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Alfred Hitchcock

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Alfred Hitchcock (1963)

Alfred Joseph Hitchcock KBE (* 13. August 1899 in London; † 29. April 1980 in Los Angeles) war ein Filmregisseur und Filmproduzent britischer Herkunft. Am 20. April 1955 nahm Hitchcock die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an.

Mit einem Gesamtwerk von über 50 Spielfilmen, einer TV-Serie, die seinen Namen trug, und seinem Talent zur Selbstvermarktung hat es Hitchcock zu großem internationalem Ruhm gebracht.

Obwohl er sich in seiner Karriere in verschiedenen Genres versuchte und die meisten seiner Filme mit Humor gewürzt sind, verbindet man mit seinem Namen hauptsächlich Mord, Spannung und Nervenkitzel. Das hat ihm den inoffiziellen Titel des „Meisters des Suspense“ eingebracht. In vielen seiner Filme erzählte Hitchcock in immer neuen Varianten die Geschichte eines unbedarften Mannes, der in mörderische Intrigen verstrickt wird.

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Alfred Hitchcock in Wachs bei Madame Tussaud's

Biografie

Kindheit und Jugend

Alfred Hitchcock ist am 13. August 1899 in Leytonstone, London, als jüngster Sohn des Gemüsehändlers William Hitchcock und dessen Frau Emma Jane Hitchcock geboren. Durch den großen Altersunterschied von seinen Geschwistern, durch seine römisch-katholische Erziehung in einem protestantisch geprägten Land und nicht zuletzt durch sein Äußeres, das eines kleinen, dicken Kindes, hat er eine einsame Kindheit. Die Schulzeit verbringt er in einem Jesuiteninternat, das für seine strenge Erziehung gefürchtet ist. Hitchcock flüchtet in Romane, besucht Theatervorstellungen und geht ins Kino.

Mit 16 nimmt er eine Stelle als Technischer Angestellter einer Telegrafengesellschaft an, die ihn jedoch derart langweilt, dass er sich in Abendkursen weiterbildet und Kunstgeschichte lernt. Er beginnt zu zeichnen und wird auch prompt in die Werbeabteilung versetzt.

Als er von der Neugründung eines Studios der amerikanischen Produktionsgesellschaft Paramount Famous Players-Lasky auf englischem Boden hört, bewirbt er sich mit Illustrationen für einen geplanten Film. Der Film wird zwar nie gedreht, Hitchcock bekommt jedoch einen Job als Zeichner für Zwischentitel der noch stummen Filme. Er lernt begierig alle Aspekte des Filmemachens und sein Engagement wird auch bald mit einer Regieassistenz belohnt.

Anfänge und Stummfilme (1925–1928)

Als ein Regisseur gefeuert wird, bittet man Hitchcock, die fehlenden Szenen eines angefangenen Films zu drehen. Das Resultat kann sich sehen lassen und Michael Balcon, ein englischer Produzent, der das Studio gemietet hatte, fördert den jungen Hitchcock. Hitchcock arbeitet fortan als Co-Regisseur und stellt die Cutterin Alma Reville als seine Assistentin ein – eine Zusammenarbeit, die bis zu seinem Tode halten wird: Die beiden heiraten 1926. Alma spielt eine sehr wichtige Rolle in Hitchcocks Werk, da er eng mit ihr zusammenarbeitet und sie an vielen kreativen Entscheidungsprozessen beteiligt ist.

1925 wirft Balcon ihn ins kalte Wasser: Hitchcock wird zu Dreharbeiten in die Ufa-Studios nach München geschickt. Dort dreht er seinen ersten eigenständigen Stummfilm, Irrgarten der Leidenschaft. Obwohl der Film von der Verleihgesellschaft abgelehnt wird und es vorerst nicht zur Vorführung kommt, hat Hitchcock in Balcon einen Förderer gefunden. Dieser vertraut ihm die Regie für zwei weitere Filme an (Der Bergadler und Der Mieter). Beide werden 1926 gedreht, kommen aber in kurzer Reihenfolge, zusammen mit dem Irrgarten, ein Jahr später heraus. Irrgarten der Leidenschaft und vor allem Der Mieter sind bei Kritik und Publikum sehr beliebt. In Der Mieter, einer düsteren Kriminalgeschichte, visuell stark vom Expressionismus im Stile Murnaus (dem er in München über die Schulter schauen durfte) beeinflusst, hat Hitchcock bereits sein Thema gefunden.

