Codex Hammurapi
Codex Hammurabi
Trotz des Umfanges regelten die Gesetze Hammurabis nicht alle Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens.
Im Folgenden ein Überblick über wichtige Passagen:
Am Anfang des Gesetzestextes stehen Regelungen des Prozessrechts. Die Gerichte behielten sich das Recht vor, Fälle abzulehnen. So mussten Auseinandersetzungen dann zwischen den Personen ausgetragen werden. Es wurde derjenige schwer bestraft, der jemand anderen ungerechtfertigt des Mordes bezichtigte. Der Ankläger wurde hingerichtet. Schwerwiegend waren auch die Anschuldigungen wegen Zauberei. Der Beschuldigte wurde zu einem Gottesurteil gezwungen, d.h. er wurde ins Wasser geworfen. Ertrank er, war seine Schuld bewiesen, und die Anklage war berechtigt. Überlebte er das Gottesurteil (Flussordal), verlor der Ankläger seinen eigenen Besitz. Diese Gottesurteile waren nicht nur in Babylonien bekannt. Schwer bestraft wurden auch Falschaussagen von Zeugen, denen bei Kapitalverbrechen die Todesstrafe drohte. Als Beweise galten in Prozessen Urkunden, die Aussagen der Zeugen und der geleistete Eid. Auch die Richter konnten bestraft werden. Falls ein Richter ein rechtskräftiges Urteil später revidierte, verlor er seinen Posten und musste eine Geldstrafe zahlen. Das galt wahrscheinlich aber nur für Richter, die sich bestechen ließen. Des weiteren wurde Eigentum und Besitz geregelt. Neben dem Besitz des Königs und des Tempels wurde auch der Besitz der Kleinbauern und ihrer Familien unter Schutz gestellt, wenn sie auf dem Land des Königs lebten. Die Strafen für Diebstahl und Hehlerei von Königseigentum waren drakonisch, darauf konnte sogar die Todesstrafe drohen. Mit dem Tod wurde auch derjenige bestraft, der jemand des Diebstahls bezichtigte und es nicht beweisen konnte. Die Richter machten in ihren Urteilen auch einen gewichtigen Unterschied zwischen König und Tempel auf der einen Seite und den übrigen Bewohnern des Landes. Wurde der König oder der Tempel bestohlen, musste der Dieb eine höhere Strafe bezahlen, als wenn er einen “gewöhnlichen” Menschen bestahl. Insofern herrschte, trotz der Ankündigung im Prolog, keine Gleichheit vor dem Gesetz.
Die Soldaten
Der nächste Abschnitt behandelte die Gesetze, die das Leben der Soldaten regelten. Die Soldaten bekamen vonHammurabi Land zugewiesen, um von den Erträgen der Ernten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der [[Soldat)) war verpflichtet, der Einberufung Folge zu leisten. Erschien er nicht oder schickte er einen Stellvertreter, weil er noch sein Land bestellen wollte, wurde der Soldat zum Tod verurteilt. Da Kriege sich über einen längeren Zeitraum erstrecken konnten, war es dem Soldaten oft nicht möglich, seine Felder zu bewirtschaften. Deshalb wurden seine Ländereien während seiner Abwesenheit an jemand anderen vergeben, um sie zu bearbeiten. Kehrte der Soldat nach einem Jahr aus dem Kampf zurück, erhielt er sein Land zurück. Zwangen die Kämpfe den Krieger jedoch zum weiteren Fernbleiben, verlor er seine Ansprüche auf das Land, wenn drei Jahre vergangen waren. Anders war es, wenn der Soldat einen Sohn mit der Bewirtschaftung der Felder beauftragen konnte, dann blieb das Land weiter in seinem Besitz. Krieger, die in Gefangenschaft gerieten, konnten freigekauft werden. Er konnte dafür Gegenstände seines Hauses als Lösegeld anbieten. Die Felder, der Garten und das Haus durften aber nicht als Lösegeld verwendet werden. So sollte der freigelassene Soldaten diesen Besitz behalten, um damit seinen Lebensunterhalt zu sichern. Auch Kaufleute oder der Tempel konnten Soldaten freikaufen, sie erhielten dann das dafür aufgewendete Geld vom König zurück.
