Friedemann Schulz von Thun
Friedemann Schulz von Thun (* 6. August 1944 in Soltau) ist ein deutscher Psychologe.
Er ist einer der führenden Kommunikationswissenschaftler und Autor des dreibändigen Werkes "Miteinander Reden". Er ist derzeit Psychologie-Professor an der Universität Hamburg mit einem Studienschwerpunkt "Beratung und Training" und erforscht die Psychologie der zwischenmenschlichen Kommunikation. Als Kommunikationstrainer leitet er auch entsprechende Arbeitskreise, welche seine Forschungen mit der Praxis verbinden.
Studium, Kurse und Leitideen
Schulz von Thun studierte Psychologie, Philosophie und Pädagogik in Hamburg 1967-71, war dann Assistent bei Reinhard Tausch und promovierte 1973 über "Verständlichkeit der Wissens- und Informationsvermittlung". Kurz nach seiner Habilitation 1977 wurde er in Hamburg zum Univ. Prof. berufen.
Ab 1971 hielt er Trainingskurse für Lehrende und Führungskräfte, die anfangs von Leitideen des Verhaltenstrainings und angewandter Gruppendynamik bestimmt waren. Ziel war das Erlernen partnerschaftlichen Miteinanders für Paare, zwischen Eltern und Kindern, in der Schule und am Arbeitsplatz - siehe auch Encounter.
In weiteren Studien von Alfred Adlers Individualpsychologie und Ruth Cohns Themenzentrierter Interaktion vertiefte er das Verständnis für zwischenmenschliche Vorgänge. Aus der Integration von humanistischen und systemischen Richtungen und seinen Kurserfahrungen entstand in den 1970ern das Kommunikationsquadrat - siehe unten. Erstmals 1977 publiziert, erschien es 1981 als Taschenbuch "Miteinander reden, Störungen und Klärungen". Er wurde bis zu den 1990ern zum Standardwerk. Die Trilogie "Miteinander reden" erreicht inzwischen eine Millionenauflage.
Das Kommunikationsquadrat
Eine seiner Thesen betrifft die Vielschichtigkeit einer Botschaft zwischen zwei Personen - das Vier-Seiten-Modell. Wir "sprechen" und "hören" bei jedem Kontakt zu einem anderen Menschen auf vier verschiedene Weisen:
- Der Sachinhalt ist das, was durch gesprochene Worte ausgedrückt wird bzw. beim Gegenüber ankommt.
- Der Appell einer Botschaft oder einer Handlung drückt die unausgesprochenen Wünsche und Sehnsüchte aus - bzw. das was der Partner davon auf sich bezieht.
- Im Beziehungshinweis wird ausgedrückt bzw. aufgenommen, wie das Verhältnis der beiden Personen empfunden wird.
- Die Selbstkundgabe umfasst verborgene Werte, Emotionen und Triebe. Dieser Teil der Botschaft ist fast nur nonverbal und beinhaltet das Freud'sche "Es" (Triebanteil der Psyche), das "Über-Ich" (Normen und unbewusste Vorstellungen) sowie das Selbstwertgefühl.
Diese "vier Seiten einer Nachricht" machen zwischenmenschliche Kontakte spannend, aber auch spannungsreich und anfällig für Störungen. Darüber hinaus werden die vier Hauptpunkte durch mehrere Unter- bzw. Zwischenaspekte ergänzt. So besteht beispielsweise eine Dichotomie zwischen Appell und Objektivität. Die Dichte des gesprochenen Wortes wird hier auf eine Ebene gestellt, die nicht mehr eindeutig einer Schicht der intendierten Botschaft zuzuordnen ist.
Über die Verschiedenheit der Menschen publizierte Schulz von Thun 1989 im 2.Band seiner Bücher, der inzwischen die 22. Auflage erreichte: Die Menschen sind verschieden in der Art, wie sie mit anderen reden und den Kontakt zu ihnen gestalten. Was der eine zur Erweiterung seiner sozialen Kompetenz dringend braucht, hat vielleicht der andere schon viel zu viel.
Bild mit den 8 Typen emotionaler Kommunikation: http://www.schulz-von-thun.de/buch/buchimg/abb/reden2.jpg
Schulz unterscheidet 8 Kommunikationstypen, in denen man sich bei jeder Kontaktaufnahme erkennen kann. Manchmal mischen sich die Typen in jedem von uns - und sie können auch von einer Situation zur anderen wechseln. Menschen vom Typ 4 oder 8 - die im Regelfall deutlich sichtbar (im Sprachgebrauch "emotional") reagieren, können plötzlich (etwa bei einem PC-Absturz) ihre Hilfsbedürftigkeit erkennen (Typ 1) - oder sich nach einem kräftigen Tritt in ein Fettnäpfchen lieber als Typ 5 verhalten.
Modell Inneres Team
Der 3.Band (Ende 1998) beschreibt u.a., dass man oft "zwei Herzen in der Brust" hat. Sie melden sich (mehr oder weniger vernehmlich) bevor und während wir sprechen.
Schulz nimmt das Beispiel einer fleißigen Studentin, von der sich ein wenig engagierter Kollege eine Mitschrift ausborgen will. Sie möchte zwar nicht Nein sagen, schwankt aber dadurch emotional zwischen Ärger (ausgenützt werden) und einer Art sozialer Verantwortung...
Diese "innere Pluralität" ist menschlich und wertvoll. Doch je dem Ablauf der inneren Diskussionen, je nachdem, wie sich das "innere Betriebsklima" gestaltet und ob eine gute Gesprächsleitung vorhanden ist, können wir über ein "Inneres Team" verfügen — oder aber unter einem ewig zerstrittenen Haufen leiden, mit nachteiligen Folgen auch für die Kommunikation nach außen.
Literatur
- Friedemann Schulz von Thun:Miteinander reden 1 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Rowohlt, Reinbek 1981, ISBN 3499174898
- Ders.:Miteinander reden 2 - Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Differentielle Psychologie der Kommunikation. Rowohlt, Reinbek 1989, ISBN 3499184966
- Ders.:Miteinander reden 3 - Das 'innere Team' und situationsgerechte Kommunikation. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3499605457
- Ders.:Klarkommen mit sich selbst und anderen: Kommunikation und soziale Kompetenz. Reden, Aufsätze, Dialoge. Rowohlt, Reinbek 2004, ISBN 3499619245
- Friedemann Schulz von Thun, Wibke Stegemann (Hrsg.):Das Innere Team in Aktion. Praktische Arbeit mit dem Modell. Rowohlt, Reinbek 2004, ISBN 3499616440
- Manuel J. Hartung: "Stellt mehr dumme Fragen!" - Ein Interview mit Friedemann Schulz von Thun, in: DIE ZEIT 18/2004 http://www.zeit.de/2004/18/C-SchulzvonThun
Weblinks
- Vorlage:PND
- http://www.schulz-von-thun.de/buch.html (Leseproben und oben Zitiertes)
Siehe auch
Personendaten | |
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NAME | Schulz von Thun, Friedemann |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kommunikationswissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 6. August 1944 |
GEBURTSORT | Soltau |