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Geschichte Argentiniens

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Inka-Reich

Die heute zu Argentinien gehörenden Gebiete waren vor der Kolonialisierung durch Spanien relativ dünn besiedelt. Man nimmt an, dass die "Entdeckung" des Gebietes durch den Menschen etwa 10000 v.Chr. erfolgte, einige umstrittene Forschungen liefern allerdings Anhaltspunkte, dass das Gebiet schon 20000 v.Chr. besiedelt war, wobei noch nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob sie über Nordamerika oder durch polynesische Seefahrer-Völker erfolgte, wie einige Forscher annehmen.

Besonders die Stämme, die im Pampa-Raum lebten (Querandíes, Tehuelches) waren bis zum Eintreffen der Spanier nicht seßhaft und besaßen auch keine nennenswert entwickelte Technologie. Anders die Stämme im Nordwesten des Landes, die etwa ab dem frühen Mittelalter Land- und Viehwirtschaft praktizierten und vor allem auf dem Gebiet der Architektur weit fortgeschritten waren. Die Befestigungsanlagen von Quilmes in der Provinz Tucumán sind ein Zeugnis dafür. Im 13. und 14. Jahrhundert expandierte das Inka-Reich stark nach Süden und umfasste um 1450 weite Teile des Nordwestens Argentiniens, die maximale Ausdehnung des Reiches betrug bis in den Norden der heutigen Provinz Mendoza. Viele der Stämme dieser Region, wie die Kollas der Puna-Hochebene, übernahmen die Sprache (das Quechua) und die Technologie der Inkas. Die im Nord-Westen Argentiniens lebenden Diaguitá hatten dem expandierenden Inka-Reich lange widerstanden. Die Guaraní und ihre Verwandten (Chiriguano, Mbya und Chané) lebten weiter östlich im Gran Chaco und im heutigen Misiones und wurden vom Inka-Reich nicht erfasst.

spanische Kolonie

Die Europäer erreichten diese Region mit der Reise Amerigo Vespucci 1502. Der spanische Seefahrer Juan Diaz de Solís besuchte das heutige Argentinien im Jahre 1516. Spanien etablierte eine permantente Kolonie um Buenos Aires 1580, obwohl die anfängliche Besiedelung urprünglich über das Festland von Perú her vorsich ging.

Vizekönigreich Neuspanien und Vizekönigreich Peru

Vizekönigreich Neuspanien

Nachdem Spanien seinen amerikanischen Einfluss um etwa 1540 sichergestellt hatte, wurde das spanische Lateinamerika durch zwei Vizekönigreiche verwaltet: Das Vizekönigreich Neuspanien, welches Teile der heutigen USA, Mittelamerika und die Karibik umfasste, und das Vizekönigreich Peru, welches Südamerika mit Ausnahme der portugiesischen Einflusssphäre einschloss.

Vizekönigreich Peru

Von letzterem wurde 1717 das Vizekönigreich Neugrenada im nördlichen Südamerika und 1776 das Vizekönigreich des Río de la Plata im südlichen Südamerika abgespalten, welches neben Argentinien noch das heutige Bolivien, Paraguay und Uruguay umfasste.

Bildung eines Nationalstaates

Inspiriert durch die Französische Revolution und den erfolgreichen Unabhängigkeitskrieg der USA griffen liberale Ideen auch auf Lateinamerika über.

Die am 25. Mai 1810 in Buenos Aires erklärte Unabhängigkeit hatte nur lokale Wirkung; viele Landesteile am Río de la Plata suchten eigene Wege. 1811 spaltete Paraguay sich ab.

Militärische Erfolge durch José de San Martín und Simón de Bolívar in den Jahren 1814 bis 1817 änderten jedoch die Situation derart, dass sich das restliche Vizekönigreich des Río de la Plata am 9. Juli 1816 für unabhängig erklärte.

Es folgten Jahre turbulenter innenpolitischer Auseinandersetzungen, während derer sich Bolivien 1825 und Uruguay 1828 abspalteten. Zur selben Zeit flammte der Konflikt auf zwischen den sogenannten Unitariern, die einen auf Buenos Aires konzentrierten Zentralstaat favorisierten, und den Föderalisten, die die Unabhängigkeit der einzelnen Provinzen erhalten wollten. Zwischen 1827 und 1852 waren die Provinzen voneinander unabhängig, die Provinz Buenos Aires hatte jedoch wegen ihrer starken Handelsmacht eine Vormachtstellung inne.