Die Bauern
Auch den Bauer wurden Pflichten auferlegt. Die landwirtschaftliche Produktion war für Babylon lebenswichtig, deshalb war es nötig, dass die Felder ordentlich bestellt wurden. Vernachlässigte ein Pächter seine Feldarbeit, und es gab keine Ernte, wurde er dazu verurteilt, eine bestimmte Menge Gerste als Strafe zu zahlen. Außerdem musste er das Feld dem Besitzer zurückgeben. Wurden die Ernten durch Naturkatastrophen vernichtet, teilten sich Pächter und Besitzer die übrig gebliebene Ernte zu den festgelegten Pachtzinsen. Der Pachtzins schwankte zwischen einem Drittel und der Hälfte der Ernte. Miete Es konnten nicht nur Felder und Gärten gemietet werden, auch Häuser tauchten in den aufgefundenen Dokumenten als Mietsache auf. Auch diese Mietverhältnisse ließ Hammurabi regeln. Die Verträge wurden oft für ein Jahr abgeschlossen. Die Miete wurde auf zwei Arten bezahlt. Entweder wurde zu Beginn des Jahres eine Anzahlung geleistet und der Rest zum Ende der vereinbarten Mietdauer oder man zahlte erst mit Ablauf des Jahres den Mietzins. Die Mieter hatten für den einwandfreien Zustand des Hauses zu sorgen. Reparaturen mussten ausgeführt werden. Bei Beschädigungen musste Schadensersatz geleistet werden. Die Häuser bestanden in dieser Zeit in der Hauptsache aus Lehm. Holz kam kaum vor. Waren trotzdem hölzerne Bestandteile, wie Türen, Schwellen oder Treppen vorhanden, wurden sie im Mietvertrag ausdrücklich erwähnt. Dafür musste eine zusätzliche Miete gezahlt werden. Gehörten die hölzernen Gegenstände dem Mieter, wurden sie vom Mieter beim Auszug mitgenommen. Das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter war auch damals häufig angespannt, was viele Gerichtsdokumente bewiesen.
Die Kaufleute
Die Bestimmungen über die Geschäfte der Kaufleute waren zum Teil sehr hart. Kaufleute schickten gewöhnlich Agenten auf Handelsreise in ferne Länder. Im Auftrag des Kaufmanns kauften oder verkauften sie Waren. Die Agenten wurden “Beutelträger”, Schamallum, genannt, und sie erhielten einen Anteil am Gewinn der Expedition. Die Gewinnspannen bei diesen Geschäften konnten hoch sein. Hatte ein Agent keinen Gewinn erzielt, so musste der dem Kaufmann das Doppelte des anvertrauten Kapitals bzw. der Waren als Strafe bezahlen. Die Strafe war deshalb so hoch, weil man den Agenten in in diesem Fall des Betruges verdächtigte. Geregelt wurde auch der Fall, wenn ein Kaufmann seinen “Beutelträger” fälschlich bezichtigte, Geld unterschlagen zu haben. Der Kaufmann musste dann das Sechsfache des eingesetzten Kapitals an den Agenten zahlen.
Schankwirtinnen
Neben den Kaufleuten wurden auch die Schankwirtinnen streng vom Gesetz behandelt, wenn sie gegen Bestimmungen verstießen. Gasthäuser und ihre Wirtinnen, Wirte schien es nicht gegeben zu haben, waren nicht sehr angesehen. Sie standen im Ruf, die Prostitution und das Verbrechen zu unterstützen. Forderte eine Wirtin als Bezahlung für das Bier kein Getreide, sondern Silberbzw. schenkte sie zu wenig Bier aus, wurde sie ins “Wasser geworfen”, d.h. sie wurde ertränkt. Es war für sie auch tödlich, wenn sie gesuchte Verbrecher in ihrem Haus beherbergte. Das “Anschreiben” war im Gasthaus erlaubt, man bezahlte zur Erntezeit seine Schuld mit Gerste. Silber als Bezahlung war bei Hammurabi nicht erlaubt. .
Die Familie
Die Ablösung der Tempelwirtschaft durch den Privatbesitz hatte auch Folgen für die Gesellschaft des Landes. Durch die Individualisierung des Besitzes und der Produktion verloren sich die bisherigen Bindungen an Stämme, Gemeinden und Großfamilien. Die unmittelbare Familie mit den Kindern, Nebenfrauen und Sklaven waren Grundlage der Gesellschaft geworden.
Diese gesellschaftliche Entwicklung fand deshalb ihren Niederschlag in der Rechtsprechung. So erließ Hammurabi zahlreiche Gesetze zum Thema Ehe und Familie
Es gab zwar keine Gleichstellung von Mann und Frau, aber Hammurabi gewährte den Frauen zahlreiche Rechte.
Eine Frau durfte selbständig Rechtsgeschäfte abschließen, wie Kauf und Verkauf und Tauschgeschäfte. Auch war es ihr erlaubt, Darlehen zu vergeben.
Die Ehe war nur dann gültig, wenn ein Ehevertrag abgeschlossen wurde. Dieser Vertrag war besonders wichtig in Vermögensfragen.
Ertappte ein Mann seine Frau beim Ehebruch, so wurden die Frau und der Nebenbuhler gebunden ins Wasser geworfen und dadurch zum Tode verurteilt. Der betrogene Ehemann konnte seiner Frau aber das Leben schenken, wenn er es wollte.
Eine Frau konnte ungerechtfertigte Anschuldigungen dadurch entkräften, indem sie sich einem Gottesurteil (Flussordal) unterzog.
Die Todesstrafe erwartete den Mann, wenn er eine Jungfrau im Hauses ihres Vaters vergewaltigte.
Es gab für eine Ehefrau mehrere Möglichkeiten, sich von ihrem Mann zu trennen.
War ihr Mann im Dienst des Königs längere Zeit abwesend oder in Kriegsgefangenschaft, so konnte sich die Frau einen anderen Mann nehmen, wenn sie nur dadurch ihre Familie versorgen konnte.
Kehrte der erste Ehemann aber zurück, musste die Ehefrau den zweiten Ehemann verlassen und in die erste Ehe zurückkehren.
Hatte der Ehemann seinen Wohnort aufgegeben und seine Frau verlassen, so war die Ehefrau nicht gezwungen, zum Gatten zurückzukehren, falls dieser wieder auftauchte.
Eine Frau konnte das eheliche Haus auch verlassen, wenn der Mann ein lasterhaftes Leben führte. Sie konnte zum Mann dann sagen: “Rühr mich nicht an!”. Ein anschließender Prozess urteilte dann über die Scheidung.
Erhielt die Frau recht, konnte die Ehefrau ihre Mitgift nehmen und zu ihrem Vater zurückkehren.
Ein Mann konnte sich leichter scheiden lassen. Er konnte seine Frau verstoßen. Er musste ihr den Brautpreis und die Mitgift geben. Hatte sie Kinder, musste er auch noch Garten und Feld dazu geben, damit die geschiedene Frau ihre Kinder ernähren konnte.
Die möglichen Scheidungsfolgen wurden in den Eheverträgen geregelt. Es gab harte Strafen in den einigen Verträgen. Falls eine Frau sich von ihrem Mann lossagte, konnte sie mit dem Tod oder der Sklaverei bestraft werden. Die Strafe des Mannes war weitaus humaner, er konnte sich, wenn er sich lossagte, Silber zahlen.
Die Auflösung einer Verlobung wurde in einzelnen Paragrafen geregelt. Löste der Bräutigam das Verlöbnis, so verlor er den an den Vater der Frau gezahlten Brautpreis. Löste der Brautvater die angehende Verbindung, so musste er den doppelten Brautpreis zurückzahlen.
Den Babyloniern war es besonders wichtig, den Fortbestand der Familie zu sichern. Waren keine Kinder bzw. keine männlichen Nachkommen vorhanden, konnte durch Adoption die Familie weiter erhalten bleiben. Es konnten Freie, aber auch Sklaven adoptiert werden.
Die Adoptierten konnten auch erben, falls es keine weiteren Kinder in der Familie gab. Adoptierte Kinder konnten vom Vater verstoßen werden. Sie bekamen aber einen Anteil am Erbe, wenn der Vater inzwischen leibliche Nachfolger bekommen hatte.
Hart bestraft wurden Gattenmord und inzestiöse Verbindungen. Die Strafen reichten von Verbannung bis zur Todesstrafe.
Das Erbrecht
Hammurabi regelte in seiner Gesetzessammlung auch das Erbrecht. Testamente, wie wir sie kennen, gab es in dieser Zeit noch nicht. In der Regel galt die Erbfolge vom Vater zu den Söhnen. Der Mann konnte aber durch eine Urkunde seine Frau zur Erbin einsetzen. Die Söhne gingen dann zunächst leer aus. Die Mutter konnte dann als nächsten Erben den Sohn einsetzen, den sie am meisten liebte.
