Wladimir Jewgrafowitsch Tatlin

Wladimir Jewgrafowitsch Tatlin (russisch Владимир Евграфович Татлин, wiss. Transliteration Vladimir Evgrafovič Tatlin; * 16.jul. / 28. Dezember 1885greg. in Moskau[1], Russisches Kaiserreich; † 31. Mai 1953 in Moskau, Sowjetunion) war ein russischer und sowjetischer Künstler.
Seine Gemälde, insbesondere jedoch seine dreidimensionalen Reliefs, sowie sein Entwurf für ein Monument für die Dritte Internationale zählen zu den wichtigsten Werken der sowjetische Avantgarde.
Biografie
Wladimir Tatlin, der Sohn eines Ingenieurs war, kam in Moskau zur Welt und lebte als Kind in Charkow.[2]
Mit 14 Jahren riss er von Zuhause aus und war zwei Jahre als Schiffsjunge auf einem Dampfer unterwegs. Er besuchte als Matrose Frankreich, Syrien, die Türkei und Marokko.[3]
1902 besuchte er die Pensaer Kunstschule.[3] 1907–1908 besuchte er den Kunstunterricht bei Michail Larionow.[3] Um 1909 studierte er am Institut für Malerei, Plastik und Architektur in Moskau, wo er eine Ateliergemeinschaft mit Alexander Wesnin hatte.
1911 lernte er Kasimir Malewitsch kennen.[3] 1911–12 nahm er an von Michail Larionow veranstalteten Ausstellungen teil.[3] 1913 nahm er an einer Ausstellung der Künstlergruppe Karo-Bube teil.[3] Er besuchte Berlin und Paris, wo er Picasso traf.[3] 1914 unternahm er mehrere Seereisen.[3]
1914 zeigte er auf der Ausstellung „Moskauer Künstler für die Opfer des Krieges“ vermutlich das erste Mal eine seiner „Relief-Bilder“ aus Eisen, Stachendraht, Pappe und Email.[4] 1915 beteiligte er sich an der von Iwan Puni organisierten Ausstellung „Erste futuristische Bilderausstellung Tramway W“ mit seinen Konterreliefs, wovon er eines für die damals enorme Summe von 3000 Rubeln an den Kunstsammler Sergei Schukin verkaufen konnte.[4] 1915–16 stellte er auf der „0,10“ in Petrograd aus.[3]
1916 organisierte er mit Bruni und Tolstaja auf der Ausstellung „Magazin“ aus.[3][4] Auf dieser Ausstellung werden erstmals Bilder Alexander Rodtschenkos gezeigt. Malewitschs Gemälde wurden von Tatlin zurückgeweisen.[5]
1917 arbeitet er mit Alexander Rodtschenko und Georgi Jakulow an der Ausstattung des „Café Pittoresque“ in Moskau. Tatlin war Leiter des IZO (der Sektion für Bildende Künste) des NARKOMPROS (Volkskommissariat für Bildungswesen).
1919–20 arbeitet er an dem Entwurf für das Monument für die Dritte Internationale. Das Monument, welches nie über die Planungsphase hinausging, wäre technisch sehr wahrscheinlich nicht umsetzbar gewesen.[6] Das Modell des Turmes wurde jedoch bei der Feier des 3. Komintern-Kongresses in Moskau aufgestellt.[3]
1922 nimmt er an der Ersten Russischen Kunstausstellung 1922 in der Galerie Van Diemen in Berlin teil.[3] Tatlin war Professor am Institut für künstlerische Kulturen in Petrograd.[3] 1924 fertigte er auch Kleidung und einen Ofen.[3] 1925–27 war er Direktor der Abteilung von Teakino (Theaterfilm) des Kunstinstitutes von Kiew.
1927 kehrt er nach Moskau zurück und lehrt an der WChUTEIN.[3] Um 1930 arbeitet er an einer von Menschenkraft betriebenen Flugmaschine mit dem Namen „Letatlin“.[3] 1933–52 fertigte er verschiedene Bühnenbilder und beschäftigte sich mit der Konstruktion von Segelflugzeugen.[3]
Werk

Tatlins Werk zeichnet sich durch die den Kubisten und Futuristen eigene Expressivität aus. So sollten sich die Dynamik der Revolution und des Aufbruches in den Arbeiten wiederfinden.
Im Besonderen trat Tatlin als Begründer der Maschinenkunst hervor, welche die Ästhetik der Technik betonte, um sich besonders von einem romantisch bürgerlichen Kunstverständnis abzugrenzen. „Die Kunst ist tot. Es lebe die neue Maschinenkunst Tatlins“ – so stand es im Juni 1920 auf einem Schild anlässlich der Dada Ausstellung Erste Internationale Dada-Messe. Allerdings, Tatlin wollte ästhetisch sinnvolle Maschinen, keine Maschinen-Kunst, wie die Dadaisten glaubten. [7] Tatlins Arbeiten stehen auch für Begriffe wie Dynamik, Schwerelosigkeit, Transparenz, Kraft und Konstruktion. Besonders sein 400 m hohes Turmprojekt Monument der Dritten Internationale, aber auch die Flugmaschine Letatlin zeugen von seinem Anliegen.
Der so genannte Tatlin-Turm sollte eine gigantische Maschine werden, die Konferenzräume, Aufzüge, eine Treppe und einen Radiosender beherbergen und deren Säule im Inneren sich nach den Gestirnen ausrichten können sollte. Das ehrgeizige Architekturprojekt wurde aus Kostengründen nicht gebaut, gilt aber bis heute als architekturhistorischer Meilenstein.
Literatur
- G. Davenport: Tatlin. New York 1974.
- Wladimir Tatlin – Kunst und Technik: Die Utopie des Fortschritts. In: Markus Stegmann: Architektonische Skulptur im 20. Jahrhundert. Historische Aspekte und Werkstrukturen, Tübingen 1995, Seite 74-83.
- Simon Baier, Gian Casper (Hrsg.): Tatlin. New Art for a New World. Hatje Cantz, Ostfildern 2012, ISBN 978-3-7757-3363-2.
Einzelnachweise
- ↑ Evgueny Kovtun: Russische Avant Garde. Parkstone Press Ltd, 2014, ISBN 1-78310-342-6.
- ↑ Три яскраві епізоди з творчого життя Володимира Татліна – засновника конструктивізму. Бібліотека українського мистецтва, abgerufen am 12. November 2016 (ukrainisch).
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q Tendenzen der Zwanziger Jahre. 15. Europäische Kunstausstellung Berlin 1977. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1977, S. B/65.
- ↑ a b c Wassilij Rakitin: Handwerker und Prophet. Tatlin und Malewitsch – Marginalien zweier Künstlerbiographien. In: Die große Utopie. Die russische Avantgarde 1915–1932. Schirn Kunsthalle, Frankfurt 1992, S. 18–31.
- ↑ Tendenzen der Zwanziger Jahre. 15. Europäische Kunstausstellung Berlin 1977. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1977, S. 1/46.
- ↑ Franz Gruber: Tatlins unmöglicher Turm. 3D Rekonstruktion aus Bildern schlechter Qualität. Universität für angewandte Kunst, Wien.
- ↑ Hans-Peter Riese: Rettet das Individuum FAZ, 24. September 1995
Weblinks
- Literatur von und über Wladimir Jewgrafowitsch Tatlin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Tatlin – neue Kunst für eine neue Welt
- Letatlin und andere Werke
Personendaten | |
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NAME | Tatlin, Wladimir Jewgrafowitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Владимир Евграфович Татлин |
KURZBESCHREIBUNG | russischer Maler |
GEBURTSDATUM | 28. Dezember 1885 |
GEBURTSORT | Moskau |
STERBEDATUM | 31. Mai 1953 |
STERBEORT | Moskau |
- Bildhauer (Russland)
- Maler (Russland)
- Künstler des Kubismus
- Künstler des Futurismus
- Künstler des Dadaismus
- Künstler des Konstruktivismus
- Künstler des Suprematismus
- Architekt des Konstruktivismus
- Hochschullehrer (Nationale Akademie der Bildenden Künste und Architektur Kiew)
- Russe
- Sowjetbürger
- Geboren 1885
- Gestorben 1953
- Mann