Supraleiter
Ein keramischer Hochtemperatursupraleiter schwebt
auf einem Magnetstreifen - vergrößern
Supraleiter sind Materialien, die beim Unterschreiten einer bestimmten Temperatur fast sprunghaft ihren elektrischen Widerstand verlieren. Die Sprungtemperatur ist materialabhängig. Aufgrund ihres verschwindenden Widerstandes kann sich im Inneren eines Supraleiters bis zu einer kritische Feldstärke kein Magnetfeld ausbilden. Ein von außen angelegtes Magnetfeld induziert sofort einen Kreisstrom, der im Inneren des Supraleiters ein entgegengesetztes Feld aufbaut, welches das äußere kompensiert.
Supraleitung ist auch immer mit der Verdrängung magnetischer Feldlinien aus dem Inneren des Supraleiters verbunden, wenn dieser im Magnetfeld unter die Sprungtemperatur gekühlt wird (Meissner-Ochsenfeld-Effekt). Durch den Effekt kann eine kleine supraleitende Probe im Feld zum Schweben gebracht werden.
Einteilung
Je nach dem Verhalten im Magnetfeld unterscheidet man zwei Typen von Supraleitern.
Supraleiter 1. Art
Magnetische Feldlinien werden in Supraleitern 1. Art bis auf eine dünne Schicht an der Oberfläche vollständig aus dem Inneren verdrängt. Das Magnetfeld nimmt an der Oberfläche des Supraleiters exponentiell ab; das charakteristische Maß der Oberflächenschicht ist die so genannte (Londonsche) Eindringtiefe. Man bezeichnet diesen Zustand auch als Meissner-Phase. Ein Supraleiter 1. Art wird normalleitend, wenn das äußere Magnetfeld einen kritischen Wert überschreitet. Die meisten metallischen Elemente zeigen dieses Verhalten und haben in der Regel eine sehr niedrige Sprungtemperatur im Bereich weniger Kelvin. Beispiele sind Niob, Blei und Aluminium.
Supraleiter 2. Art
Supraleiter 2. Art befinden sich nur bis zu einem unteren kritischen Magnetfeld in der Meissner-Phase, darüber können magnetische Feldlinien in Form so genannter Flussschläuche in das Material eindringen, ehe der supraleitende Zustand bei einem oberen kritischen Magnetfeld vollständig zerstört wird. Der magnetische Fluss in den Flussschläuchen beträgt immer ein ganzzahliges Vielfaches des magnetischen Flussquants. Ein Beispiel für Supraleiter 2. Art sind die so genannten Hochtemperatursupraleiter, deren kompliziertes Kristallgitter durch Kupferoxid-Ebenen bestimmt ist. Zwei wichtige Gruppen sind YBCO (Yttrium-Barium-Kupferoxide) und BSCCO (Wismut-Strontium-Kalzium-Kupferoxide).
Konventionelle Supraleitung
Bei Temperaturen nahe des absoluten Temperaturnullpunkts tritt bei fast allen Metallen und auch vielen anderen Materialen Supraleitung auf.
Diese so genannte klassische Supraleitung wird durch eine Paarbildung von Elektronen (Cooper-Paare) im Supraleiter erzeugt. Bei der normalen elektrischen Leitung entsteht der elektrische Widerstand durch Wechselwirkungen der Elektronen mit Gitterfehlern des Kristallgitters und Gitterschwingungen. Durch die Kopplung der Elektronen im Supraleiter zu Cooper-Paaren wird die Energieabgabe an das Kristallgitter unterdrückt und so der widerstandslose elektrische Stromfluss ermöglicht.
Die vollständige Theorie zur Beschreibung der klassischen Supraleitung beruht auf quantenphysikalischen Effekten (siehe BCS-Theorie). Die beiden einzelnen Elektronen sind Fermionen, die sich zu einem bosonischen Paar zusammenschließen, und dabei einen makroskopischen Quantenzustand einnehmen (vgl. auch Superfluidität).
Hochtemperatursupraleitung
Die Hochtemperatursupraleitung ist ein relativ neues Forschungsgebiet. Keramische Materialien spezieller Zusammensetzung zeigen Supraleitung schon bei relativ hohen Temperaturen (bis zu 143 K = -130 °C).
Bisher ist die Ursache der hohen Sprungtemperaturen nicht bekannt. Nach dem bisherigen Stand der Theorie erscheint jedoch Supraleitung bei Zimmertemperatur (20 °C) kaum möglich zu sein.
Jedoch ist es möglich, diese Supraleiter mit flüssigem Stickstoff relativ billig in die supraleitende Phase zu bringen, da die Siedetemperatur von Stickstoff mit 77 Kelvin (-196 Grad Celsius) unterhalb ihrer Sprungtemperatur liegt.
Anwendungen
Aus supraleitenden Spulen hergestellte Elektromagnete werden genutzt, um hohe Magnetfeldstärken herzustellen. Die wird z.B. bei Teilchenbeschleunigern angewendet, die eine Kreisbahn als Beschleunigerweg haben und daher starke Magnetfelder brauchen, um die beschleunigten Teilchen auf dieser Bahn zu halten.
Die Supraleitung wird weiterhin in der Messtechnik zur Messung extrem kleiner Magnetfelder einsetzt (siehe auch SQUID, Josephson-Effekt).
Geschichte
Bevor Experimente bei Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts durchgeführt werden konnten, gab es verschiedene Theorien, wie sich der elektrische Widerstand in diesem Temperaturbereich verhalten würde, so z.B. dass der Widerstand stark ansteigen würde oder dass er ein bestimmtes Niveau nicht unterschreiten würde.
Der Effekt der Supraleitung wurde erstmals 1911 vom Niederländer Heike Kamerlingh Onnes entdeckt. Er beobachtete, dass Quecksilber unterhalb von 4,19 Kelvin sprungartig seinen elektrischen Widerstand verlor. Obwohl die Quantenmechanik damals noch neu war, postulierte er bereits, dass die Supraleitfähigkeit nur quantenmechanisch erklärt werden könnte.