National befreite Zone
Der von Rechtsextremisten geprägte, euphemisierende Begriff der National befreiten Zone bezeichnet einen Bereich, in dem rechtsextrem motivierte Gewalt das Straßenbild so stark prägt, dass Menschen nichtdeutscher Abstammung, Ausländer und Ausländerinnen, sich als links oder alternativ verstehende Jugendliche und andere von Rechtsextremen als "fremd" und "feindlich" bezeichnete Menschen wie Schwule, Juden, Behinderte, Demokraten, Gewerkschafter sich aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen nicht mehr auf die Straße oder in Einrichtungen wie Clubs, Kneipen, Diskotheken etc. wagen können. So wird faktisch ein rechtsfreier Raum geschaffen und markiert, in dem Rechtsextremisten Macht ausüben und "Feinde" oder Abweichler von der so bestimmten "Normalität" terrorisieren und bestrafen können. Die potentiellen Opfer meiden aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen diese Gebiete oder führen, wenn ein Ausweichen nicht möglich ist, ein sehr stark eingeschränktes Leben. Häufig führen direkte Drohungen auch dazu, dass ein Aufbegehren nicht erfolgt bzw. Anzeigen gegen Straftaten unterlassen werden, aus Furcht vor Repressalien.
In seinem Buch Im Griff der rechten Szene. Ostdeutsche Städte in Angst. beschreibt Burkhard Schröder diese Strategie folgendermaßen:
- "Eine 'befreite Zone' ist kein fest umrissener und geographisch definierter Ort, sondern beschreibt ein bestimmtes Milieu, ein Netz von Verhaltensmustern, das Einstellungen und Ideen nur innerhalb bestimmter Grenzen als 'normal' vorschreibt. Ziel sei es, die normale Alltagskultur und ihre moralischen Normen mit weltanschaulichen Versatzstücken zu infiltrieren: Wer den Staat als 'völkisch' definiert, also 'Kultur' als Schicksalsgemeinschaft und biologisch ansieht, ist dieser Taktik auf den Leim gegangen. Wer meint, Rechte seien 'gegen Ausländer', hat rechtsextreme Gedankenmuster übernommen: Neonazis bezeichnen jeden als 'Ausländer', der 'südländisch' aussieht, auch wenn er oder sie einen deutschen Paß besitzt." ....
"National befreite Zonen", die aus Sicht der demokratischen Öffentlichkeit besser als "Gesetzloser Bereich" oder "Verunsicherungszonen" bezeichnet werden sollten, sind ein Ausdruck der (sub-)kulturellen Dominanz von Rechtsextremen in einigen Gebieten, insbesondere in Ostdeutschland, bei der die rechtsextreme Jugend-Alltagskultur alle anderen Formen der Jugendkultur zu Randerscheinungen macht.
Erstmals wurde der Begriff 1991 in einer Publikation des NPD-nahen rechtsextremen Nationaldemokratischen Hochschulbunds ("Vorderste Front. Zeitschrift für politische Theorie und Strategie", Ausgabe 2 vom Juni 1991) als Strategieansatz verwendet und von dort in der Mitte der 90er Jahre in unterschiedliche Diskussionsforen und Websites der Neonazis wie beispielsweise das Thule-Netz, Stormfront, die Websites von Ernst Zündel und andere übernommen. Das Konzept wird mittlerweile insbesondere von den Freien Kameradschaften und führenden Kräften der NPD propagiert und versucht umzusetzen, was seit ca. 1997 auch an zahlreichen Stellen mindestens zeitweise gelang. Besonders in kleineren Städten in Ostdeutschland wurde diesem Prozess durch das teils bewusste, teils unbewusste Ignorieren rechtsextremer Gewalt gegenüber "Ausländern" und Andersdenkenden und dem Bestreiten von politischer Motivation durch Polizei, Behörden- und Kommunalvertreter sowie Jugend- und SozialarbeiterInnen vielfach Vorschub geleistet. Ursache dieser vordergründigen Ignoranz ist oft die Befürchtung negativer Auswirkungen auf Tourismus und Wirtschaftsförderung. Durch die Wahl zum Unwort des Jahres 2000 wurde der Begriff "national befreite Zone" auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, wobei die Jury den Zynismus dieser Formulierung anprangerte. Darüber hinaus hat es jedoch nicht im größeren Maße zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept und seinen realen Auswirkungen geführt. Der öffentliche Aufruf zur Schaffung „national befreiter Zonen“ wird in Deutschland nach Vorlage:Zitat § StGB als Volksverhetzung strafrechtlich verfolgt.
Siehe auch
Literatur
- Uta Döring: "National befreite Zonen". Zur Entstehung und Karriere eines Kampfbegriffs. In: Andreas Klärner/Michael Kohlstruck (Hg.), Moderner Rechtsextremismus in Deutschland, Hamburger Edition, Hamburg 2006, S. 177-206, ISBN 3-936096-62-7.
- Burkhard Schröder: Im Griff der rechten Szene. Ostdeutsche Städte in Angst. Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 3-499-22125-X.
Weblinks
- Befreite Zonen Artikel beim IDGR
- www.verfassungsschutz-brandenburg.de/ Publikation des Verfassungsschutz Brandenburg (pdf)
- Unwort des Jahres 2000: National befreite Zone Artikel beim Info-Zentrum für Rassimusforschung
- www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/ National befreite Zone – No-Go-Areas