Sigurimi
Sigurimi (albanisch: Drejtorija e Sigurimit të Shtetit) war die Geheimpolizei Albaniens während der kommunistischen Gewaltherrschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum politischen Umsturz 1990/91.
Der Sigurimi wurde unmittelbar nach der kommunistischen Machtübernahme 1944 vom albanischen Diktator Enver Hoxha als wichtigstes Machtinstrument des Ein-Parteien-Systems und seiner persönlichen Herrschaft gegründet. Hoxha bezeichnete den Sigurimi gemäß stalinistischer Tradition als die Elite und Vorkämpfer der kommunistischen Gesellschaft. Seine Angehörigen genossen Privilegien im Vergleich zur übrigen Bevölkerung. 1945 umfasste sie 5.000 Mann uniformierter bewaffneter Kräfte; bis 1989 wuchs deren zahl auf über 10.000 Mann an. Wieviele Geheimdienstler und Zuträger für den albanischen Geheimdienst arbeiteten ist unbekannt.
Es existierte in jedem der damals 26 albanischen Landkreise ein Distriktkommando, das dem Hauptquartier in Tirana unterstellt war. Im Sigurimi gab es die folgenden Abteilungen: Politische Kontrolle, Zensur, Dokumentation, Gefangenenlager, Truppen der inneren Sicherheit, Personenschutz, Gegenspionage und Auslandsaufklärung. Die Abteilung Politische Kontrolle war die bei weitem größte; sie überwachte die ideologische Linientreue aller Bürger. Diese Abteilung organiserte auch die Telefonüberwachung. Die Abteilung Dokumentation sammelte alle Regierungsakten, die als geheim eingestuft wurden, darunter auch Statistiken über die wirtschaftliche und soziale Situation des Landes. Die Abteilung für die Gefangenenlager unterhielt 14 größere Anstalten im ganzen Land. Besonders verrufen war das Gefängnis in Burrel. Die Angehörigen der Auslandsaufklärung stellten einen großen Teil des in den albanischen Botschaften beschäftigten Personals.
Entgegen der eigenen Propaganda diente der Sigurimi vor allem zur Kontrolle der eigenen Bevölkerung mit Mitteln der Überwachung, der Repression und des Terrors. Dagegen spielte die Abwehr feindlicher Agenten und die eigene Auslandsspionage nur eine geringe Rolle. Geheimdienstexperten verschiedener westlicher Länder, waren der Meinung, dass kein kommunistisches Land bezogen auf seine Bevölkerung eine derart große Geheimpolzei unterhalten hat wie Albanien.
Die Methoden des Sigurimi glichen denen anderer Geheimdienste kommunistischer Länder (KGB, Securitate, Stasi usw.) Wie diese unterhielten die Sigurimi ein dichtes Netz von Spitzeln, das die lückenlose Überwachung der Bevölkerung ermöglichte. Die albanische Geheimpolizei hat auch eigene Gefängnisse und Lager unterhalten. Eine besondere Form der Unterdrückung waren so genannte Internierungsdörfer. Die politischen Häftlinge mussten nach Verbüßung ihrer Lagerhaft in abgelegenen und kaum entwickelten Gegenden – meist ausgeschlossen von der lokalen Bevölkerung – leben. Auch Familienangehörige von politischen Gefangenen wurden in diese Orte eingewiesen. Die Verbannten durften die Internierungsdörfer nur mit speziellen Genehmigungen verlassen. Selbst dort geborene Kinder konnten nur in seltenen Fällen heraus – in der Regel wurde ihnen auch die weiterführende Ausbildung verweigert.
Nach der kommunistischen Machtübernahme wurde die Sigurimi zuerst gegen Angehörige der alten Eliten eingesetzt. Vorkriegspolitiker, Intelektuelle und Geistliche der verschiedenen Religionsgemeinschaften wurden, verhaftet, gefoltert und mit oder ohne Abhaltung von Schauprozessen exekutiert. Weitere wurden zu langjährigen Haftstrafen und Zwangsarbeit verurteilt. Angebliche Spionage für ausländische Geheimdienste und antialbanische Agitation waren die Hauptvorwürfe, die fast immer gegen die innenpolitischen Gegner vorgebracht wurden.
Nach dem politischen Bruch mit Tito-Jugoslawien im Jahr 1948 war die Sigurimi bis Anfang der 1960er Jahre vor allem mit der Ausschaltung innerparteilicher Gegner Hoxhas beschäftigt. Tausende gerieten als vermeintliche jugoslawische Spione oder einfach als so genante Titoisten in die Fänge des albanischen Geheimdienstes. Das traf auch den ersten albanischen Innenminister nach dem Krieg, Koçi Xoxe, der auch Chef der Sigurimi war. Er gehörte zur projugoslawischen Fraktion der Kommunistischen Partei und war Hoxhas Rivale. 1949 wurde er verhaftet, in einem Geheimprozess verurteilt und erschossen.
Der permanente Terror des Geheimdienstapparats hielt zu Hoxhas Lebzeiten in unverminderter Härte an. Erst nach Hoxhas Tod (1985) wurde unter seinem Nachfolger Ramiz Alia der Druck auf die Bevölkerung etwas verringert. Den 1990 in kurzer Zeit anwachsenden Widerstand gegen das Regime konnte der Geheimdienst nicht mehr stoppen. Nach dem Sieg der demokratischen Revolution wurde der Sigurimi in die Nachfolgeorganisation SHIK umgewandelt.
Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des Sigurimi hat in Albanien bis heute nicht stattgefunden. Auch im Ausland gibt es dazu kaum Arbeiten. Ein Großteil der Geheimdienstakten wurde schon während der Wende im Winter 1990/91 beseitigt, weitere gingen bei den Unruhen 1997 verloren. Die gesellschaftliche Diskussion über die Verbrechen des kommunistischen Geheimdienstes war und ist in Albanien schwierig. Es gab in Albanien keine Bürgerrechtsbewegung, die das gefordert hätte, der Verband der Opfer politischer Gewalt hat in den politischen Parteien zu wenig Verbündete. Schließlich waren seit 1990 die aktuellen politischen und ökonomischen Probleme Albaniens immer so gravierend, dass die Mehrheit eine Beschäftigung mit der schmerzhaften jüngeren Vergangenheit für nachrangig hielt.
Es ist unbekannt, wie viele Menschen dem Terror der Sigurimi zum Opfer fielen. Schätzungen gehen von zehntausenden Todesopfern und über 100.000 Menschen aus, die eingesperrt worden sind.
Bekannte Opfer des Sigurimi
- Pjeter Arbnori (*1935), 1991-1996 Parlamentspräsident
- Simon Jubani, katholischer Priester
- Reshat Bardhi, Oberhaupt der Bektaschi
Literatur
- Pjeter Arbnori: Martiret e rinj në Shqiperi. 10300 ditë e net në burgjet komuniste. Tiranë 2004. ISBN 9992798408
- Pjeter Arbnori: Lettre de prison. Tiranë 1995
- Agim Musta: Burgjet e shtetit burg = Prisons of the prison state. (zweisprachig) Tiranë 2000.
- Agim Musta: Gjëmat e komunizmit në Shqipëri. Tiranë 2001. Auszug in albanischer Sprache: Über die Foltermethoden, hier