Sportavia-Pützer
Der Sportflugzeughersteller Sportavia-Pützer GmbH & Co. KG wurde 1964 von Alfons Pützer gemeinsam mit der französischen Société Alpavia und dem französischen Flugzeugkonstrukteur René Fournier gegründet. Zwischen 1964 und 1981 entstanden auf der Dahlemer Binz in der Eifel teilweise überarbeitete Lizenzbauten der RF-4, RF-5 und RF-6 von René Fournier. Seit 1969 befand sich das Unternehmen im Besitz der Rhein-Flugzeugbau GmbH (RFB) in Mönchengladbach. Der Flugzeugbau bei Sportavia wurde 1981 eingestellt und der Sportavia-Standort danach in das Mutterunternehmen RFB eingebunden.
Geschichte
Fournier und Alpavia
Der Künstler René Fournier begann 1960 mit der Konstruktion eines ersten Motorseglers. Die Fournier RF-1 absolvierte ihren Erstflug in Cannes am 30. Mai 1960. Fournier erhielt einige Zeit später von der französischen Regierung den Auftrag zum Bau zweier Prototypen der weiterentwickelten Fournier RF-2. Diese beiden Flugzeuge wurden 1962 bei Pierre Robin in Dijon gebaut. Comté Antoine d’Assche war zu dieser Zeit an einer Serienfertigung der RF-2 für seine in Gap-Tallard ansässige Société Alpavia interessiert. Alpavia hatte bereits seit 1959 die Jodel D.117 in Gap-Tallard gefertigt. Allerdings lief die Fertigung der D.117 1962 aus[1], die d’Assche mit der RF-2 ersetzen wollte. D’Assche und Fournier trafen 1963 eine Vereinbarung zum Aufbau der Serienfertigung der weiterentwickelten Fournier RF-3 bei Alpavia. Insgesamt entstanden bei Alpavia 89 RF-3, die d’Assche überwiegend in Frankreich und Europa verkaufte. Für eine Ausweitung der Produktion erwies sich Alpavia allerdings als zu klein.
Fournier und Pützer
Auch Alfons Pützer war 1963 an einer Lizenzfertigung der RF-3 in seiner Pützer Flugzeugbau KG interessiert. Inzwischen entstanden bei Alpavia bereits die Prototypen der weiterentwickelten Fournier RF-4, die d’Assche in einer Großserie produzieren wollte. Da auch die Pützer Flugzeugbau KG in Bonn nur beschränktes Ausbaupotential bot, verlagerte Alfons Pützer seinen Betrieb ab 1964 auf die Dahlemer Binz in der Eifel, wo noch im gleichen Jahr die Sportavia-Pützer GmbH & Co KG von Alfons Pützer, Antoine d’Assche und René Fournier für den Serienbau der RF-4 gegründet wurde. Pützer brachte seine Pützer Flugzeugbau KG in das Unternehmen ein, Fournier überließ die RF-4-Lizenzrechte dem Unternehmen.
Zunächst war Sportavia als reines Vertriebsunternehmen für Fournier-Flugzeuge tätig. Bis 1967 entstanden dann auf der Dahlemer Binz eine 1000 m² große Montagehalle, eine Werkstatthalle mit 2000 m² und eine Lagerhalle von 500 m² sowie ein vierstöckiger Büroblock. Neben der Serienproduktion wurde auch ein Wartungszentrum für René-Fournier-Flugzeuge und weitere Sport- und Motorsegler-Flugzeuge eingerichtet.[2]
Sportavia und RFB
Nach nur fünf Jahren trennte sich d’Assche von seinen Anteilen an der Sportavia-Pützer GmbH und verkaufte diese 1969 an das Flugzeugbau-Unternehmen Rhein-Flugzeugbau GmbH in Mönchengladbach, mit dem der verbleibende Teilhaber Alfons Pützer schon im Rahmen der Kunststoff-Flugzeug-Entwicklung LFU-205 seit 1963 zusammengearbeitet hatte. Für die auf Metallbauweise ausgerichtete Rhein-Flugzeugbau GmbH war allerdings weniger der auf Holzbauweise spezialisierte Sportavia-Flugzeugbaubetrieb von Interesse. Von größerer Bedeutung waren die angeschlossenen Kunststoff-Werkstätten der Pützer Kunststofftechnik für den neuen Teilhaber. In den siebziger Jahren gewann Sportavia als Vertriebsorganisation auch für RFB an Bedeutung. Nachdem man bereits Ende der sechziger Jahre über den Vertrieb der RFB Sirius-Motorsegler durch Sportavia nachgedacht hatte, sollte Sportavia den mit Grumman entwickelten RFB Fanliner in Europa vermarkten. Im Wesentlichen blieben aber Fournier-Flugzeuge auch nach der Übernahme durch RFB das Rückgrad der Serienfertigung auf der Dahlemer Binz.