Durch den Erfolg hat er sich in England in kürzester Zeit einen Namen gemacht. Die junge britische Filmindustrie, stark darauf bedacht, sich von der amerikanischen abzuheben, ist gerne bereit, ihn als aufkommenden Regiestar zu feiern.

1928 wird seine Tochter Patricia geboren, die in zwei seiner Filme in kleinen Nebenrollen auftauchen wird. Zwischen 1927 und 1928 dreht Hitchcock in enger Zusammenarbeit mit Alma sechs weitere recht solide Filme, denen aber das gewisse Etwas, die im Mieter versprochene „eigene Handschrift“, fehlt. Das sollte sich mit Erpressung (1929) ändern, dem ersten britischen Tonfilm.

Tonfilme in England (1929–1939)

Viele Regisseure können mit dem Aufkommen des Tonfilms nichts anfangen, halten ihn für das Ende des künstlerischen Films. Nicht so Hitchcock: Die neu aufgekommene Verbindung der beiden Medien weckt seinen Spieltrieb und er erkennt früh das Potential und die Möglichkeiten, die der Ton dem Film bietet. So setzt er in seinen ersten Tonfilmen schon Musik ein, obwohl ein nachträgliches Bearbeiten der Tonspur rein technisch nicht möglich ist. Ein Orchester wird hinter den Kulissen versteckt, um die entsprechenden Stellen musikalisch zu untermalen. Die Stummfilmschauspielerin Anny Ondra läßt er ihre Dialoge in Erpressung sogar stumm spielen und sie neben der Kamera von einer Sprecherin simultan synchronisieren.

Erpressung ist ursprünglich als Stummfilm gedreht worden, man erlaubt Hitchcock jedoch, erneut eine Filmrolle mit Tonmaterial zu drehen. Dies begeistert die Produzenten derart, dass er den ganzen Film nochmals mit Ton drehen soll. „Erpressung“ wird zu einem riesigen Erfolg, Hitchcocks Name ist in aller Munde. Er ist jedoch vertraglich noch gebunden, kann sich seine Stoffe nicht selbst aussuchen und muss darum Aufragsfilme drehen, auf die er keine Lust hat.

Hitchcock erkennt, dass der Weg in die Unabhängigkeit mit der Vermarktung seines Namens einhergeht. So stellt er einen Werbefachmann ein und gründet die „Hitchcock Baker Prod.“, eine Gesellschaft, die ausschließlich dafür zuständig ist, den Nachrichtenwert des Produzenten und Regisseurs Hitchcock an die Zeitungen zu bringen.

Hitchcock muss sich 1930 mit zwei weiteren, von der Produktionsgesellschaft verordneten Filmen abmühen, bis er schließlich mit Mord – Sir John greift ein! wieder sein Thema findet und dementsprechend glänzt. Wie viele der frühen Tonfilme wurde auch „Mord“ in verschiedenen Sprachen gedreht. Hitchcock reiste dazu nach Berlin und inszenierte den Film unter dem Titel Mary ein zweites Mal – mit deutschen Schauspielern.

Ab 1934 arbeitet er wieder mit dem Produzenten Michael Balcon zusammen und es entstehen ein paar erfolgreiche und für das spätere Filmvokabular Hitchcocks wichtige Filme, wie Der Mann, der zuviel wußte oder Die 39 Stufen. In beiden Filmen treffen wir das erste Mal auf typische Themen und Elemente des Regisseurs: Spione, MacGuffins, Handschellen und zu Unrecht verurteilte Männer, die auf der Flucht durch das halbe Land ihre Unschuld beweisen müssen.

