedrich Wolf in Auftrag gegebene Möblierung, entworfen von der holländischen Innenarchitektin Ida Falkenberg-Liefrinck aus dem Jahre 1948. Anlässlich seines 100. Geburtstages wurde vor dem Haus eine Büste aufgestellt.

DDR 1956–1989

Ab 1956 begann die Gemeindeverwaltung entsprechend den neuen gesetzlichen Möglichkeiten (Verkauf volkseigener Einfamilienhäuser), einige Häuser zu veräußern und für die Grundstücke Nutzungsrechte zu vergeben.

Anfang der 1960er Jahre wurde die durchgehende Häusernummerierung 1-20 aufgehoben, und die Wege bekamen Namen wie Eichenweg, Kiefernweg, Waldring, Agnetenweg mit entsprechenden Hausnummern.

Im Rahmen von Aufbaustunden wurden von den Bewohnern und anderen Bürgern des Ortes die Wege der Siedlung befestigt.

Die Gemeinde achtete darauf, dass keine Veränderungen an den Häusern, Außenanlagen, Zäunen usw. zugelassen wurden, damit das äußere Bild der Siedlung erhalten blieb.

Anfang der 1970er Jahre erfolgte eine formelle Vermessung des Siedlungsgebiets, das bisher als ein Flurstück galt, indem die 20 Grundstücke in der Regel in zwei Parzellen unterteilt wurden.

Nach dem Ende der DDR 1990–2010

Nach dem Ende der DDR verfolgte die Gemeineverwaltung ab 1990 Pläne, zwischen den vorhandenen 20 Häusern den Bau weiterer 26 bis 30 Häuser zu ermöglichen. Eine von der Gemeindeverwaltung beschlossene Satzung vom 28. Februar 1991, die ohne Mitwirkung der Bewohner und trotz deren Widerspruchs zustande kam, ließ zwar formell im Rahmen einer Veränderungssperre den Eindruck entstehen, dass die Gestaltung und typische Charakteristik der Siedlung erhalten bleiben sollte, ließ aber im Zusammenhang eines neuen Bebauungsplans die Erstellung einer neue Satzung zu, die individuelles Bauen ermöglichen konnte.

In diesem Zusammenhang bildete sich im Februar 1991 eine Bürgerinitiative, die einen Antrag auf Denkmalschutz für die gesamte Siedlung stellte und sich für den Erhalt der Siedlung in ihrer typischen Gestaltung und ursprünglichen Anlage einsetzte. Seit 1996 ist die gesamte Siedlung per „Satzung zum Schutz des Denkmalbereiches der Waldsiedlung Lehnitz-Nord, ehemalige Ernst- Thälmann-Siedlung in Lehnitz“ denkmalgeschützt.

Quellen

Die Informationen in diesem Artikel beziehen sich auf Quellen aus Veröffentlichungen anlässlich der 600-Jahrfeier von Lehnitz 1950, bearbeitet von W. Lehwort und Karl Raddatz und auf Informationen des Diplomhistorikers Hans Biereigel (Stadthistoriker Oranienburg, * 1933) und anderer Bürger.

Literatur

  • Susanne Willen: Bauhistorisches Gutachten und Erstellung eines Denkmalpflegeplans. 2010, Auftraggeber: Stadt Oranienburg, Stadtplanungsamt.
Commons: Waldsiedlung Lehnitz-Nord – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 52° 45′ N, 13° 16′ O