Die Ammen
Es wurden viele “Säugeverträge” gefunden, die die Aufgaben und Pflichten der Ammen betrafen. Zu dieser Zeit wurden die Kinder bis zum dritten Lebensjahr gestillt. Die Amme erhielt dafür Silber, Essen, Öl u.a. als Lohn ausgezahlt. Konnte eine Familie das geforderte Entgelt nicht bezahlen, so konnte die Amme das Kind behalten, und die leiblichen Eltern mussten außerdem noch das vereinbarte Silber zahlen.
Körperverletzungen
Hammurabis Gesetze werden heute als Beispiel für harte Strafen genannt, man spricht von “Auge um Auge, Zahn um Zahn”. Dieses so genannte Talionprinzip wurde aber nur im Zusammenhang mit Körperverletzungen angewendet. Die Babylonier Hammurabis stammten von den nomadischen Amurriter ab und deshalb war diese Art der Strafe bei ihnen noch im Bewusstsein. Wenn jemand einen anderen verletzte, so wurde dieser mit der gleichen Verletzung bestraft, so der Grundsatz “Auge um Auge...”. Andere Länder dieser Epoche übten diese Bestrafung nicht aus, sie bestraften in diesem Fall mit Geldstrafen. Die gab es zwar auch bei Hammurabi, doch hier wurde nach der sozialen Stellung von Täter und Opfer unterschieden. Verletzte ein freier Bürger (Awilum) einen Muschkenum, so musste er nur eine Geldstrafe bezahlen. Wurde der Sklave eines freien Bürgers verletzt, gab es als Strafe die Hälfte des Sklaven-Kaufpreises. Die Richter werteten in diesem Fall die Verletzung als Wertverlust. Die genaue Bedeutung des Begriffs Muschkenum ist umstritten. Unter freien Bürgern werden von vielen Historikern die Angehörigen des königlichen Adels und die Gefolgsleute des Königs, die auf Königsland lebten, verstanden. Ein Muschkenum schien ein Mitglied der unterworfenen Bevölkerung gewesen zu sein bzw. ein Nichtadliger Babylons .
Haftung
Es wurde auch die Haftung bestimmter Berufsgruppen geregelt. So lebten Ärzte und Handwerker gefährlich, falls durch ihre Schuld jemand verletzt oder getötet wurde. Starb ein Patient nach einer Operation bzw. wurde schwer behindert, konnte dem Arzt die Hand als Strafe amputiert werden. Auch hier gab es bei der Strafzumessung Unterschiede. War der Geschädigte ein Muschkenum, war nur eine Geldstrafe die Folge. Starb ein Sklave nach einer Behandlung, so musste der Arzt einen Sklaven als Ersatz anbieten. Auch Baumeister mussten für Schäden aufkommen. Stürzte das Haus ein und der Besitzer kam dabei ums Leben, so verlor der Baumeister sein eigenes Leben als Strafe. Das Haus musste außerdem neu errichtet und der beschädigte Hausrat ersetzt werden. Kam beim Hauseinsturz ein Sklave ums Leben, musste der Baumeister einen Sklaven als Ersatz anbieten.
Sklaven
Am Ende der Gesetzessammlung folgten Bestimmungen über die Stellung der Sklaven. Man konnte aus unterschiedlichen Gründen Sklave werden. Kriegsgefangene, verurteilte Verbrecher und Schuldsklaven konnten in die Sklaverei fallen. Auch Familienmitglieder wurden in die Sklaverei verkauft, um Schulden zu tilgen. Es gab doppelt so viele Sklavinnen als Sklaven, weil vorwiegend Frauen im Haushalt beschäftigt wurden. Auf den Feldern der Kleinbauern arbeiteten kaum Sklaven, weil sie zu teuer für die Familien waren. Sklaven wurden auch als Nebenfrauen erworben, falls die Ehefrau kinderlos blieb. Ein Sklavenhändler musste auch eine Garantie für seine Sklaven leisten. Wurde der Sklave innerhalb der ersten vier Wochen krank, konnte der Kauf rückgängig gemacht werden. Es gab bei Hammurabi nur wenige Gründe, einen Sklaven freizulassen. Ein Schuldsklave wurde nach drei Jahren frei. Eine Sklavin konnte drei Jahre nach dem Tod ihres Besitzers freigelassen werden, wenn sie ihm Kinder geboren hatte. Auch durch Adoption konnte ein Sklave die Freiheit erringen
Literatur:
Horst Klengel
König Hammurapi und der Alltag Babylons
Artemis 1991