Mittlerweile ist Hitchcocks Ruf auch in Amerika erklungen. Auf einer Reise in die USA 1938 unterzeichnet er bei David O. Selznick, dem Produzenten von Vom Winde verweht, einen Vertrag.

Hollywood, David O. Selznick und der Krieg (1939–1947)

Aus dem Trailer für Der Auslandskorrespondent

1939 wandert Hitchcock mit Alma und Patricia nach Amerika aus. Sein erster amerikanischer Film, Rebecca, hat ein sehr englisches Gesicht. Gedreht nach dem Buch der Engländerin Daphne du Maurier, spielt das Melodram in einem englischem Herrschaftshaus im ausgehenden 19. Jahrhundert. Er fokussiert auf die Psychologie der Figuren und kommt ohne große Spannungsmomente aus. Das ist ein eher untypisches Hitchcock-Setting, und noch dazu entpuppt sich die Zusammenarbeit mit dem Produzentenmogul David O. Selznick als äußerst schwierig. Denn Selznick ist ein Kontrollfreak, er bombardiert seine Regisseure mit seitenlangen „Memos“ und mischt sich stark in die kreative Arbeit ein. Die Differenzen scheinen dem Film jedoch nicht zu schaden: Rebecca gewinnt 1940 den „Academy Award“ und Selznick darf den Oscar für den besten Film nach Hause nehmen.

Obwohl Hitchcock noch acht Jahre bei David O. Selznick unter Vertrag ist, drehen die beiden insgesamt nur drei Filme zusammen. Hitchcock wird für große Summen an andere Produzenten ausgeliehen. So entsteht u. a. Verdacht (1941), der erste von vielen Filmen, die Hitchcock mit Cary Grant dreht, und Im Schatten des Zweifels (1943), sein erstes amerikanisches Meisterwerk, den er oft als seinen Lieblingsfilm bezeichnete.

Hitchcock, für den das Kino „kein Stück vom Leben, sondern ein Stück vom Kuchen“ war, vermied es Zeit seines Lebens, politische Statements abzugeben, geschweige denn, diese in seinen Filmen zu transportieren. Der in Europa wütende Zweite Weltkrieg und die Vorwürfe der Drückebergerei, die er sich von ehemaligen britischen Kollegen gefallen lassen musste, gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorbei. So appellierte er in Der Auslandskorrespondent (1940) an das noch neutrale Amerika, in den Krieg einzutreten. Auch Das Rettungsboot (1943), ein Film nach einer Geschichte von John Steinbeck, die ausschließlich auf einem Rettungsboot spielt, hat eine klare politische Botschaft: Nur gemeinsam hat der zusammengewürfelte, ideologisch zerstrittene Haufen englischer und amerikanischer Schiffbrüchigen eine Chance, gegen den entschlossenen Nazi vorzugehen.

Im Auftrag des britischen Informationsministeriums dreht Hitchcock 1944 zwei Kurzfilme (Gute Reise und Aventure Malgache), mit denen Frankreichs Kriegsanstrengungen unterstützt werden sollen. 1945 hilft Hitchcock als dramaturgischer Berater bei einem Dokumentarfilm über die Konzentrationslager der Nazis (The Memory of the Camps).

Hitchcocks Anfangsjahre in Hollywood sind gekennzeichnet durch Beschränkungen seiner Kreativität. Es entstehen außergewöhnliche Werke wie Berüchtigt (1946) mit Ingrid Bergman und Cary Grant – der erste Film, den David O. Selznick Hitchcock auch selbst produzieren lässt. Aber er dreht auch Experimente wie Ich kämpfe um dich (1945), einen Film über Psychoanalyse, dessen Traumsequenzen von Salvador Dalí umgesetzt worden sind.

Die 40er-Jahre sind das „goldene Zeitalter“ des Kinos, viele Millionen Menschen strömen wöchentlich in die Lichtspielhäuser. Auch die meisten Filme Hitchcocks sind erfolgreich, machen ihn und ihre Produzenten reich und Hitchcock auch in Amerika bekannt. Jetzt gilt es, die völlige Kontrolle über die Filme wieder zurückzugewinnen, doch dazu muss er sein eigener Herr werden.