Auf die Jahre der Befreiung folgte eine konservative und föderalistische Gegenbewegung unter Juan Manuel de Rosas von 1829 bis 1852, während der liberale Politiker ins Exil gezwungen wurden.

Rosas Diktatur endete durch einen Umsturz unter General Justo José de Urquiza, der von Uruguay und Brasilien unterstützt wurde. 1853 wurde von den Provinzen eine republikanische Verfassung verabschiedet, die Buenos Aires nicht anerkannte.

1859 endeten die Auseinandersetzungen militärisch, mit folgender Einheit Argentiniens. Der liberale Politiker Bartolomé Mitre wurde 1862 von der Nationalversammlung zum Präsident gewählt. Ihm folgte 1868 Domingo Faustino Sarmiento.

1869 wurde unter Sarmiento die erste nationale Volkszählung durchgeführt. Argentinien hatte demnach zu dieser Zeit 1.836.490 Einwohner, davon lebten 31% in der Provinz Buenos Aires. 8% der gesamten Bevölkerung waren Europäer (im Sinne von "nicht argentinische Staatsbürger"). Nur noch 5% waren Indios. 71% der Bevölkerung waren Analphabeten und weniger als 17% der 300.000 Wahlberechtigten konnte schreiben.

In diese Zeit fällt der blutige Drei-Allianzen Krieg (1865 - 1870) zwischen dem siegreichen Argentinien, Brasilien und Uruguay gegen Paraguay. Im folgenden Jahrzehnt wurde die Pampas durch General Julio Roca vollständig unterworfen, der nach seinem Sieg 1880 zum Präsidenten gewählt wurde. Im selben Jahr wurde Buenos Aires offiziell zur Hauptstadt Argentiniens erklärt.

Die konservative Scheindemokratie

Die Jahre von 1880 bis 1929 brachten Argentinien wirtschaftlichen Aufschwung und verstärkte Einwanderung, hauptsächlich aus Europa. Diese wurde von einem Gesetz von Rocas Vorgänger Nicolás Avellaneda stimuliert, das die Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung stark vereinfachte. Die Wirtschaft war stark auf den Export von Rohstoffen und den Import von Industrieprodukten eingestellt. Diese Periode endete mit der Weltwirtschaftskrise.

Die Regierung Roca und die folgenden Regierungen waren oligarchisch ausgerichtet, mit großem Einfluss der Großgrundbesitzer. Dem Gros der Bevölkerung wurde durch ein ausgeklügeltes Wahlbetrugs-System die politischen Rechte vorenthalten, auch die Einwanderer hatten kein Stimmrecht. Nur wer der Oberklasse angehörte oder mit der Regierung kollaborierte, durfte wählen. Aus Unmut über diese Verhältnisse wurde Mitte der 80er Jahre eine Gegenbewegung gegründet, die Unión Cívica (Bürgerunion). Sie machte ab 1890 durch gewaltsame Aufstände auf sich aufmerksam und erlangte trotz des erbitterten Widerstands der Oligarchen einige Zugeständnisse.

Nationalistische Ideen wurden seit 1900 populär. Sie orientierten sich eher an Europa denn an den USA.

Die Einwanderer organisierten sich derweil in solidarischen Gemeinschaften, die den Grundstein für die späteren Gewerkschaften bildeten. 1901 wurde ein anarchistisch orientierter gewerkschaftlicher Dachverband, die FORA, gegründet, der gemeinsam mit der Unión Cívica und der sozialistischen Partei die Opposition bildeten. Die FORA und die Sozialisten wurden von der Regierungen brutal verfolgt, nur die Unión Cívica konnte Achtungserfolge erlangen. 1912 wurde auf Drängen der Opposition der Präsident Roque Sáenz Peña dazu gezwungen, die Wahlpflicht einzuführen, die den vorherigen Wahlbetrugs-Mechanismus unmöglich machte.