Mitte der siebziger Jahre zeichnete sich das Ende der Zusammenarbeit zwischen Sportavia und René Fournier ab, als Fournier über sein inzwischen gegründetes eigenes Unternehmen, die Avions Fournier, mit der parallelen Vermarktung der RF-6 begann. Etwa zur gleichen Zeit endete auch die Produktion der erfolgreichen RF-4 und RF-5 bei Sportavia. Auch der Vertriebsvertrag mit Grumman American Aircraft endete im Herbst 1978 überraschend, als Grumman seine Reiseflugzeugsparte abgab. Ab 1979 verfügte Sportavia lediglich über eine RS-180-Produktionslinie, die sich allerdings als fast unverkäuflich erwies. Anfang 1981 stellt Sportavia daraufhin die gesamte Flugzeugproduktion ein. Schon 1977 hatte RFB die restlichen Unternehmensanteile an Sportavia-Pützer von Alfons Pützer erworben. Das Markt-Label „Sportavia“ wird 1981 vom Markt genommen. Der Sportavia-Standort auf der Dahlemer Binz wird in die Unternehmensstruktur von Rhein-Flugzeugbau integriert.[3]
In den folgenden Jahren waren vor allem die Kunststoffwerkstätten auf der Dahlemer Binz bedeutend, die für zahlreiche Flugzeughersteller, u.a. Airbus und Lockheed Kunststoffbauteile in Serie fertigte. Auch als Wartungsbetrieb für Fournier-Flugzeuge blieb die Dahlemer Binz innerhalb Rhein-Flugzeugbaus bestehen. Nach der Übernahme von RFB durch ABS International Anfang der neunziger Jahre ließ der neue RFB-Eigentümer Blum den Standort auf der Dahlemer Binz 1992 wieder aus der RFB Unternehmensstruktur ausgründen. Als ABS Aircraft GmbH überstand das inzwischen wieder unabhängige Unternehmen auf der Dahlemer Binz den Zusammenbruch des Mutterkonzerns ABS International und der früheren Muttergesellschaft Rhein-Flugzeugbau.[4] Bis 2014 befand sich der Unternehmenssitz der E.I.S. Aircraft GmbH noch auf der Dahlemer Binz bevor dieser aus Arbeitskräftemangel nach Euskirchen verlagert wurde.
Sportavia-Produktion
Seit 1967 fand auf der Dahlemer Binz die gesamte RF-3- und RF-4-Produktion von René Fournier statt. Abgesehen von den drei Prototypen, die bei Alpavia entstanden, wurden sämtliche 155 RF-4-Serienmaschinen auf der Dahlemer Binz gebaut. Gemeinsam mit der Scheibe Flugzeugbau GmbH entwickelte Sportavia 1968 die Scheibe-Fournier-Sportavia SFS 31 „Milan“, die einen RF-4D-Rumpf mit dem Flügel einer SF 27M kombinierte. Die SFS 31 blieb allerdings eine Kleinserie, von der lediglich 14 Stück bis 1973 abgesetzt wurden. Als Folge dieser Zusammenarbeit erwarb Pützer von Scheibe auch die Lizenz für den Nachbau der Scheibe SF 25 für Sportavia.
Nach der Übernahme der Sportavia-Anteile von d’Assche durch Rhein-Flugzeugbau war eine Vermarktung des RFB Sirius durch Sportavia in Prüfung. Da der Aufbau einer Serienproduktion des Metallmotorseglers Sirius bei der auf Holzbauweise spezialisierten Sportavia zu aufwendig gewesen wäre, wurde von einer Serienproduktion Abstand genommen. Für die Grumman American Aircraft Corporation übernahm Sportavia ab 1968 den Europa-Vertrieb. Diese Zusammenarbeit war 1973 die Ausgangsbasis für eine Zusammenarbeit zwischen dem Mutterunternehmen RFB und Grumman bei der Entwicklung der RFB Fanliners.