Produktion und Regie: Alfred Hitchcock (1948–1963)

1948 läuft der Vertrag mit David O. Selznick aus und Hitchcock gründet mit Sydney Bernstein die Produktionsfirma Transatlantik Pictures. In deren erstem Farbfilm, Cocktail für eine Leiche (1948), einem Kammerspiel, das nur in einem Raum spielt, experimentiert Hitchcock mit sehr langen Einstellungen. Der Film bleibt jedoch nur formal interessant, und auch das Nachfolgewerk Sklavin des Herzens (1949) bringt nicht den gewünschten Erfolg. Hitchcock und Bernstein müssen sich wieder trennen. Hitchcock steht als Produzent nun vollständig auf eigenen Füßen, kann aber einen äußerst lukrativen Deal mit Warner abschließen. Es entsteht Die rote Lola (1950) mit Marlene Dietrich, der die Erwartungen nur unzureichend erfüllt. Erst die Zusammenarbeit mit Raymond Chandler bei der Patricia Highsmith-Verfilmung Der Fremde im Zug (1951) erbringt den angestrebten Erfolg.

Nach Ich beichte (1951) folgen drei erfolgreiche Filme mit Grace Kelly: das ursprünglich im 3-D-Verfahren aufgenommene Kammerspiel Bei Anruf Mord (1954); Das Fenster zum Hof (1954), ein Film mit James Stewart (einem seiner männlichen Lieblingsstars), und schließlich Über den Dächern von Nizza (1955). Um dem Glamour des letzten Films etwas entgegenzusetzten, dreht Hitchcock im selben Jahr noch einen ungewöhnlich kleinen Film, die schwarze Komödie Immer Ärger mit Harry mit Shirley MacLaine und John Forsythe.

Das Kino steckt in seiner ersten Krise, das Fernsehen hält Einzug in die Wohnzimmer und läuft der großen Leinwand den Rang ab. Mit Spektakeln wie dem 3-D-Verfahren sollen wieder Zuschauer gewonnen werden, allgemein werden die Produktionen größer und das Bild breiter.

Hitchcock startet 1955 die Fernsehserie Alfred Hitchcock Presents. Er selbst fungiert als Produzent und Regisseur von 17 der insgesamt 350 Folgen. In vielen Folgen übernimmt er die Moderatorenrolle und begrüßt das Publikum am Anfang der Folgen. Diese Auftritte steigern seine sowieso schon große Popularität und machen ihn zu einer nationalen Berühmtheit.

Im selben Jahr erhält er die amerikanische Staatsbürgerschaft und beginnt mit Doris Day und James Stewart die Dreharbeiten zu Der Mann, der zuviel wußte (1956), einem Remake seines gleichnamigen englischen Films aus dem Jahre 1934.

Mit der Nouvelle Vague entsteht in Frankreich eine neue Art und Weise Filme zu machen. Die Filme werden aus den Studios geholt und auf der Straße gedreht. Die starre, konventionelle Bildsprache wird durch den Einsatz der Handkamera und experimentelle Schnitte gebrochen, man sucht nach persönlichen, nach realistischen Themen. Hitchcock, der von den Vertretern dieser Richtung, Claude Chabrol und François Truffaut, als Meister gefeiert wird, zollt dieser Bewegung mit seinem Film Der falsche Mann (1956) Respekt. In dem in Schwarz-Weiß gehaltenen Film mit Henry Fonda in der Hauptrolle wird an authentischen Schauplätzen (mal wieder) die wahre Geschichte eines Mannes erzählt, der zu Unrecht verurteilt wird.

1958 dreht Hitchcock Vertigo – Aus dem Reich der Toten (1958), einen sehr langsamen Film mit autobiografischen Parallelen. Für viele Kritiker ist dies sein bestes Werk, für ein großes Publikum jedoch wenig attraktiv. Der Film verschwindet für viele Jahre komplett von der Bildfläche. Erst in den 80er-Jahren wird er wiederentdeckt und restauriert.

