Zum Inhalt springen

Corps

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. Juni 2004 um 13:27 Uhr durch 217.230.147.221 (Diskussion) (Herausbildung des Corpsstudententums). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Corps (zeitweilig auch "Korps", französisch "Körper(schaft), Gesamtheit", Aussprache wie Koor (Einzahl) und Koors (Mehrzahl)) ist eine heute gebräuchliche Bezeichnung für eine besonders alte Form von Studentenverbindung.


Charakterisierung

Corps haben das Toleranzprinzip als Grundsatz. Deswegen kann jeder an einer deutschen oder österreichischen Universität immatrikulierte Student Corpsstudent werden, ungeachtet seiner ethnischen oder sozialen Herkunft, seiner Hautfarbe oder Religion. Dadurch unterscheiden sich die Corps von Verbindungen, die zum Beispiel nur Studenten deutscher Nationalität (wie viele Burschenschaften) oder nur Mitglieder bestimmter Konfessionen (wie der CV oder der Wingolf) aufnehmen. Corps sind gegen Radikalismus und Gewalt. Sie versuchen, sowohl tagespolitische Neutralität als auch parteipolitische Neutralität als Verband und Corps zu wahren.

Trotz allem Streben nach Neutralität legen die Corps großen Wert auf gesellschaftspolitisches Engagement des einzelnen Studenten. Nach corpsstudentischen Prinzipien sollte er sich eine ethischen Grundsätzen folgende Meinung bilden und sie engagiert - ohne Rücksicht auf zu erwartende vordergründige Nachteile - vertreten. Aufgrund dieser Kombination von Neutralität des Verbandes und Engagement des Einzelnen findet man immer wieder Corpstudenten unter den führenden Köpfen der unterschiedlichsten politischen Gruppierungen, wobei sie durch ihre Einsatzbereitschaft nicht selten zu Opfern von fanatischen oder totalitären Gegnern werden. (Siehe unten unter "Eine Auswahl bekannter Corpsstudenten"!)

Als älteste heute existierende Verbindungsform haben die Corps ein besonderes Traditionsbewusstsein und pflegen ein eher schlichtes Auftreten. Sie lehnen viele (später erfundene) Gespreiztheiten und Manierismen des Verbindungsstudententums ab. Ihr Brauchtum hielt auch den studentischen Reformbestrebungen des 19. Jahrhunderts stand.

Das gesellschaftliche Renommee der Corps erreichte im 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt, als im deutschen Kaiserreich die Söhne des deutschen Hochadels und des Großbürgertums in den Corps die entscheidende Rolle spielten.

Vorgeschichte

Im größten Teil des 18. Jahrhunderts bestimmten die Landsmannschaften alten Typs (nicht zu verwechseln mit den heute existierenden studentischen Landsmannschaften, die jüngeren Datums sind), das Gemeinschaftsleben an den Universitäten. Es handelte sich dabei um vergleichsweise unverbindliche Gruppierungen, die gegenseitige Unterstützung aufgrund gemeinsamer landsmannnschaftlicher Herkunft boten. Ein regulierender Einfluss auf das studentische Leben oder eine persönliche Bindung über die Studentenzeit hinaus war nicht angestrebt.

Anders agierten die studentischen Orden, die freimaurerische Ideale verfolgten und das akademische Leben im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts prägten. Sie strebten eine persönliche Bindung für das ganze Leben an, kümmerten sich aber nicht um speziell studentische Belange. Auch hatten sie keinen landsmannschaftlichen Bezug.

Geschichte

Herausbildung des Corpsstudententums

Um das Jahr 1800 entstand jedoch an den deutschen Universitäten ein neuer Typus von studentischen Zusammenschlüssen. Sie gaben sich lateinische Namen, die sich auf das Herkunftsland ihrer Mitglieder bezogen, so zum Beispiel Borussia (Preußen), Bavaria (Bayern), Saxonia (Sachsen), Guestphalia (Westfalen), Brunsviga (Braunschweig) oder Suevia (Schwaben). Ihre Mitgliederstruktur war stark landsmannschaftlich ausgerichtet. Sie gaben sich bei der Gründung eine Konstitution (Gründungsurkunde und gleichzeitig Verfassung) und Farben (Couleur).

