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Jacques Seligmann

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Jacques Seligmann (* 18. Septemer 1858 in Frankfurt am Main; † 31. Oktober 1923 in New York) war ein Kunsthändler.

Geboren in Frankfurt am Main am 18.9.1858 als Sohn eines Getreide - Zwischenhändlers1 erwarb Seligmann 1874 die französische Staatsbürgerschaft und wechselte bald nach dem deutsch-französischen Krieg nach Paris. Hier arbeitete er hauptsächlich im Versteigerungshaus, dem Hôtel Drouot, als Assistent für den Auktionator Paul Chevallier und den Kunstexperten Charles Mannheim. 1880 eröffnete er sein eigenes Geschäft an der Rue des Mathurins.2 Durch Mannheim, einen Fachmann für mittelalterliche Kunst, kam er in Verbindung mit dem Unternehmer und Sammler Baron Edmond de Rothschild, dem er seine Erwerbungen zeigte. Er legte ein Gespür für verborgene Kostbarkeiten, wie für heimliche konservatorische Eingriffe und Fälschungsversuche an den Tag. Im Jahre 1900 gründete er zusammen mit seinen Brüdern Arnold und Simon die Firma "Jacques Seligmann & Cie", die im selben Jahr zur Place Vendôme übersiedelte. Hier waren die besten Hotels, die feinsten Juweliere, die gewandtesten Schneider. Auf vier geräumigen Etagen konnten Kunden gebührend empfangen werden.

Seligman eröffnete 1904 ein Büro in New York und arbeitete dort seitdem mehrere Wochen jedes Jahres. Seine Reisen führten ihn regelmäßig nach Wien, Rom, Madrid, London und Sankt Petersburg, um neue Kunstobjekte zu erstehen, Kunden zu treffen, Museen zu besichtigen. Zu seinen Abnehmern gehörten der amerikanische Bankier und Financier John Pierpont Morgan, Mitglieder der russischen Stroganoff-Familie, der kunstsinnige britische Politiker und Förderer der Londoner Nationalgalerie Sir Philip Sassoon.

Seligmann galt als "ein ehrlicher Antiquitätenhändler",3 dem prominente Sammler wie der New Yorker Kaufhausbesitzer Benjamin Altman, der Zeitungsverleger William Randolph Hearst, der Industrielle und Erbe einer Eisenbahnlinie Henry Walters, der Champagnerfabrikant George Kessler vertrauten. George Blumenthal, Bankier und siebter Präsident des Metropolitan Museum of Art sowie Joseph Widener, Immobilienerbe und Wohltäter der Nationalgalerie in Washington setzten auf Seligmanns untrüglichen Instinkt, seine Intuition und Sachkenntnis.

Zuerst beschäftigte sich Seligmann hauptsächlich mit Antiquitäten, darunter Porzellan, Emailearbeiten, Elfenbein, Skulpturen. Besonders gefragt waren Wandteppiche und vor allem französische Möbel aus dem 18. Jahrhundert. Pierpont Morgan erstand 1902 einen exquisiten in vergoldetem Silber gearbeiteten Kelch aus dem Besitz des Baron Albert von Oppenheim in Köln. Dazu kam ein kupfervergoldetes Ziborium aus dem Stift Klosterneuburg. Der amerikanische Milliardär bekam 1908 einen silbernen Tabernakel aus der Sammlung des Grafen Arco-Zinneberg in München. Im nächsten Jahr folgte aus Wien oder Augsburg ein goldener, juwelenbesetzter Buchumschlag mit dem Wappen Philipps des Zweiten von Spanien.

1909 erwarb Seligmann für zwei Millionen Dollar einen großen Teil von Sir Richard Wallace's renommierter Sammlung.4 Zu bewundern waren Gemälde von François Boucher, Tizian, Diego Velázquez, Anthonis van Dyck, Antoine Watteau, Jean-Honoré Fragonard, Thomas Gainsborough, William Turner, Clarkson Stanfield, Rembrandt, Rubens und Frans Hals. Dazu kamen Porzellan aus Sèvres und Meißen, historische Waffen sowie die größte Sammlung französischer Kunstmöbel außerhalb von Frankreich.

