Semiotisches Dreieck
Mit der Bezeichnung semiotisches Dreieck verweist man in der Sprachwissenschaft auf einen wichtigen Sachverhalt der Semiotik.
Das semiotische Dreieck, wie ein Laie es verstehen kann
- Die Welt besteht aus Gegenständen, Sachverhalten, Ereignissen usw. Die sind wirklich und bestimmen alles, was geschieht. Das Symbol für ein Einzelnes davon steht in den folgenden Dreiecken rechts und bedeutet für Laien: Ding oder "was Sache ist".
- Wenn der Mensch ein Ding bemerkt oder sich vorstellt, macht er sich ein gedachtes Bild davon. Das Symbol dafür steht in den folgenden Dreiecken oben und bedeutet für Laien: Begriff oder "was man meint".
- Wenn Menschen mit diesen Begriffen von Dingen reden, so verwenden sie Zeichen (meist hörbar, gelegentlich auch sichtbar oder anders wahrnehmbar). Das sind Wörter (auch Bezeichnungen, Benennungen oder Ähnliches). Das Symbol dafür steht in den folgenden Dreiecken links und bedeutet für Laien Wort oder "was man dazu sagt".
- Ding, Begriff und Wort sollen eindeutig zusammengehören. Das gelingt leider nicht immer, vielmehr muss man immerzu aufpassen, ob der eben verwendete Begriff das betrachtete Ding richtig erfasst, ob das eben verwendete Wort den gemeinten Begriff trifft, und sogar ob das eben betrachtete Ding überhaupt eins ist und nicht etwa einige oder gar keins. Passen die drei Ecken nicht zueinander,
- So entstehen leicht die fundamentalsten Verwechslungen (deren die ganze Philosophie voll ist). (Wittgenstein, Tractatus 3.324)
Das semiotische Dreieck bei Aristoteles
Bei Aristoteles ist ein Zeichen (semeion, damit meint er ein Wort) ein Symptom für eine Seelenregung, d.h. für etwas, das der Sprecher sich vorstellt. Diese Vorstellung des Sprechers ist dann ein Ikon für ein Ding. Dies sind für ihn die primären Zeichenrelationen (rot in der untenstehenden Figur). Davon abgeleitet ist die sekundäre Zeichenrelation (schwarz in der Figur).
Das Semiotische Dreieck bei Aristoteles
Spätere Interpretationen
Spätere Interpretationen halten daran fest, dass zwischen dem Wort (der Zeichenform, d.h. dem Schriftbild oder dem Lautbild) und dem Bezeichneten im Allgemeinen keine direkte Beziehung besteht. Die Beziehung wurde irgendwann willkürlich festgelegt. Diese Beziehung bezeichnet man dann als Bedeutung (oder Begriff).
Referent /\ / \ / \ / \ / \ Signifikant ---------- Signifikat
Signifikant / Signifikand: Das Bezeichnende.
Signifikat: Das Bezeichnete (Umweltreferent)
In der Sprachphilosophie der Scholastik finden sich Überlegungen zum Dreierschema res (Gedanken, Begriff), intellectus, vox (Wortzeichen). In der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts tauchen verschiedene Dinge unter der Bezeichnung Semiotisches Dreieck auf. Die Ecken sind jeweils anders bezeichnet. Es geht aber immer um Abbildung und Interpretation. Die obenstehende Abbildung zeigt eine mögliche Fassung. Die unterschiedlichen Definitionen von elementaren Begriffen bei den verschiedenen Autoren erschweren den Diskurs erheblich. Es folgt eine Aufzählung anderer Varianten:
Oben könnte auch stehen:
- Interpretant (Peirce)
- Begriff (Odgen-Richards)
- Sinn (Frege)
- Intension (Carnap)
- Designatum (Morris, 1938)
- Significatum (Morris, 1946)
- Begriff (Saussure)
- Konnotation, Konnotatum (Mill)
- Mentales Bild (Saussure, Peirce)
- Inhalt (Hjelmslev)
- Bewusstseinszustand (Buyssens)
- Begriff (Wüster)
- Zeichen als Einheit der Unterscheidung (Luhmann)
Links könnte auch stehen:
- Zeichen (Peirce)
- Symbol (Ogden-Richards)
- Zeichenhaftes Vehikel (Morris)
- Ausdruck (Hjelmslev)
- Representamen (Peirce)
- Sem (Buyssens)
- Benennung (Wüster)
Rechts könnte auch stehen:
- Gegenstand (Frege, Peirce, Wüster)
- Denotatum (Morris)
- Denotation (Russell)
- Extension (Carnap)
(Siehe auch die Übersicht über die Terminologie zu Intension/Extension bei Begriff).
Das semiotische Dreieck ist häufig eine zu stark vereinfachte Darstellung, die mehr verwirrt als hilft. Dass man mit einem Dreieck in den verschiedenen Theorien arbeitet, heißt nämlich überhaupt nicht, dass man dasselbe meint. Eine Art Netz, die eine Art Synthese der verschiedenen Betrachtungsweisen versuchen würde und die Bezüge zeigte, wäre besser.
Literatur
- Zeitschrift für Semiotik, 1988, vol. 10, no. 3, "Metamorphoses of the Semiotic Triangle"
- Umberto Eco, Semiotik - Entwurf einer Theorie der Zeichen, 2. Aufl. 1991, Wilhelm Fink Verlag