Das Besondere und Neue aber war die Bildung von Senioren-Conventen (SC) an den einzelnen Universitätsorten, die jeweils für ihren Bereich einen SC-Comment verfassten und für dessen Einhaltung sorgten. Jede Verbindung entsandte also ihren höchsten Repräsentanten (" Senior") in ein gemeinsames Gremium, in dem darüber beraten wurde, wie sich ein Student an der Universität zu verhalten hatte. Ziel war die Besserung der damals sehr rauen Sitten an den Universitäten. Die SC beanspruchten dabei das Recht zur Gesamtvertretung der Studentenschaft. Es waren ja alle landsmannschaftlichen Gruppierungen in ihm vertreten.

Heute betrachten die Corps diese Bildung von SC und SC-Comments als ihre Geburtsstunde, auch wenn dieser neue Typus von Verbindung noch unterschiedliche Bezeichnungen erhielt, zum Beispiel "Landsmannschaft", "Kränzchen", teilweise sogar "Club", aber auch schon "Corps".

Besonders in der Zeit nach dem Wiener Kongress verfolgten die Behörden die Bildung von studentischen Zusammenschlüssen argwöhnisch. In der Zeit der Restauration wurden umstürzlerische Umtriebe vermutet, wenn sich Studenten unkontrolliert zusammentaten (Karlsbader Beschlüsse 1819). Deshalb hielten die ersten Corps ihre Konstitution geheim, mussten sich auflösen und heimlich wieder eröffnen und wählten öfters nach Verfolgungen andere Bezeichnungen, um harmlos zu wirken. So entstand wohl auch die Bezeichnung "Corps".

Abgrenzung gegenüber neuen Verbindungsformen

Die Gründung der ersten Burschenschaft in Jena im Jahre 1815 und die Ausbreitung der burschenschaftlichen Idee über ganz Deutschland stellte die Corps vor eine große Herausforderung. Die Forderung war, alle landsmannschaftlich orientierten Zusammenschlüsse an einer Universität aufzulösen und in eine einheitliche gesamtdeutsche Burschenschaft (verbreiteter Name war "Germania") zusammenzuführen. Dies stellte natürlich den Alleinvertretungsanspruch des SC in Frage. Die Auseinandersetzungen waren heftig.

Die Folge war, dass sich in den nächsten Jahrzehnten nicht nur weiterhin neue Corps formierten, sondern sich auch an den meisten Universitäten mehrere Burschenschaften mit unterschiedlichen Ausrichtungen gründeten. Im Rahmen der Reformbewegung ("Progress") entstanden nach 1840 sogar noch weitere Formen von Studentenverbindungen, von denen viele heute noch existieren. Die neue Vielfalt verwässerte nach Ansicht der Corps die studentischen Traditionen. Der SC-Comment hatte seine Allgemeingültigkeit verloren.

Die Corps wollten jedoch ihre alten Traditionen weiterführen. Dazu mussten sie sich überregional organisieren und sich selbst und ihre Ziele und Ideale definieren. Vorarbeit leisteten hier die SC zu Jena, Halle und Leipzig, die sich ab 1820 regelmäßig konsultierten.

Verbandsgründung

Am 15. Juli 1848 fand der erste corpstudentische Kongress in Jena statt, an dem die SC von Heidelberg, Jena, Halle, Gießen, Breslau, Erlangen, Freiburg, Berlin, Greifswald und Göttingen (sowie einzelne Corps von anderen Orten) teilnahmen. Tagungsort wurde bald danach Bad Kösen an der Saale mit der bei den Studenten beliebten Rudelsburg. Nach und nach folgten auch die anderen SC im deutschen Raum, zuletzt die bayerischen. So entstand der älteste Dachverband studentischer Verbindungen, der Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV). Bis zum Ersten Weltkrieg fand alljährlich zu Pfingsten der Congress in Bad Kösen statt.