Vertigo bildet den Anfang einer äußerst erfolgreichen Schaffensphase. Hitchcock ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt und dreht drei inhaltlich sehr unterschiedliche Filme, die überdurchschnittlich erfolgreich und von außergewöhnlicher Qualität sind. Der unsichtbare Dritte (1959) ist die Summe und Krönung des klassischen Hitchcock-Themas, bei dem ein unschuldig Verurteilter um seine Reputation kämpft. Mit Psycho (1960) zollt Hitchcock den in Autokinos aufkommenden Horror-B-Movies Tribut und dreht einen ungewöhnlich brutalen, schwarz-weißen Low-Budget-Film, dessen „Duschszene“ zu seinen bekanntesten und meistanalysierten Szenen gehört. Die filmisch häufig zitierte Messerattacke drehte Kameramann John L. Russell allerdings weitgehend genauso, wie der Artdirector Saul Bass sie gezeichnet hatte. Mit Die Vögel (1963) schuf er schließlich ein apokalyptisches, pessimistisches, eher abstraktes Werk.

Das Spätwerk (1964–1980)

Hitchcock hatte bis in die 60er Jahre ein sehr hohes kreatives Output. Ein Film pro Jahr war üblich, in manchen Jahren drehte er sogar zwei Filme. Mittlerweile schien er etwas müde geworden, zumindest aber hatte er Schwierigkeiten, neue Stoffe zu finden, die ihn begeisterten. Mit seinen nächsten Filmen: Marnie (1964), Der zerrissene Vorhang (1966) und Topas (1969) stieß er bei Kritik und Publikum auf geteiltes Echo und konnte nicht an die vorherigen Erfolge anschließen. Erst Jahre danach werden die Qualitäten dieser Arbeiten erkannt: die Künstlichkeit von Marnie, die fast schon surrealistische Zeichnung der DDR und das trügerisch weiche Licht in Der zerrissene Vorhang und die Präzision und die Klaustrophobie in Topas.

Zwischen 1969 und 1971 wurde er mit diversen Preisen und Auszeichnungen geehrt, u. a. wurde er in Paris zum „Ritter der Ehrenlegion“ geschlagen, und er erhielt den Golden Globe Award.

1971 kehrte er für die Dreharbeiten zu Frenzy (1972) nach England zurück. Frenzy war sein letzter Erfolg. Von schwerer Arthritis und entsprechender Medikation gezeichnet, drehte er mit Familiengrab (1976) sein letztes Meisterwerk, bei dem er mit einem seiner wichtigsten Prinzipien brach: Hitchcock erlaubte es den Schauspielern, eigene Vorschläge für ihre Texte und ihr Spiel zu machen und zu improvisieren. Besonders sichtbar wird dies am Schluss des Films, als eine Darstellerin in die Kamera blickt und zwinkert. Hitchcock entschloss sich, diese Einstellung im endgültigen Schnitt zu behalten.

Bis 1978 arbeitet Hitchcock noch an seinem unvollendet gebliebenen Projekt The Short Night. Aufgrund wachsender gesundheitlicher Probleme – neben Arthritis auch noch Herzprobleme und Alkoholismus – sieht er sich 1979 gezwungen, sein Büro auf dem Gelände der Universal-Studios zu schließen. Im März desselben Jahres wird er vom American Film Institute für sein Lebenswerk geehrt. Am 3. Januar 1980 wird Hitchcock seine Erhebung zum Knight Commander of the Order of the British Empire überreicht, die einem Ritterschlag gleichkommt.

Am 29. April 1980 stirbt Hitchcock in seinem Haus in Los Angeles.

