Zwischenfall am Ussuri
Zwischenfall am Ussuri | |||||||||
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Teil von: Kalter Krieg | |||||||||
Datum | 2. März – 11. September 1969 | ||||||||
Ort | Ferner Osten | ||||||||
Ausgang | Status quo ante | ||||||||
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Der Zwischenfall am Ussuri war ein Grenzkonflikt zwischen der Volksrepublik China und der Sowjetunion (UdSSR), der 1969 auf dem Höhepunkt der chinesisch-sowjetischen Zerwürfnisse in einer Serie von kriegerischen Zusammenstößen gipfelte. Der Streit beschränkte sich nicht allein auf ideologische Fragen. Als Anlass diente der ungeklärte Status über Gebiete, die von der Roten Armee im Sowjetisch-Chinesischen Grenzkrieg 1929 okkupiert wurden. Die schwersten Kämpfe fanden im März 1969 am Ussuri in der Nähe der Insel Zhenbao Dao (Damansky) statt.[1][2]
In der Sowjetunion wurde die Auseinandersetzung verharmlosend als Grenzkonflikt auf der Damansky-Insel bezeichnet. Tatsächlich handelte es sich weder politisch noch militärisch um eine begrenzte Konfrontation. Entlang der Grenze zwischen beiden Ländern im Fernen Osten standen 658.000 chinesische Soldaten 814.000 sowjetischen gegenüber.[3] Daher wird im chinesischen, englischen und teilweise auch im deutschen Sprachraum die sieben Monate andauernde Auseinandersetzung Chinesisch-Sowjetischer Grenzkonflikt (1969) genannt. Die UdSSR bezifferte 59 chinesische und 800 sowjetische Gefallene.[4] Seriöse Verlustangaben liegen von beiden Ländern nicht vor.[5]
Politisch wurde der territoriale Streit erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beigelegt. Im „Ergänzungsabkommen über den östlichen Teil der chinesisch-russischen Grenze zwischen der Volksrepublik China und der Russischen Föderation“ verpflichtete sich Russland 2004 dazu, einige der okkupierten Gebiete an China zurückzugeben. Die Ratifikation des Vertrages erfolgte 2008.[6]
Ursachen
Während der 1960er Jahre hatte sich das politische Klima zwischen Peking und Moskau zunehmend verschlechtert, und es kam entlang der 4.380 km langen chinesisch-sowjetischen Grenze zu Spannungen. Der Grund für die Spannungen waren einerseits ungeklärte Grenzverläufe sowie der Streit zwischen den beiden kommunistischen Parteien (KPdSU und Kommunistische Partei Chinas) um die ideologische Vormachtstellung ihres Landes.
Verlauf

Am 2. März 1969 lieferten sich am Grenzfluss Ussuri Soldaten der sowjetischen Grenztruppen und Angehörige der chinesischen Volksbefreiungsarmee Gefechte, bei denen auf beiden Seiten mehrere Soldaten getötet wurden. Genaue Angaben über die Verluste sind nicht möglich, da beide Seiten behaupten, sie hätten höhere Verluste als die Gegenseite. Ebenso schoben die beiden Länder die Schuld für den Ausbruch der Gefechte dem jeweils Anderen zu. Ausgelöst wurden die Gefechte, als eine sowjetische Militärpatrouille chinesische Soldaten antraf. Anschließend kam es zu ersten Kampfhandlungen. Am 15. März 1969 griff die sowjetische Luftwaffe chinesische Truppen an. Das sowjetische Militär beklagte sich darüber, dass das chinesische Militär Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutze.
Die Sowjetarmee eroberte schließlich die Flussinsel Zhenbao Dao (Russisch: Damansky) mit einer Fläche von 0,74 km². Zhenbao Dao war vom zaristischen Russland annektiert worden, was China aber nie anerkannt hatte. Verhandlungen über deren Status scheiterten bereits 1964. Neben dem Konflikt um die Insel im Ussuri kam es entlang der Grenze noch zu weiteren kleineren Zwischenfällen.
Während der Krise bereiteten sich beide Länder darauf vor, im Falle der Ausweitung des Krieges auch mit Atomwaffen eingreifen zu können. China besaß seit 1964 auch Atombomben, deshalb bestand sieben Jahre nach der Kubakrise bereits wieder die Gefahr eines atomaren Krieges. Schließlich gelang es den beiden Ländern, in Geheimverhandlungen einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Auf dem Weg von Ho Chi Minhs Begräbnis in Hanoi nach Hause besuchte der sowjetische Ministerpräsident Kossygin Peking, und Verhandlungen zur Beilegung der Streitigkeiten begannen.
Der Grenzkonflikt konnte nicht endgültig gelöst werden. Die Situation entspannte sich zwar, beide Länder setzten den Bau von militärischen Verteidigungsanlagen entlang der Grenze jedoch fort. Erst nach dem Ende der Sowjetunion 1991 wurden ernsthafte Bemühungen zur Lösung des ungeklärten Ussuri-Problems unternommen. 1995 erkannte Russland in einem Vertrag Chinas Anspruch auf Zhenbao Dao und einige andere Inseln entlang des Grenzflusses an. Durch die Ratifizierung der beiden Parlamente und die jeweiligen Außenminister trat der Vertrag 2008 in Kraft.
Literartur
- Thomas W. Robinson: The Sino-Soviet border dispute: background, development, and the March 1969 clashes. Rand, 1970.
- Franz Ansprenger, Erik von Groeling: Die Aussenpolitik Chinas. Oldenbourg, 1975.
- Dieter Heinzig: Der sowjetisch-chinesische Grenzkonflikt. Ursachen-Ablauf-Perspektiven. Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien, 1979.
- Yan Shi: Sino-Soviet Border Clashes of 1969 and Its Implications on the Making of U.S. Foreign Policy. Baylor University, 2010.
- Ann-Kathrin Bartels: Analyse und/oder Spekulation? Der sowjetisch-chinesische Konflikt in der westdeutschen Presse am Beispiel des Grenzkonflikts am Ussuri im März 1969. Diplom-Verlag, 2015.
Siehe auch
Weblinks
- Usuri-Konflikt: Zwei Fronten. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1969, S. 127–132 (online).
- Grenzkonflikt: Tolle Hunde. In: Der Spiegel. Nr. 13, 1969, S. 139–142 (online).
- Karte der umstrittenen Gebiete
- Damanski-Zhenbao Website (engl.)
- ↑ Godfrey Baldacchino: Solution Protocols to Festering Island Disputes. Taylor & Francis, 2017, S. 76 f.
- ↑ The Sino-Soviet Border Conflict CAN Analysis an solution 2010, abgerufen am 20. September 2017
- ↑ Dimitri Riabuschkin: Mythen von Damansky. ACT Moskau, 2004, S. 236–264.
- ↑ Ebenda
- ↑ Ebenda
- ↑ Lange Grenze zwischen Russland und China Die Welt vom 23. Juli 2008, abgerufen am 17. September 2017