In den nachfolgenden Jahrzehnten folgten die Gründung weiterer corpsstudentischer Verbände, so auch am 7. April 1863 des Weinheimer Senioren-Convents (WSC), der die Corps an den technischen Hochschulen vertritt.

Existenzielle Bedrohung durch das NS-Regime

Nach 1933 standen die Corps unter dem zunehmenden Druck der nationalsozialistischen Machthaber, die alle studentischen Verbände im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) gleichschalten wollten. Die Corps sträubten sich und wurden zusammen mit ihren Verbänden im Jahre 1935 zwangsaufgelöst. Die Altherrenverbände bestanden bis ungefähr 1938, bevor auch sie sich auflösen mussten.

In den folgenden Jahren bemächtigten sich die Nationalsozialisten der Ressourcen (zum Beispiel der Korporationshäuser) der Verbindungen, um ihren Kameradschaften, Zusammenschlüssen im Rahmen des NSDStB, eine materielle Grundlage zu geben. Einige Corps nutzten die Kameradschaften, um heimlich ihre eigene Identität und Kultur weiterzuführen. Dies gelang auch an einigen Universitäten (zum Beispiel in Würzburg) ganz gut, als im Krieg die Aufmerksamkeit des NS-Regimes an den Universitäten nachließ. Hier konnten einige Corps sogar heimlich für eine gewisse Zeit rekonstituieren - immer unter dem Druck der drohenden Strafverfolgung.

Wiedergründung nach dem Weltkrieg

Nach dem Krieg wurden in Westdeutschland und in Österreich ab ca. 1947 erste Versuche der Wiedergründung der Corps gemacht, bis 1950 hatten sie konkrete Formen angenommen, ab 1953 wurde die Mensur offiziell erlaubt. Die Corps an den Hochschulen auf dem Gebiet der DDR, der anderen deutschen Ostgebiete und in Böhmen/Mähren verlegten ihren Standort nach Westdeutschland oder Österreich. Dabei fusionierten viele mit befreundeten Corps, um mehr Ressourcen für den Wiederaufbau zu haben.

Die deutsch-baltischen Verbindungen, die an den Standorten Riga und Dorpat, aber auch in Moskau oder St. Petersburg, eine eigene Kultur entwickelt hatten, sich dabei jedoch immer dem Corpsstudententum verbunden fühlten, gründeten nach dem Kriege in Westdeutschland neue Corps, zum Beispiel in Göttingen und Hamburg, die innerhalb des KSCV bis heute ihre speziell baltischen Traditionen weiterführen.

Deutsche Wiedervereinigung

Nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 kehrten viele Corps wieder an ihre alten Standorte in die neuen Bundesländer zurück, ja es wurden sogar neue Standorte (Potsdam, Frankfurt an der Oder) für das Corpsstudentum erschlossen. Weiter unzugänglich für das deutsche Verbindungswesen bleiben die Hochschulorte Königsberg, Breslau, Prag und Brünn.

Dachverbände

Der KSCV und der WSC sind pflichtschlagend und farbentragend.

Folgende Corpsverbände wurden zusammen mit dem WSC 1935 zwangsaufgelöst, aber nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder errichtet:

Einige Mitgliedsverbindungen des Wernigeroder Jagdkorporationen Senioren-Convents (WJSC) nennen sich "Jagdcorps".

Eine Auswahl bekannter Corpsstudenten

Staat und Politik

Medizin und Naturwissenschaft

Wirtschaft und Technik

Kunst und Kultur

Literatur

  • Rolf-Joachim Baum (Hrsg.), "Wir wollen Männer, wir wollen Taten!" Deutsche Corpsstudenten 1848 bis heute, Siedler-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-88680-653-7
  • Manfred Studier: Der Corpsstudent als Idealbild der Wilhelminischen Ära - Untersuchungen zum Zeitgeist 1888 bis 1914, Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen, Band 3, Schernfeld 1990, ISBN 3-923621-68-X

Siehe auch: Studentenverbindung, Liste Kösener Corps, Liste verbindungsstudentischer Begriffe