Themen und Spezialitäten

Suspense als Markenzeichen Hitchcocks

Alfred Hitchcock war vor allem ein großer Bildererzähler. Seine Filme bestechen vor allem durch ihre Visualität. Nicht die dramatische Entwicklung der Charaktere, sondern die innere Entwicklung der Figuren stehen im Vordergrund. Hitchcock stellte die Form in den Vordergrund und strickte um diese Form eine, meist spannungsgeladene Geschichte, in der Hitchcock dann unter Beimischung von Suspense die Nerven der Zuschauer strapaziert. Unter Supense ist jedoch etwas anderes als „Spannung“ zu verstehen. Anders als Filme, die auf die Momente der Überraschung hinarbeiten, wird dem Zuschauer ein Geheimnis verraten, das der Held nicht weiß. Durch diesen Informationsvorsprung entsteht die Suspense, denn der Zuschauer fiebert nun um den Helden und möchte ihm helfen.

Eine bevorzugte Methode um die Handlung voranzutreiben oder Suspense zu erzeugen war für Hitchcock der MacGuffin: ein Detail, das die Neugierde weckt und die Figuren motiviert sich auf die Reise zu machen, das aber für die Entwicklung der Charaktere und den Zuschauer völlig bedeutungslos ist. In Berüchtigt wird Ingrid Bergman von Cary Grant darauf angesetzt, im Hause der Nazikollaborateure herumzuschnüffeln. Im Keller findet sie schließlich Uranerz, abgefüllt in Weinflaschen – ein typischer MacGuffin. Die Helden suchen danach, der Fund bleibt jedoch ohne große Bedeutung. Er war nur Vorwand für die Suche, und die Suche selbst war die eigentliche Geschichte.

Arbeitsweise

Hitchcocks Filme basieren zum Teil auf Kurzgeschichten, Romanen und Entwürfen von Autoren. Oft kam er auch mit einer groben Idee zu einem Autor, arbeitete diese aus, erstellte mit ihm eine Kurzfassung, in der die Handlung umrissen wurde, und ließ ihn dann mit der Ausarbeitung und den Dialogen allein.

Hitchcock pflegte den Mythos des Regisseurs, der sich während der Dreharbeiten langweilte, weil der Film in seinem Kopf längst fertig gestellt war. Bekannt sind seine vorgezeichneten Storyboards, in denen sich jede Einstellung des Films wiederfand. Tatsächlich erlaubte aber der knappe Zeitplan der meisten Produktionen selten eine solche Vorgehensweise und Hitchcock musste, wie alle anderen Regisseure, improvisieren und sich den gegebenen Umständen anpassen.

Sein großes Talent, genau zu wissen, mit welchen Bildern, mit welcher Einstellungsgröße, in welchem Kamerawinkel, in welchem Rhythmus eine Figur, eine Szene oder eine Emotion am besten auszudrücken ist, führten jedoch zu einer ökonomischen Arbeitsweise, mit der er die Hollywoodproduzenten der 40er-Jahre sehr verärgerte. Zu dieser Zeit war es üblich, dass so viele Szenen wie möglich aus immer wieder ähnlichen Einstellungsgrößen weitgehend bis zum Szenenende durchgedreht wurden. Dies ermöglichte dem Produzenten im Schneideraum ein Vielzahl von Schnittvariationen. Durch Hitchcocks visuelle Arbeitsweise, mit der er nur drehte, was ihm nötig schien, hatte er mehr Kontrolle über den Film, und ein Produzent wie z. B. David O. Selznick konnte ihn nicht nach Belieben umschneiden.

Ruhm und Ehre

Schon am Anfang seiner Karriere, als er in England mit den ersten Stummfilmen Erfolge feierte, war ihm bewusst, „dass der Name des Regisseurs klar im Bewusstsein des Publikums stehen sollte“. Wichtiger als der Name der Stars, die kommen und gehen, ist der Name des Regisseurs, denn er steht für eine Handschrift, ein Thema, ein Genre, selten jedoch für ein Gesicht. Hitchcock hatte diese Handschrift, einen „Stil“, der für düstere, spannungsgeladene Stoffe stand, die ihm den Titel des „Meister des Suspense“ einbrachte. Obwohl von den Filmgesellschaften üblicherweise für die Promotion eigene Abteilungen oder externe Agenturen beauftragt werden, trugen bei Hitchcocks Filmen die Werbekampagnen deutlich die Handschrift des Regisseurs. Hitchcock etablierte ein stilisiertes Selbstportrait als Logo. Die Kino-Trailer waren häufig nicht nur Zusammenschnitte des angekündigten Films, sondern stellten den Komiker Hitchcock in den Vordergrund, der in der Rolle eines „Master of Ceremony“ seine eigenen Filme vorstellte.

Hinzu kamen lukrative Lizenzverträge, zum einen die Fernsehserie Alfred Hitchcock Presents, die er selbst anmoderierte, zum anderen ein Krimi-Magazin (Alfred Hitchcocks Mystery Magazine) und eine Buchreihe von Kinderkrimis (The Three Investigators), aus der die erfolgreiche deutsche Hörspielreihe Die drei Fragezeichen entstand. Durch diese Promotions-Arbeit erhielt das Produkt „Hitchcock“ einen hohen Wiedererkennungswert und wurde dauerhaft in der öffentlichen Wahrnehmung installiert.

Aus der Not geboren, nämlich dem Mangel an Komparserie in seinen ersten britischen Filmen, sah man den Regisseur immer wieder im Hintergrund auftauchen. Daraus entwickelte er eine weitere Spezialität, auf die das Publikum seiner Spielfilme gespannt wartete: Hitchcocks obligatorischen Cameoauftritt.

Obwohl die meisten seiner Filme ein großes Publikum fanden, waren ihm die Kritiker meist nicht sonderlich wohl gesonnen. Erst die französischen Filmkritiker um Claude Chabrol und François Truffaut, die als Gründer der Nouvelle Vague bekannt werden sollten, sahen in ihm mehr als einen Erfüllungsgehilfen der Produzenten. Sie erkannten in seinen Filmen eine eigene Handschrift und ehrten ihn als Auteur.

Blondinen und Mütter

Augenfällig ist Hitchcocks Frauenbild. Neben der klassischen, meist jungen, immer schönen und manchmal unschuldigen Blondine gibt es noch die bissige, oft bösartige oder aber mit gutem Rat zur Seite stehende, jedoch immer alte Mutterfigur. Hitchcock war Mitte zwanzig und bereits ein erfolgreicher Filmregisseur, hatte jedoch noch nie Alkohol getrunken oder eine Affäre mit einer Frau gehabt. Mit 27 Jahren heiratete er Alma Reville, eine zierliche, naturrothaarige Frau, mit der er bis zu seinem Tode zusammenlebte. Sie war vor allem auch die „starke Frau, die hinter einem starken Mann steht“. Anfangs direkt in die Drehbucharbeit involviert, wurde sie bis zum Tode in jede größere kreative Entscheidung eingeweiht. Alma nimmt die Mutterrolle in Hitchcocks Leben ein. Seine Obsessionen gelten den jungen, blonden Schauspielerinnen, die er engagiert und die dann nach seinem Gusto handeln müssen. In der Realität kommt es immer wieder zu Zerwürfnissen, so verzeiht er Vera Miles nicht, dass sie ungefragt schwanger wurde, wo er sie doch in Vertigo zum Star machen wollte. Für Kim Novak ließ er von der Kostümbildnerin Edith Head eine komplette Garderobe schneidern, die nicht etwa für Vertigo, sondern für ihr privates Leben gedacht war. Hitchcock wollte die größtmögliche Kontrolle über seine weiblichen Stars ausüben. Vertigo und Berüchtigt gelten darum als stark autobiografische Filme. Beide handeln von den Obsessionen und Neurosen von Männern, die Frauen manipulieren.

In der Zusammenarbeit mit der letzten authentischen Hitchcock-Blondine Tippi Hedren kommt es während der Arbeit an Marnie zu einer schweren Krise. Vom Regisseur bereits während des Drehs zu Die Vögel während der tagelangen Aufnahmen von auf sie einstürzenden, echten Vögeln stark beansprucht und körperlich verletzt, weist sie offenbar Hitchcocks Annäherungsversuche zurück (über diese Episode hat Hitchcock nie öffentlich gesprochen, und Hedren hat sich in Interviews nur Andeutungen gestattet). Fortan weigert sich Hitchcock, mit seiner Schauspielerin direkt zu kommunizieren und lässt ihr seine Anweisungen über Mittelsmänner ausrichten. Allgemein gilt es als gesicherte Erkenntnis, dass der Regisseur sich von diesen Schwierigkeiten lange nicht erholen konnte und in seiner kreativen Schaffenskraft beeinträchtigt war. Keiner der späteren Filme wies eine Hitchcock-Blondine auf (Die zwanzigjährige Claude Jade, die Hitchcock als "illegitime Tochter Grace Kellys" bezeichnet und über sie behauptete, sie sei "kühl und wohlerzogen, doch wahrscheinlich nicht auf dem Rücksitz eines Taxis", ist in Topas dunkelblond), und sogar die blonde Erpresserin (Karen Black als Gegenpart zur dunkelblonden Barbara Harris) in Familiengrab entpuppt sich rasch als eine dunkelhaarige Frau mit Perücke. In Hitchcocks letztem, unvollendetem Projekt The Short Night war jedoch offenbar wieder eine Hitchcock-Blondine vorgesehen, die mit Catherine Deneuve besetzt werden sollte.

Insgesamt ist die Hitchcock-Blondine kein asexuelles, ätherisches Wesen, sondern eine Frau, deren oberflächliche Kühle nur die Folie für eine stark entwickelte Sexualität darstellt. Besonders deutlich wird dies, wenn Eva Marie Saint in Der unsichtbare Dritte zweideutige Bemerkungen macht, unvermittelt den völlig überraschten Cary Grant küsst und ihn ohne Zögern in ihrem Schlafwagenabteil unterbringt. Nicht der Mann, sondern die blonde Frau spielt hier den aktiven Part und eliminiert hergebrachte soziale und sexuelle Hierarchien.

Filmografie

Legende:

1 Jahr der ersten öffentlichen Aufführung
2 Produktionsland (Ländercodes siehe hier)
3 Beteiligung Hitchcocks: Produktion, Regie, Buch, Darsteller (Statist)
* ohne namentliche Nennung

Die britischen Filme

Vorlage:Filmographie3

Die US-amerikanischen Filme

Vorlage:Filmographie3

Literatur

  • Robert E. Kapsis: Hitchcock: The Making of a Reputation. University of Chicago Press, 1992, ISBN 0-226-42489-8 (Wissenschaftliche englischsprachige Arbeit, die informationsreich den aufgebauten Ruf Hitchcocks beleuchtet und so auch auf Nachahmungen seiner Filme eingeht (speziell: Brian De Palma).)
  • Eva Rieger: Alfred Hitchcock und die Musik. Eine Untersuchung zum Verhältnis von Film, Musik und Geschlecht. Kleine, Bielefeld 1996, ISBN 3-89370-236-9
  • Donald Spoto: Alfred Hitchcock. Piper, München 1999, ISBN 3-492-22798-8 (dt. Übersetzung von Bodo Fründt einer detaillierten Biografie von 1983)
  • François Truffaut: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?. Heyne, 2003, ISBN 3-453-86141-8 (Abfolge von Interviews(circa 50 Stunden) des frz. Regisseurs aus dem Jahr 1962). Originalausgabe: François Truffaut: Le cinéma selon Hitchcock (dt. "Der Film gemäß Hitchcock") Simon und Schuster, 1984, ISBN 0-671-52601-4
  • Robert A. Harris, Michael S. Lasky, Hrsg. Joe Hembus: Alfred Hitchcock und seine Filme (OT: The Films of Alfred Hitchcock). Citadel-Filmbuch bei Goldmann, München 1976, ISBN 3-442-10201-4
  • Bill Krohn: Hitchcock at work. Phaidon Press, 2000, ISBN 0-7148-4333-4 (Detaillierte Studie über Hitchcocks Arbeitsweise in seiner amerikanischen Zeit)
  • Lars-Olav Beier, Georg Seeßlen (Hrsg.): Alfred Hitchcock. Bertz Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-929470-76-4
  • Enno Patalas: Hitchcock. dtv, 1999