Kristallsystem

Kristallsysteme bieten ein symmetriebezogenes Klassifizierungsschema für kristalline Festkörper. In der Kristallographie werden die zu beschreibenden Kristalle mit Hilfe des Kristallsystems dreidimensional klassifiziert. Es gibt 7 verschiedene Kristallsysteme: triklin, monoklin, orthorhombisch, tetragonal, trigonal, hexagonal und kubisch.
Kristallsysteme finden hauptsächlich Anwendung in der Mineralogie, Festkörperchemie und Festkörperphysik.
Definition
Die höchstsymmetrische Punktgruppe eines Kristallsystems ist die so genannte Holoedrie. Wenn die Punktgruppe eines Kristalls die gleichen Anforderungen an das Gitter stellt, wie eine Holoedrie, dann gehört die Kristallstruktur zum betreffenden Kristallsystem. In der Regel ist die Symmetrie der Kristallstruktur niedriger als die Symmetrie des Gitters, und es kann sogar vorkommen, dass der Kristall zu einem niedrigersymmetrischen Kristallsystem gehört, als sein Gitter. Zum Beispiel ein Kristall mit Punktgruppe hat gezwungenermaßen ein Gitter, das mindestens Punktgruppe hat, und deshalb wird er dem tetragonalen Kristallsystem zugeordnet. Diese Zuordnung würde auch zutreffen, wenn der Kristall ein kubisches Gitter hätte.
Zuordnung der kristallographischen Punktgruppen zu den Kristallsystemen
Kristallsystem | Holoedrie | Punktgruppen (gekürzte Hermann-Mauguin-Symbole) |
---|---|---|
Triklin | , | |
Monoklin | ,, | |
Orthorhombisch | , , | |
Tetragonal | , , , , , , | |
Trigonal | , , , , | |
Hexagonal | , , , , , , | |
Kubisch | , , , , |
Koordinatensysteme
Sinnvollerweise wird bei der Beschreibung von Kristallen und Kristallstrukturen meistens kein kartesisches Koordinatensystem, sondern ein an das Kristallsystem angepasstes Koordinatensystem verwendet. Dadurch werden zum Beispiel alle Rotationsmatrizen der Symmetrieoperationen integrale Matrizen. Diese Koordinatensysteme erfüllen gewisse Bedingungen:
- Triklines Kristallsystem: Es werden die drei kleinstmöglichen primitiven Basisvektoren verwendet. Es gibt keine Bedingungen bezüglich Winkel und Längen der Basisvektoren.
- Monoklines Kristallsystem: Ein Basisvektor (üblicherweise die y-Achse) wird in die zweizählige Drehachse gelegt. Daraus ergeben sich zwei 90°-Winkel aber keine Beschränkung bezüglich der Achsenlängen.
- Orthorhombisches Kristallsystem: Die Basisvektoren werden in die 2-zähligen Drehachsen gelegt. Daraus ergeben sich drei 90°-Winkel (daher ortho) aber keine Beschränkung bezüglich der Achsenlängen.
- Hexagonales Kristallsystem: Eine Basisvektor (üblicherweise die z-Achse) wird in die 6-zählige Drehachse gelegt, die zwei anderen in die dazu senkrechten 2-zähligen Drehachsen. Man erhält zwei gleichlange Achsen in einer Ebene mit 120°-Winkel, die dritte Achse senkrecht dazu.
- Tetragonales Kristallsystem: Ein Basisvektor (üblicherweise die z-Achse) wird in die 4-zählige Drehachse gelegt, die zwei anderen in die dazu senkrechten 2-zähligen Drehachsen. Man erhält zwei gleichlange Achsen und drei 90°-Winkel.
- Trigonales Kristallsystem: Für dieses Kristallsystem sind zwei Koordinatenaufstellungen gebräuchlich: entweder drei gleichlange Basisvektoren und drei gleiche Winkel (rhomboedrisches Koordinatensystem), oder Aufstellung wie im hexagonalen Kristallsystem, aber mit rhomboedrischer Zentrierung.
- Kubisches Kristallsystem: Die Basivektoren werden in die 4-zähligen Achsen gelegt. Man erhält drei gleichlange Achsen und drei 90°-Winkel
Die gegebenen Bedingungen sind notwendig, aber nicht hinreichend: es ist durchaus möglich, dass die Achsen eines triklinen Kristalls gleichlang sind und jeweils 90° einschließen. Daraus folgt nicht, dass der Kristall kubisch ist!
Zu beachten ist, dass man durch diese symmetriebezogene Koordinatenaufstellung unter Umständen keine primitive Basis mehr erhält. Es ist daher nötig zusätzlich zum Kristallsystem noch die Zentrierung anzugeben, wodurch die 14 Bravais-Gitter erhalten werden.
Andere Einteilungen
Die oben angegebene Einteilung entspricht derjenigen aus den International Tables for Crystallography. In der Literatur finden sich noch andere: In der amerikanischen und der russischen werden das trigonale und das hexagonale Kristallsystem zu einem zusammengefasst. Der Hintergedanke dabei ist, dass man ein trigonales Gitter als ein hexagonales Gitter mit rhomboedrischer Zentrierung ansehen kann. In der französischen Literatur, und teilweise auch in der deutschen, gibt es mit dem rhomboedrischen ein achtes Kristallsystem. Diesem werden die trigonalen Raumgruppen mit rhomboedrischer Zentrierung zugeordnet. Die Einteilung der International Tables for Crystallography ist aber am konsistentesten und setzt sich daher immer mehr durch.
Siehe auch
Kristallstruktur, Bravais-Gitter, Lauegruppe