Einführung der Demokratie

1916 löste die Radikale Partei unter Hipólito Yrigoyen, eine Abspaltung der Unión Cívica, die bestehende Regierung ab. Dieser Machtwechsel wurde möglich gemacht durch die Reform des Wahlgesetzes im Jahre 1912.

Yrigoyen und sein Nachfolger Marcelo T. de Alvear (1924-28) versuchten, eine Politik des nationalen Konsens zu führen. Mit den Gewerkschaften wurden Verhandlungen aufgenommen, ebenfalls mit der Studentenbewegung, die 1918 in Córdoba die Reform der verkrusteten Universitätshierarchien forderten. Dennoch kam es weiterhin zu blutigen Arbeitskämpfen in Buenos Aires (1919) und in Patagonien (1921-22).

1928 wurde Yrigoyen erneut zum Präsidenten gewählt. Mit der Weltwirtschaftskrise erhielt die konservative Oppositionsbewegung allerdings wieder Zulauf, Plände für einen Staatsstreich wurden geschmiedet.

Weltwirtschaftskrise

1930 wurde Yrigoyen von einem Militärputsch gestürzt. Der konservative General José Félix Uriburu machte sich daran, die alte Ordnung wiederherzustellen. Dennoch sollte das demokratische System beibehalten werden. 1932 kam es zu Wahlen, aus denen Agustín Justo als Sieger hervorging. Besonders in der Provinz Buenos Aires war es jedoch zum ersten Mal zum sogenannten patriotischen Wahlbetrug gekommen, der in den folgenden Jahren die Kontinuität der konservativen Regierungen absicherte.

Der Zusammenbruch des internationalen Handels führte zum Beginn der so genannten 'Import-Ersatz-Industrialisierung' mit Aufbau von Industrie und stärkerer wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Gleichzeitig bestand ein Klima der politischen Auseinandersetzung zwischen rechten, faschistischen und linken, radikalen Parteien. Die Politik Argentiniens war in dieser Zeit durch rechtsgerichtete und militärische Regierungen geprägt. Demokratie existierte nur auf dem Papier, Wahlbetrug war an der Tagesordnung, so dass die 30er Jahre in Argentinien unter dem Namen década infame (deutsch: berüchtigtes Jahrzehnt) bekannt sind. Der 1938 zum Präsidenten gewählte Roberto Ortiz bemühte sich um die Stärkung der Demokratie, scheiterte damit jedoch und wurde 1942 nach seinem Rücktritt von dem erzkonservativen Ramón Castillo ersetzt, der die alte Wahlbetrugspolitik wieder herstellte, damit aber immer mehr auf den Unmut der Bevölkerung und auch des Militärs stiess, vor allem wegen seiner Poltik der Unterstützung der Allierten im 2. Weltkrieg, die von einer neuen Gruppe pro-faschistischer Generäle in Frage gestellt wurde.

Zweiter Weltkrieg

Ramón Castillo wurde 1943 durch einen Putsch entmachtet, es folgte eine Übergangsphase bis 1946, in der das Militär die Macht ergriff. Argentinien war im Zweiten Weltkrieg offiziell neutral, sympathisierte mit den Achsenmächten, und unterstützte gegen Kriegsende die Alliierten. In der Zeit gelang es dem jungen Offizier Juan Perón, sich trickreich an die Macht zu manövrieren: Er belegte unter den Miltärs das Arbeitsministerium und wurde wegen seiner weitreichenden Zugeständnisse an die Gewerkschaften schnell zu einem Volksheld in der Arbeiterklasse. Als sich 1945 eine demokratische Oppositionsbewegung gegen die Militärs bildete, versuchten diese, den sozialen Frieden wieder herzustellen, indem sie Perón entliessen und verhafteten. Doch als die Oppositionsbewegung weiterhin für einen demokratischen Umschwung demonstrierte und die Lage unhaltbar wurde, entschieden sich die Militärs für das kleinere Übel und montierten eine Propaganda-Kampagne für Perón, um die Opposition abzuwürgen. Die Arbeiterklasse sprang auf diese Kampagne auf und demonstrierte in einer Massenveranstaltung für dessen Freilassung. Nachdem Perón freigekommen war, nutzte er seine Popularität und sorgte für die Ausrichtung von freien Wahlen.

Peronismus

Juan Perón gewann die Wahlen 1946 mit nur geringem Vorsprung, dominierte jedoch mit seiner Frau Eva Perón (genannt Evita, † 1952) das politische Leben bis 1955. Teil der peronistischen Politik war die Nationalisierung wichtiger Industriezweige und die Ausweitung des Importsubstitutions-Modells auf die Konsumgüterindustrie. Perón setzte 1949 eine Verfassungsänderung durch, die ihm eine zweite Präsidentschaft erlaubte. Seine Regierungszeit kann man als Mischung aus Demokratie und Diktatur bezeichnen: Andere Parteien waren zwar zugelassen und es gab freie Wahlen, doch die Medien sowie die Gewerkschaftsbewegung unterlagen der Kontrolle durch Perón und seinen Parteiapparat. Personenkult und nationalistische Propaganda waren wichtige Pfeiler von Peróns Herrschaft. Dennoch erlebte Argentinien vor allem in seiner ersten Regierungszeit eine wirtschaftliche Blütezeit mit einem Wohlstandsniveau, das später nie wieder erreicht wurde. Aus dieser Zeit stammt der Ausspruch Peróns, von dem, was eine argentinische Familie in den Müll wirft, könnten fünf europäische Familien überleben.

Die Konservativen beobachteten Perón mit Misstrauen und schmiedeten in der zweiten Präsidentschaft Peróns Pläne für den gewaltsamen Umsturz. Es entstand eine breite konservativ-liberale Oppositionsbewegung, die vor allem von der alten Großgrundbesitzer-Oligarchie, aber auch von Teilen der Gewerkschaften und später auch der katholischen Kirche unterstützt wurde. Wirtschaftliche Probleme führten dazu, dass diese Bewegung auch von einem Teil der Mittelschicht und der Industriellen unterstützt wurden, doch die Arbeiterklasse blieb Perón treu.

Putsch und Instabilität

Ein Militärputsch unter Führung von Eduardo Lonardi, bei dem etwa 4.000 Menschen umkamen, beendete 1955 Peróns Regierung. Doch auch nach seiner Entmachtung blieb Perón bei den Massen beliebt und aus dem Exil heraus einflussreich.

In den folgenden Jahren prägte der Konflikt zwischen drei Interessengemeinschaften die Politik: Die Nationalpopulisten wollten die Wirtschaftspolitik der Peronisten nur wenig reformieren und weiterhin auf eine Industrialisierung auf Basis von argentinischem Kapital setzen. Die Entwicklungspolitiker wollten den Industrialisierungsprozess auf Zwischenprodukte und langlebige Konsumgüter wie Autos ausweiten, also auf Sektoren, die von ausländischem Kapital bestimmt waren. Die Liberalen, die vor allem von der Großgrundbesitzer-Bourgeoisie unterstützt wurden, wollten dagegen ineffiziente Industrien abschaffen und stattdessen auf den freien Handel setzen.

Lonardi wurde noch im Jahr 1955 von Pedro Aramburu abgelöst, der die Verfassung von 1853 wieder einsetzte. Bei den Wahlen 1956 gewann Ricardo Balbín (Radikale Partei) die Mehrheit; allerdings gab es 25% leere Stimmzettel, zu deren Abgabe die verbotene Peronistische Partei aufgerufen hatte. Das neu gewählte Parlament bestätigte die wieder eingesetzte Verfassung von 1853. Wahlen im Februar 1958 brachten den der Entwicklungspolitiker-Fraktion angehörige Arturo Frondizi von der UCRI, Unión Cívica Radical Intransigente (Unversöhnliche Radikale Bürgerunion), einer linksbürgerlichen Fraktion der alten UCR, Unión Cívica Radical (Radikale Bürgerunion), mit Unterstützung durch einen Teil der Peronisten, Politikern verschiedener Provinzparteien bis hin zu den Kommunisten an die Regierung.