Seit 1909 empfing Seligmann im Hôtel de Monaco nahe der Esplanade des Invalides neben den führenden Kunstsammlern die Spitzen der internationalen Gesellschaft. Nach einem Streit mit seinem Bruder Arnold führte dieser die Geschäfte an der Place Vendôme unter dem Namen "Arnold Seligmann & Cie" fort, während Jacques die internationalen Verbindungen pflegte und 1912 ein neues Pariser Büro in der Rue de la Paix 9 eröffnete. 1914 bezog er ein neues Büro und eine Galerie auf der New Yorker Fifth Avenue, an der Ecke der 55th Street mit direktem Zugang zur Straße.

Bei Kriegsausbruch 1914 standen alle Handelschaften in Paris still. Im Herbst wurden die Galerien geschlossen und das Hôtel Monaco dem Roten Kreuz überlassen. Der Morning Herald vom 22.1.1917 berichtete über Seligmanns Ankunft in New York mit einem neutralen, spanischen Schiff, voll mit erlesenen französischen Kunstschätzen unter der Überschrift, "Jacques Seligmann hier mit Leinwänden, um den Goldabfluss Frankreichs zu stoppen."5 Geschäfte wurden noch in Goldmark, Gold Pound, Goldsovereign oder Louis d'Or abgewickelt. Nun wurde der Dollar zur Leitwährung.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wuchs das Interesse an der europäischen Kunst in den Vereinigten Staaten. Der Sohn Germain berichtete von einem intensiven Interesse seines Vaters an der Moderne, das bei einem Besuch in der Frankfurter Städtischen Galerie im Staedel zu Tage trat.6 Frau Bertha Palmer in Chicago und Frau Louisine Havemeyer in New York bauten auf Anregung der Malerin Mary Cassatt und mit Hilfe von Seligmann noch vor der Jahrhundertwende wertvolle Sammlungen impressionistische Gemälde auf. Eine Ausstellung von postimpressionistischen Gemälden im Metropolitan Museum im Jahre 1921 zog ein ausgezeichnetes Publikum an, aber auch wüste öffentliche Schmähungen.7

Von Philippe Berthelot, Staatssekretär im französischen Außenministerium, erhielt Seligmann den Auftrag, die riesigen Bestände habsburgischer Gobelins in Wien zu Reparationszwecken zu inventarisieren und Rückstellungen verschleppter italienischer Kunstschätze zu veranlassen.8 Dem Kunsthändler gelang es, sein Gegenüber von dem Plan massenhafter Zwangsverkäufe abzubringen. Im Jahr 1920 wurde sein Sohn Germain Leiter des New Yorker Büros der Firma. Seligmann starb in New York im Oktober 1923.

Die Korrespondenz und handschriftliche Arbeitsunterlagen Seligmanns sind in den Archives of American Arts verwahrt.9 Die London Times rühmte in ihrem Nachruf, Herrn Seligmanns großartigstes Gut sei seine furchtlose Ehrlichkeit gewesen.10

1. Adreßbuch Frankfurt am Main, 1870, S. 302 http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/periodika/periodical/pageview/8696113 2. Germain Seligman, Merchants of Art, 1800-1960, eighty years of professional collecting,New York 1962 https://archive.org/stream/merchantsofart1800seli/merchantsofart1800seli_djvu.txt 3 Charles Bernard, Amédée Peyroux (u.a), La Grimace : satirique, politique, littéraire, théâtrale, Paris 29.4.1917 http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/cb32784054d/date 4. Seligman, Merchants ..., a.a.O., S. 92 https://archive.org/stream/merchantsofart1800seli#page/92/mode/1up 5. Seligman, Merchants ..., a.a.O., S. 110 6. Seligman, Merchants ..., a.a.O., S. 197 7. Seligman, Merchants ..., a.a.O., S. 154 8. Seligman, Merchants ..., a.a.O., S. 113 9. Archives of American Art, Smithsonian Institution https://www.aaa.si.edu/collections/search?edan_q=jacques+seligmann&op=Search 10. The Diaspora, 8.2.1924. The Hebrew Standard of Australasia (Sydney, NSW : 1895 - 1953), p. 16. Retrieved September 16, 2017, from http://nla.gov.au/nla.news-article129360209