Obwohl René Fournier nach der wirtschaftlichen Entflechtung von Sportavia für die zweisitzige RF-5 den Aufbau einer eigenen Produktionslinie in Nitray bei Tours beabsichtigte, übernahm Sportavia 1969 auch die Serienfertigung dieses Flugzeugs. Bis 1975 entstehen 125 RF-5 nach den Entwürfen von René Fournier. Für den deutschen Markt modifizierte das Sportavia-Entwicklerteam um Klaus Kruber den Fournier-Entwurf. Weitere 99 RF-5 Sperber wurden von diesem überarbeiteten Typ im deutschen Markt abgesetzt.
Ab 1973 übernahm Sportavia auch die Lizenzfertigung der RF-6 von René Fournier. Für die Serie unterzog Sportavia den RF-6-Entwurf allerdings einer intensiven Überarbeitung mit einem verlängerten Rumpf und einer größeren Kabine sowie komplett neu gestalteten Tragflächen. Der überarbeitete Sportavia-Entwurf flog erstmals im April 1976 unter der Bezeichnung RF-6C. Nach dem Absturz des RF-6C-Prototyps 1977 musste die Leitwerkskonstruktion nochmals überarbeitet werden. Erst im Juni 1978 erfolgte die Verkehrszulassung des inzwischen als Sportavia RS-180 Sportsman bezeichneten Flugzeugs, von dem allerdings nur 20 Flugzeuge bis 1980 verkauft wurden. Unabhängig von Sportavia vertrieb auch René Fournier selbst über seine Avions Fournier in Nitray einen eigenen überarbeiteten Entwurf unter der Bezeichnung RF-6B, von dem 46 Flugzeuge gebaut wurden.
Die RF-6C war das letzte bei Sportavia produzierte Flugzeugmuster. Die Produktion wurde wegen schleppender Verkaufszahlen 1981 eingestellt. Der Standort auf der Dahlemer Binz war danach Wartungsstandort und Produktionsstätte für Kunststoffbauteile.
Flugzeugtypen
Sportavia-Produktion
- Sportavia RF-4C, 155 Stück, Lizenzbau der Fournier RF-4
- Sportavia-Fournier-Scheibe SFS-31 Milan, 14 Stück, RF-4-Rumpf mit SF-27 Flügel
- Sportavia RF-5, 125 Stück, Lizenzbau der Fournier RF-5
- Sportavia RF-5 Sperber, 99 Stück, modifizierte RF-5 für deutschen Markt
- Sportavia RF-6C, ein Prototyp, Serienfertigung als RS-180
- Sportavia RS-180, 20 Stück, modifizierte RF-6
- RFB RS-180 Sportsman, geändertes Marketing-Label ab 1980
Sportavia-Vertrieb
- Fournier RF-3, Vertrieb für Alpavia
- Grumman AA-1 Yankee, Europa-Vertrieb für American Aircraft
- Scheibe SF 25 Falke, geplante Sportavia-Produktion
Eigentümer
Personen
- Alfons Pützer (Gründer)
- René Fournier (Gründer und Konstrukteur)
Literatur
- Paul Zöller: Rhein-Flugzeugbau GmbH und Fischer Flugmechanik. 1. Ausgabe, 2016, ISBN 978-3-7431-1823-2.
Weblinks
- E.I.S. Group, späte Nachfolge-Gesellschaft der Sportavia
- Club Fournier International, informative Seite über Fournier Flugzeuge
- Club Fournier America, Clubseite in den USA
- Fournier Forum, Diskussionen rund um Fournier und seine Flugzeuge
Einzelnachweise
- ↑ Jane’s All the World Aircraft: Alpavia. 1962.
- ↑ Flight International: Building the RF4. 30. März 1967, abgerufen am 7. September 2017.
- ↑ Paul Zöller: Rhein-Flugzeugbau GmbH und Fischer Flugmechanik. 1. Ausgabe, 2016, ISBN 978-3-7431-1823-2
- ↑ Amtsgericht Schleiden: Handelsregister. 1992.