Frondizis Regierung endete 1962 durch das Militär, das ihm peronistische Sympathien vorwarf. Es bestimmte José María Guido, den Vorsitzenden des Senats, zu seinem Nachfolger. Frondizi wurde auf der Insel Martín García interniert. Die folgenden Wahlen vom Juli 1963, an denen Peronisten und Kommunisten nicht teilnehmen durften, gewann der erklärte Nicht-Peronist Arturo H. Illia von der UCRP, Unión Cívica Radical del Pueblo (Radikale Bürgerunion des Volkes), der allerdings den nationalpopulistischen Ansatz vertrat und eine Rückkehr zur Politik der Peronisten versuchte, allerdings unter striktem Ausschluss der peronistischen Bewegung. Die UCRP erreichte zwar die Mehrheit der Stimmen, was jedoch trotzdem nur einen Anteil von ca. 25 % der insgesamt abgegebenen Stimmen entsprach. Die UCRI des gestürzten Präsidenten Frondizi erreichte mit 16 % den dritten Platz. Etwa 40% der abgegebenen Stimmen verteilten sich auf 47 weitere Parteien.

Erfolge der Peronisten in Regionalwahlen und Nachwahlen 1965 sowie Arbeiterunruhen führten zu einem erneuten Putsch im Juni 1966. Der konservative Militär Juan Carlos Onganía richtete eine Diktatur ein, die von "Experten" geleitet werden sollte. Die Regierung Onganía setzte weiterhin auf den entwicklungspolitischen Ansatz und weitete die Industrialisierung weiter aus. Die Opposition und vor allem die Gewerkschafter, die nicht kollaborierten, wurde allerdings brutal verfolgt. Dennoch war der eigentliche Machthaber in dieser Zeit der peronistische Gewerkschaftsführer Augusto Vandor, auch el lobo (der Wolf) genannt, der durch geschicktes Taktieren und Verhandlungen mit der Regierung weitgehende Zugeständnisse erlangte, jedoch seine Macht auch zur eigenen Bereicherung nutzte, was wiederum den Zorn innerhalb der Gewerkschaften hervorrief und die offizielle Gewerkschaftsvereinigung CGT in zwei Flügel spaltete. 1969 wurde Vandor von rechtsgerichteten Terroristen ermordet.

Im selben Jahr kam es zu Unruhen in Córdoba (Cordobazo) und Rosario (Rosariazo), die Onganía die Präsidentschaft kosteten. Nachfolger wurde Roberto Levingston, der sich als Vorbereiter eines demokratischen Umschwungs sah, aber schon 1971 erneut nach Unruhen in Córdoba (Viborazo) den Hut nehmen musste. In der gesamten Epoche erlebten verschiedene Guerilla-Organisationen regen Zulauf, die von einem Teil der Studentenbewegung unterstützt wurden. Die Montoneros, die größte von ihnen, war peronistisch, während andere wie das Ejército de Liberación Nacional (ELN) und das Ejército Revolucionario del Pueblo (ERP) kommunistisch orientiert waren. Besonders die ERP stach durch ihre sozialen Aktivitäten (z.B. Essensabgabe in Slums) hervor, was sie in der Bevölkerung und bei den Studenten sehr beliebt machte.

Der letzte vom Militär ernannten Präsidenten, Alejandro Lanusse, bereitete seit seinem Amtsantritt 1971 die Wiederherstellung der Demokratie vor. Proteste und Gewalt sowie ein ständiges Taktieren zwischen dem im Exil lebenden Perón und Lanusse prägten die Jahre 1972 und 1973. Die Wahl vom März 1973 gewannen die Peronisten mit Héctor José Cámpora als Präsidentschaftskandidaten, der jedoch im Wahlkampf schon darauf aufmerksam machte, dass er im Fall einer Rückkehr Peróns ihm den Platz frei machen würde.

Nach eskalierendem Terror von Rechts und von Links und Peróns Rückkehr trat Cámpora zurück und ermöglichte Peróns erneute Präsidentschaft. Perón fuhr in dieser Zeit jedoch einen harten Rechtskurs und verfolgte Opositionelle gnadenlos, vor allem Kommunisten und Sozialisten. Die wirtschaftlichen Probleme konnte er nicht lösen. Nach Peróns Tod im Juli 1974 folgte ihm Isabel Perón, seine dritte Ehefrau, im Amt. Ihre Regierungszeit war von wirtschaftlichem Niedergang und erneutem Terrorismus geprägt. Die schon unter Perón gegründete halbstaatliche Terrorbrigade Alianza Anticomunista Argentina (AAA) sorgte für die ersten so genannten Verschwundenen und ermordete mehrere Opositionelle und Aktivisten der Linken.

