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Ölpreiskrise

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Nominaler Erdölpreis 1985-2006

Als Ölkrise bezeichnet man i. A. Phasen starker Ölpreisanstiege, die gravierende gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben. Im engeren Sinne werden die beiden Erhöhungen des Rohölpreises 1973 und 1979/80 als Ölkrise bezeichnet, da beide in den Industrieländern starke Rezessionen auslösten. Voraussetzung für eine Ölkrise ist es, dass mehr Öl gebraucht wird, als zur Verfügung steht. Der Grund dafür kann auf der Angebots- (logistische oder politische Probleme) oder der Nachfrageseite (starker Anstieg des weltweiten Rohölbedarfs) liegen.

Die erste Ölkrise 1973

Beschreibung

Die erste und bisher folgenreichste Ölkrise begann im Herbst 1973, als die Organisation der Erdöl exportierenden Länder bewusst die Fördermengen drosselte (um ca. fünf Prozent), um den Preis für Erdöl zu erhöhen.

Am 16. Oktober 1973 stieg der Ölpreis von rund drei Dollar pro Barrel (159 Liter) auf über fünf Dollar. Dies entspricht einem Anstieg um ca. 70 Prozent. Im Verlauf des nächsten Jahres stieg der Weltölpreis auf über zwölf Dollar.

Dieses Ereignis ging auch unter dem Namen Ölembargo in die Geschichte ein. Die angesprochene Drosselung der Fördermengen war Kalkül und politisches Druckmittel der OPEC-Staaten, die mit der Politik einiger erdölimportierender Staaten betreffend den Jom-Kippur-Krieg nicht einverstanden waren. Am Ölembargo nahmen Algerien, Irak, Katar, Kuwait, Libyen, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate teil.

Auswirkungen

Die Ölkrise von 1973 demonstrierte die Unvorbereitetheit und Störanfälligkeit moderner Industriestaaten gegenüber einer Vielzahl von Einflussfaktoren sowie deren Abhängigkeit von fossiler Energie.

In Deutschland wurde als direkte Reaktion auf die Krise an vier Sonntagen im November und Dezember 1973 ein Fahrverbot verhängt (Sonntagsfahrverbot) sowie neue Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt. Diese Politik hatte zwar kaum einen wirtschaftlichen Effekt, gab der Bevölkerung aber das Gefühl, aktiv etwas zur Bewältigung der Krise beitragen zu können. 1974 musste Deutschland für seine Ölimporte rund 17 Milliarden DM mehr bezahlen als im Jahr zuvor (Ölpreisschock), was eine Konjunkturkrise einleitete. Die Ölkrise markiert damit das Ende des Wirtschaftswunders. In der Folge traten bisher weitgehend unbekannte Erscheinungen auf, etwa Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, steigende Sozialausgaben, verstärkte Inflation (besser: Stagflation), steigende Staatsverschuldung, Rationalisierung, Streiks, Unternehmenspleiten.

Die Ölkrise gebar Initiativen, die eine größere Unabhängigkeit vom Öl zum Ziel hatten. So rückten etwa alternative Treibstoffe wie Pflanzenöl und Biodiesel ins öffentliche Interesse. Es wurde vermehrt in Kernenergie, regenerative Energiequellen, die Wärmedämmung von Gebäuden und in die Effizienzsteigerung von Motoren und Heizgeräten investiert. Auch mit dem Abklingen der Ölkrise blieb ein gestiegenes Bewusstsein zum energiesparenden Verhalten in der Bevölkerung erhalten. Zudem wurde der Anteil des aus OPEC-Staaten bezogenen Öls durch Erschließung unterseeischer Ölfelder in der Nordsee sowie eine Diversifikation der Handelspartner gesenkt. Diese Entwicklung ist inzwischen zugunsten der OPEC rückläufig.

Die Wiedereinführung der Zeitumstellung von der Normalzeit auf die Sommerzeit in der Bundesrepublik Deutschland wie in anderen Ländern der EU im Jahr 1980 gilt ebenfalls als Nachwirkung der Ölkrise 1973. Die Entscheidung beruhte auf der Überzeugung, mit der Regelung durch eine bessere Nutzung des Tageslichts Energie sparen zu können.

In einigen westlichen Staaten wurden in der Folge der Krise militärische Optionen erwogen. Einem über 30 Jahre geheim gehaltenen gemeinsamen Plan der britischen und amerikanischen Regierungen zufolge war eine Invasion von Saudi-Arabien und Kuwait Gegenstand der Planung."It was thought that US airborne troops would seize the oil installations in Saudi Arabia and Kuwait and might even ask the British to do the same in Abu Dhabi." Quelle

Zum Ausgleich der Preissteigerungen wurde in einigen Industrieländern durch die Zentralbanken vermehrt Geld in Umlauf gebracht. Dieses führte jedoch, wie nach der Quantitätstheorie zu erwarten, zu einer erhöhten Inflationsrate in den folgenden Jahren, die erst durch eine rigidere Finanz- und Geldpolitik während der 1980er beendet werden konnte.

Auch wurde der allgemeine Ölboom weltweit mit Wachstumsraten der Förderung über 7% durch die Ölkrise abrupt beendet.

Die zweite Ölkrise 1979

Eine weitere drastische Preissteigerung fand während der zweiten Ölkrise 1979/1980 statt. Ausgelöst wurde sie im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Revolution in Iran und dem folgenden Angriff Iraks auf Iran [Erster Golfkrieg]. Der damalige Preisanstieg fand bei ca. 38 US-Dollar sein vorläufiges Ende.

Weitere Phasen starken Ölpreisanstiegs

Zweiter Golfkrieg 1990

1990 und 1991, als der Irak Kuwait annektierte und den Zweiten Golfkrieg verlor, sprach man wieder von einer bevorstehenden Ölkrise, denn beide Länder gehörten zu diesem Zeitpunkt zu den größten Erdölproduzenten. Es kam aber nur zu einem kurzzeitigen Hochschnellen des Preises.

Weltwirtschaftliche Erholung nach der Asienkrise 2000

Nach Überwindung der Asienkrise wuchs die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell an. Die Witterungsbedingungen im strengen Winter 2001/2002 führten ebenfalls zu einem erhöhten Ölbedarf. Die Auswirkungen waren geringer als in den 70er Jahren. Aufstockungen der Erdölfördermenge verhinderten eine ernsthafte Ölkrise, und logistische Probleme (etwa eine mangelnde Zahl von Öltankern) wogen schwerer als eine tatsächliche Knappheit der Ölmenge.

Steigende Ölnachfrage und Kapazitätsengpässe 2004 und 2005

Im Laufe des Jahres 2004 erreichte der Ölpreis zeitweilig einen Stand von 53 Dollar. Zu diesem Zeitpunkt trafen verschiedene politische und wirtschaftliche Belastungen des Ölmarktes zusammen. Das Umfeld lockte Spekulanten ebenso wie besorgte Ölhändler an und führte zu stark ansteigenden Preisen. Am 29. August 2005 stiegen die Rohölpreise auf Grund des verheerenden Hurrikans Katrina, der die Ölförderung im Golf von Mexico und die Raffination in den USA beeinträchtigte, auf 70 USD pro Barrel (159 Liter). Daraufhin stellte die USA einem Antrag bei der Internationalen Energie-Agentur, Öl aus Ölreserven auf den Markt zu bringen.

Rekordmarken der Ölpreise pro Barrel seit 2005:

  • Mitte März 2005: 56 Dollar
  • 24. Juni 2005: 60 Dollar
  • 11. August 2005: 65 Dollar
  • 29. August 2005: 70 Dollar
  • 19. April 2006: 72,17 Dollar

Die finale Ölkrise

Da die Ölvorkommen der Erde endlich sind, ist davon auszugehen, dass es in Zukunft zu einer finalen Ölkrise kommen wird. Es wird spekuliert, dass, wenn der Höhepunkt der jährlichen Fördermenge für Erdöl (Peak-Oil) erreicht wird, es im Zuge der dann fallenden Fördermengen bei unverändert bestehender Nachfrage zu massiven Preiserhöhungen kommt. Anders als die bisherigen, im Wesentlichen politisch motivierten Produktionsdrosselungen wird diese finale Ölkrise durch den realen Rückgang der Förderung ausgelöst. Die Folge ist ein erzwungener Paradigmenwechsel in der bisherigen, auf Öl basierenden Weltwirtschaft. Ein Vorschlag zur Vermeidung eines plötzlichen und radikalen Preisanstieges kommt von dem Geologen Colin J. Campbell in Form des Rimini-Protokolls.

Das Erreichen der maximalen Erdölfördermenge wird teils für 2010 prognostiziert; teils wird auch unterstellt, sie sei heute bereits erreicht. Dem entgegen arbeiten technologische Fortschritte, durch die man Öl günstiger fördern oder transportieren kann oder die aus bisher nicht förderbaren Ressourcen förderbare Reserven machen. Dadurch haben sich historische Prognosen über das frühere Eintreten einer finalen Erdölkrise noch nicht bewahrheitet (Stichwort Erdölkonstante).

Ein überproportional steigender Ölpreis führt zu vielfältigen Einflüssen auf die Weltwirtschaft. Da der Rohstoff Erdöl in der Industrie Grundlage vieler Werkstoffe und unverzichtbarer Energieträger ist, ist ein Anstieg des allgemeinen Preisniveaus zu erwarten (Inflation). Dadurch werden die globale Zins- und Fiskalpolitik, der Aktienmarkt und indirekt Staatshaushalte, die Zahl der Arbeitslosen, die sozialen Sicherungssysteme und viel mehr beeinflusst. Es lässt sich spekulieren, dass es durch stetig steigende Preise zu einer anhaltenden weltweiten Wirtschaftskrise kommt.

Direkte Auswirkungen sind zu erwarten bei:

Über die weiteren Auswirkungen einer finalen Ölkrise existiert eine große Anzahl von Thesen und Spekulationen.

Siehe auch

Wiktionary: Ölkrise – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen