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Elektronen-Stretcher-Anlage

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Elektronen-Stretcher-Anlage (kurz ELSA) ist ein Teilchenbeschleuniger, mit dem man, im Gegensatz zu den meisten anderen Beschleunigern, konstante Elektronen-Strahlen erzeugen kann. Der Gegensatz dazu sind gepulste Elektronen-Strahlen.

ELSA ist in der Universität Bonn aufgebaut und kann Strahlen von bis zu 3,5 GeV erzeugen. Eine Ladung von bis zu 200 mA kann im eigentlichen Stretcher-Ring gespeichert werden.

Links: Extraktionsrohr für Elektronen, Rechts: Elektromagnet zur Umlenkung der Elektronen

ELSA

ELSA, die Bonner Elektronen Stretcher Anlage ist der größte von einer deutschen Universität betriebene Teilchen-Beschleuniger. Die gesamte Anlage, die seit 1987 in ihrer jetzigen Form in Betrieb ist, besteht eigentlich aus drei hintereinandergeschalteten Beschleunigern: Zunächst beschleunigt ein Linearbeschleuniger (LINAC 1 oder LINAC 2) die Elektronen auf 20 MeV. Diese werden dann in dem sogenannten Booster-Synchrotron auf typischerweise 1.2 bis 1.6 GeV beschleunigt.

Das Booster-Synchrotron arbeitet mit der Netzfrequenz von 50 Hz, das heißt, alle 20 Millisekunden wird vom Linac injiziert, beschleunigt und extrahiert. Der beschleunigte Strahl steht dann nur in sehr kurzen Pulsen von weniger als einer Millisekunde zur Verfügung. Lange Zeit hatte man den Strahl mit diesem schlechten Tastverhältnis genutzt. Der nachgeschaltete, 164 m umfassende Stretcher-Ring kann heute die Pulse des Synchrotrons entweder über 20 msec speichern und in dieser Zeit gleichmäßig zum externen Experiment extrahieren, oder mehrere Pulse werden gesammelt, ggf. auf Energien über 3.2 GeV nachbeschleunigt und schließlich über lange Zeiten (Sekunden bis Minuten) gleichmäßig wieder extrahiert. Nach seinem Bau in den achtziger Jahren konnten die Experimente (In der Vergangenheit: PHOENICS, ELAN, SAPHIR, GDH und aktuell Crystal-Barrel) mit nahezu Gleichstrom versorgt werden.

Nebenprodukt bei der Beschleunigung von leichten geladenen Teilchen in Kreisbeschleunigern ist die sogen. Synchrotronstrahlung. Sie entsteht in den Ablenkdipolen der Maschine, ist äußerst intensiv und enthält über ein weites Spektrum auch hochenergetische Anteile (neben sichtbarem Licht insbes. UV- und Röntgenstrahlung). So besteht hier ein besonderes Interesse an deren Nutzung. Neben hochauflösender Lithographie ist insbesondere die Röntgen-Fluoreszenz-Spektroskopie zur Echtzeituntersuchung von chemischen Prozessen von Bedeutung, aber auch Strukturuntersuchungen an speziellen Materialien, z.B. Tiefenprofilanalysen von oberflächenbehandeltem Material, z.B. nach Implantation oder Dotierung mit Fremdatomen.

Zum Vergleich mit herkömmlichen Lichtquellen sei nur erwähnt, daß ein einzelnes in ELSA umlaufendes Elektron bereits so viel Synchrotronlicht abstrahlt, daß ein Mensch mit dem bloßen Auge nicht ohne Schaden davonzutragen in den Lichtstrahl blicken könnte. Nun werden in ELSA üblicherweise nicht einzelne Elektronen, sondern etwa 100 mA gespeichert, also die unvorstellbare Menge von ca. 10 hoch 11 Elektronen (die dann stundenlang ohne Nachfüllung umlaufen können).

Für die zukünftige Experimentegeneration, die derzeit im Aufbau ist, werden polarisierte Photonen benötigt, die mittels polarisierte Elektronen aus ELSA durch Bremsstrahlung an einer Photonenmarkierungsanlage (Taggingsystem) erzeugt werden können. In Kombination mit einem unpolarisierten oder polarisierten Protonen-Target können z.B. Baryonresonanzen vermessen werden. (Es wird hier flüssiger Wasserstoff bzw. Deuterium oder alternativ ein polarisiertes Frozen-Spin Butanoltarget verwendet). Die Elektronen in der Atomhülle können bei den Untersuchungen fast vernachlässigt werden, wenn man als Projektilteilchen nicht geladene wie Elektronen sondern ungeladene Teilchen wie Photonen nimmt. Dann sehen, d.h. wechselwirken, diese nur mit den Kernen, welche in den einfachsten Fällen nur aus Protonen bestehen.) Meist mißt man Asymmetrien, also unterschiedliche Ereignisraten, je nachdem ob die Spins von Projektil und Target parallel oder antiparallel zueinander stehen.

Schafft man es, die Polarisation der Elektronen auch während der Beschleunigung und der Extraktion zu erhalten – schon die Erzeugung niederenergetischer polarisierter Elektronenstrahlen in den "Polarisierte-Elektronen-Quellen" ist kompliziert genug und von der Technik viel aufwendiger als bei schwereren Teilchen – so kann nach der Umwandlung der Elektronen in Photonen (dies geschieht in einem Bremsstrahlprozeß an einer dünnen Folie) ein (teilweise) polarisierter hochenergetischer Photonenstrahl erzeugt werden.


Eine Besonderheit des Beschleunigers ELSA ist, daß ein Großteil der Anlage von Studenten, also Diplomanden und Doktoranden, konzipiert und umgesetzt wird. So wird hier die Herausforderung angenommen, mit den großen Forschungsinstituten mitzuhalten und teilweise weltweit einmalige technische oder physikalische Konzepte auszuprobieren.

Autor dieses Textes: M. Hoffmann, arbeitete von 1997 bis 2002 an der Bonner Beschleunigeranlage auf dem Gebiet Polarisierte Elektronen. Die erste Version dieses Textes ist in der Fachschaftszeitung erschienen.

Weitere Beschleuniger

Siehe auch