Militärdiktatur und Staatsterror

Im März 1976 übernahm das Militär unter Jorge Rafael Videla erneut die Regierungsgewalt, unterstützt von der Fraktion der Liberalen, die angesichts der Wirtschaftskrise ihre Stunde gekommen sahen. Der sogenannte "Prozess der Nationalen Reoganisation" sollte die als "krank" betrachtete argentinische Gesellschaft wieder zu konservativen Idealen bekehren. Eine Demokratisierung kam für die Militärs erst nach einem erfolgreichen Abschluss dieses "Prozesses" in Betracht.

Terror und Gegenterror sowie der vom Wirtschaftsminister Martinez de Hoz initiierte vollkommen erfolglose Aufbruch in den Neoliberalismus, der einem nationalen Ausverkauf gleichkam und 40% der argentinischen Industrie zerstörte, prägte die folgenden Jahre. In der Kampagne der Militärregierung gegen ihre politischen Gegner, insbesondere gegen die Montoneros, wurden nach Angaben der Argentinischen Kommission für Menschenrechte nachweisbar etwa 2.300 Menschen ermordet und 10.000 verhaftet. Zwischen 20.000 und 30.000 Menschen, Desaparecidos genannt, verschwanden in dieser Zeit spurlos. Die Mütter des Plaza de Mayo verlangen seit 1977 erfolglos die Aufklärung dieser Verbrechen.

Videlas Nachfolger Roberto Viola (März 1981) und Leopoldo Galtieri (Dezember 1981) vermochten das Land nicht aus der schweren Wirtschaftskrise zu befreien. Der Versuch, Argentinien durch die Besetzung der Islas Malvinas (Falklandinseln) im April 1982 zu mobilisieren, versagte aufgrund des britischen Sieges im Falklandkrieg im Juni 1982. Galtieri wurde daraufhin durch Reynaldo Bignone abgelöst, der nach Massenprotesten gegen die Diktatur die Demokratisierung einleitete.

Demokratisierung

Hoch verschuldet und wirtschaftlich angeschlagen wählte Argentinien im Oktober 1983 Raúl Alfonsín von der Unión Cívica Radical zum Präsidenten. Alfonsín führte Militärreformen ein, bekam die Wirtschaftsprobleme aber nicht unter Kontrolle. 1985 wurde die Währung reformiert und der Austral eingeführt, begleitet von einer schockartigen Sparpolitik, verbunden mit einem allgemeinen Lohn- und Preisstopp. Ab 1987 verschärfte sich jedoch die Inflation erneut. Im Jahr 1989 kam es trotz zahlreicher wirtschaftlicher Notprogramme zur Hyperinflation, der Dollarkurs stieg auf mehrere Hundert Australes, und die Armutsrate vervielfältigte sich, bis sie bei 48 Prozent einen vorläufigen Rekord erreichte.

Die Peronisten gewannen die Wahl vom Mai 1989 in dieser krisenhaften Situation mit Carlos Menem, der zunächst eine Rückkehr zu peronistischen Umverteilungs-Idealen versuchte, schnell jedoch auf einen strikt neoliberalen Kurs umschwang. Aber erst 1991 konnte mit Hilfe des sogenannten Plan de Convertibilidad des neuen Wirtschaftsministers Domingo Cavallo die Inflation effizient bekämpft werden. Cavallo führte einen festen Dollarkurs von 10.000 Australes pro US-Dollar ein. 1992 wurde der Austral durch den Argentinischen Peso abgelöst, der 10.000 Australes und somit genau einen Dollar wert war. Im Rahmen des Konvertibilitätsplans wurde jedem Peso ein Dollar als Rückhalt in den Reserven einprogrammiert, was bedeutete, dass man unter Garantie des Staates jederzeit Pesos in Dollar im Verhältins 1:1 umtauschen konnte. Die - allerdings teilweise schlecht organisierte - Privatisierung von Staatsbetrieben sowie eine Restrukturierung der Staatsschulden führten zu einer kurzzeitigen Erholung. Meist ausländische Investoren erwarben die argentinischen Staatsbetriebe und andere marode Firmen und strukturierten sie um, was in vielen Fällen allerdings auch Massenentlassungen zur Folge hatte.

Nach einer breit getragenen Verfassungsreform gewann Menem 1995 ein zweites Präsidentschaftsmandat. Im selben Jahr schwabte die 1994 begonnene Tequila-Krise aus Mexiko über und sorgte zum ersten Mal seit 1990 wieder für eine Rezession. Die Dollar-Parität führte langsam zu einer Überbewertung des Peso. So wies der Big Mac Index des Economist eine Überbewertung des Peso um ca. 20% aus. Viele Betriebe mussten wegen der erdrückenden Konkurrenz von Billigimporten aus Asien schließen, die Arbeitslosigkeit erreichte Rekordhöhen. Dennoch wurde die Dollarparität zunächst beibehalten und die Wirtschaft erholte sich trotz der negativen Effekte durch die Asien-, Rußland- und Brasilien-Krise bis 1998 wieder leicht.

Wirtschaftskrise

Ab Ende 1998 befand sich Argentinien in einer tiefen deflationären Wirtschaftskrise. 1999 schöpfte die Bevölkerung Hoffnung durch die Wahl Fernando de la Rúas zum argentinischen Präsidenten. De la Rúa trat mit einer mitte-links Koalition an und konnte die peronistische Regierung ablösen. Allerdings führte der richtungslose Kurs der Regierung unter De la Rúa und Streitereien innerhalb der Koalition zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation. Der Wirtschaftsminister wechselte mehrere Male bis De la Rúa mit Domingo Cavallo einen ehemaligen Peronisten und den Vater der 1:1-Bindung an den US-Dollar als Wirtschaftsminister in die Regierung holte. Dieser fühlte sich Ende 2001 genötigt alle Bankkonten einzufrieren, was einen Sturm der Empörung in der Bevölkerung auslöste der seinen Ausdruck vor allem in den so genannten Cacerolazos (gemeinschaftliches lautes Schlagen mit einem Kochlöffel auf einen Kochtopf) fand. Darüber hinaus gab es Ende 2001 massenweise Plünderung in und um Buenos Aires durch Arbeitslose und so genannte Piqueteros. (Piqueteros sind organisierte Arbeitslose, die durch so genannte Piquetes (Straßen- und Firmenblockaden) auf ihre Situation aufmerksam machen wollen.) De la Rúa trat schließlich am 21. Dezember 2001 von seinem Amt zurück, nachdem in den Tagen zuvor mehr als 25 Menschen in gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei ums Leben kamen. Die daraufhin folgende Regierungen unter Adolfo Rodríguez Saás erklärte schließlich den Staatsbankrott, doch nach fünf Tagen trat auch er infolge des Widerstands aus der eigenen, peronistischen Partei zurück. Sein Nachfolger Eduardo Duhalde, dem eher konservativen Menemistischen Flügel der Peronisten angehörig, wertete dann die Währung weitgehend unkontrolliert ab, so dass diese zeitweise auf unter 25% ihres vorherigen Wertes fiel.

Ein weiterer Höhepunkt der Wirtschaftskrise war die erste Jahreshälfte 2002, in der die Arbeitslosigkeit und die Armutsrate auf Rekordhöhen stiegen. Die Unzufriedenheit mit der Situation führte vor allem bei den unterprivilegierten Schichten (Arbeitslosen) und dem Mittelstand zu häufigen Demonstrationen.

Seit Mitte 2002 stabilisierte sich die Situation jedoch langsam, und seit Ende des gleichen Jahres konnte wieder ein Wirtschaftswachstum verbucht werden. Im Mai 2003 wurde nach einer sehr chaotisch verlaufenden Präsidentschaftswahl Néstor Kirchner zum neuen Staatsoberhaupt gewählt. Er gehört eher zum linken Flügel der peronistischen Partei an. Trotz seines niedrigen Wahlergebnisses ist dieser jedoch zur Zeit in der Bevölkerung sehr beliebt, da er fällige Reformen angeht, die die Situation des Landes auf allen (auch auf sozialen) Gebieten verbessern könnten. Derzeit ist die Wirtschaft weiterhin auf Erholungskurs: 2003 verbuchte Argentinien ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 8,7% gegenüber -10,9% im Jahr 2002. (Quelle: [1])


Siehe auch: