Zum Inhalt springen

Weißes Waldvöglein

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. Mai 2006 um 01:49 Uhr durch Blablapapa (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Weißes Waldvöglein
Weißes Waldvöglein (C. damasonium)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Familia: Orchideen (Orchidaceae)
Vorlage:Subfamilia: Epidendroideae
Vorlage:Tribus: Neottiae
Vorlage:Subtribus: Limodorinae
Vorlage:Genus: Waldvöglein (Cephalanthera)
Vorlage:Species: Weißes Waldvöglein
Wissenschaftlicher Name
Cephalanthera damasonium
(Mill.) Druce 1817

Das Weiße Waldvöglein oder Bleiche Waldvöglein (Cephalanthera damasonium) ist die Typusart der Gattung der Waldvöglein (Cephalanthera). Es ist im Vergleich zu vielen anderen Orchideen noch in vielen Gebieten häufig.

Morphologie, Blütezeit

Weißes Waldvöglein (C. damasonium), ungewöhnlich weit geöffnete Blüte

Die 8 bis 60 Zentimeter hohe Pflanze entspringt einem kurzen, waagrechten Rhizom. Am Grund des Stängels befinden sich ein bis drei schuppenartige Laubblätter, darüber folgen zwei bis sechs eiförmige bis lanzettliche mehr oder weniger zweizeilig angeordnete Laubblätter mit einer Länge von vier bis zehn Zentimeter und einer Breite von 1,5 bis 5 Zentimeter. Der Übergang von den Laubblättern zu den Tragblättern der Blüten ist meist fließend. Das unterste Tragblatt ist deutlich länger als die Blüten, nach oben werden sie deutlich kleiner.

Der Blütenstand ist lockerblütig mit 2 bis 20 Blüten besetzt. Die weiß bis cremegelb gefärbten Blüten stehen schräg aufwärts gerichtet oder senkrecht in den Achseln der Tragblätter, sie öffnen sich in der Regel kaum. Die Blütenblätter des äußeren Kreises des Perigon sind eiförmig bis lanzettlich, 15 bis 23 Millimeter lang und vier bis zehn Millimeter breit. Die beiden oberen Blütenblätter des inneren Kreises sind etwas kürzer mit einer Länge von 14 bis 19 Millimeter. Die Lippe ist in zwei Glieder geteilt. Sie ist 10 bis 16 Millimeter lang. Die Hinterlippe (Hypochil) ist dreieckig mit einem gelben Mal in der Mitte und an den Seiten hochgebogen. Die Vorderlippe (Epichil) ist herzförmig und ebenfalls an den Seiten hochgebogen, die Spitze etwas nach unten. Auf der Lippe befinden sich drei bis fünf gelb bis orange gefärbte Längsleisten. Die Blüten können zwar fremdbestäubt werden, doch ist Selbstbestäubung die Regel. Der Fruchtansatz ist dementsprechend sehr hoch und liegt bei 80 %. Die reifenden Samenkapseln sind deutlich größer als bei den anderen heimischen Waldvöglein-Arten. Sie sind steil aufwärts gerichtet, 23 bis 35 Millimeter lang und 8 bis 12 Millimeter breit. Durch die großen Samenkapseln lässt sich das Weiße Waldvöglein auch nach der Blüte und sogar im vertrockneten Zustand noch gut bestimmen.

Die Blütezeit erstreckt sich von Mai bis Juli.

Genetik, Mykotrophie

Das Weiße Waldvöglein hat einen Karyotyp von zwei Chromosomensätzen und jeweils 18 Chromosomen (Zytologie: 2n = 36). Der Same dieser Orchidee enthält keinerlei Nährgewebe für den Keimling. Die Keimung erfolgt daher nur bei Infektion durch einen Wurzelpilz (Mykorrhiza). Die Pflanze ist auch im erwachsenen Stadium weiterhin auf die Mykorrhiza angewiesen. Indikatoren dafür sind die oft sehr dunklen Standorte und die gelegentlich auftretenden, gänzlich chlorophyllfreien Pflanzen.

Wie kürzlich gezeigt werden konnte (JULOU et al., 2005), beziehen auch grüne Individuen des Weißen Waldvögeleins fast die Hälfte ihres Kohlenstoffs von ihren Wurzelpilzen. Unter diesen befanden sich mehrere Arten, die Ektomykorrhizapartner von Bäumen sind. Somit ist wahrscheinlich der umgebende Baumbestand die primäre C-Quelle des von den Orchideen aufgenommenen pilzlichen Kohlenstoffs (Epiparasitismus). Das Weiße Waldvögelein steht also in seiner Ernährungsweise zwischen autotrophen grünen Orchideenarten (wie dem Frauenschuh) und myko-heterotrophen, bleichen Arten (wie der Vogel-Nestwurz und der Korallenwurz). Eine solche "Mischernährung" wird als partielle Myko-Heterotrophie oder Mixotrophie bezeichnet.

Das Weiße Waldvöglein am Standort in einem Mischwald am südlichen Rand der Hohenloher Ebene)

Hauptsächlich besiedelt das Weiße Waldvöglein lichten bis dunklen Laub-, Nadel- und Mischwald auf trockenen bis frischen Böden. Auch in Gebüschen auf Halbtrocken- und Trockenrasen ist es zu finden. Nur selten wächst es auf Halbtrockenrasen ohne Schutz durch Gehölze.

Besonders in jungen Fichtenmonokulturen mit einem Alter von etwa 15 bis 20 Jahren kann es sich in kurzer Zeit sehr stark ausbreiten. Rund 1.500 Pflanzen oder mehr auf einer Fläche von 2.500 m² sind möglich. Nach nur wenigen Jahren nimmt diese Zahl wieder stark ab und es bleiben nur noch wenige Pflanzen übrig.

Es kommt in folgenden Pflanzengesellschaften vor:

  • Verband Cephalanthero-Fagenion, dessen Charakterart das Weiße Waldvöglein ist.
  • Verband Mesobromion

(Aufschlüsselung siehe: Pflanzensoziologische Einheiten nach Oberdorfer)

Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Südeuropa bis Südskandinavien, weiter bis Vorderasien, außerdem in Kaukasien und an der Westküste des Kaspischen Meer.

Es ist ein Florenelement der mediterranen, submediterranen, pannonischen, danubischen, süd- und mittelatlantischen, subatlantischen und zentraleuropäischen Florenzone, in geringerem Maß auch der pontischen und sarmatischen Zone.

In Deutschland meidet das Weiße Waldvöglein die Regionen mit weitgehend kalkfreien Böden. Daher ist es im norddeutschen Tiefland bis zum Rand der Mittelgebirgsschwelle, dem Bayerischen Wald, dem Schwarzwald und in Bayern zwischen Alpenvorland und Donau sehr selten bis fehlend.

In der Schweiz liegen die Hauptverbreitungsgebiete in der Nordschweiz und um die größeren Seen (Genfersee, Vierwaldstättersee, Neuenburgersee, Brienzersee und Thunersee), sowie entlang des Rhein- und des Rhonetals. In der restlichen Schweiz ist die Art bisher nur sehr selten nachgewiesen worden.

Naturschutz und Gefährdung

Trotz der noch stellenweise individuenreichen Vorkommen steht das Weiße Waldvöglein unter strengem Schutz europäischer und nationaler Gesetze.

Auch bei den ehemals häufigen Arten ist seit geraumer Zeit ein Rückgang feststellbar. Die Waldwirtschaft wurde ebenso wie die Landwirtschaft intensiviert, durch Kahlschläge können schnell größere Standorte verloren gehen. Eine Gefahr ist das besonders dort, wo das Weiße Waldvöglein bereits selten ist oder nur selten vorkommt. Der Stickstoffeintrag über die Luft macht sich ebenfalls in den Wäldern bemerkbar, Brombeeren und Brennesseln machen sich breit und nehmen den Orchideen als konkurrenzschwächeren Pflanzen den Lebensraum.

Unterarten, Variabilität, Hybriden

Als Unterart wird geglegentlich Kotschys Waldvöglein (C. kotschyana) als Cephalanthera damasonium subsp. kotschyana eingestuft.

Das Weiße Waldvöglein ist in der Regel wenig variabel. Bekannt sind:

  • Pflanzen ohne Chlorophyll
  • Albinos mit reinweißen Blüten
  • hellgelb gefärbte Blüten.

Hybriden sind selten, obwohl die Arten sich ihre Standorte oft teilen. Bedingt ist dies beim Weißen Waldvöglein durch die sich kaum öffnenden Blüten und die damit verbundene Selbstbestäubung. Dennoch sind folgende Hybriden beschrieben worden.

  • Cephalanthera × schulzei (damasonium × longifolia)
Nicht einfach zu bestimmen ist die Hybride des Weißen Waldvöglein mit dem Schwertblättrigen Waldvöglein. Die Laubblätter sind dem Weißen Waldvöglein ähnlich, die Tragblätter der Blüten sind deutlich kleiner und mehr dem Schwertblättrigen Waldvöglein angenähert. Die Blüten sind in Form und Haltung intermediär.
  • Cephalanthera × mayeri (damasonium × rubra)
Meist deutlich intermediär zwischen dem Weißen Waldvöglein und dem Roten Waldvöglein ist diese Hybride.

Das Weiße Waldvöglein wurde 1768 von Philip Miller als Serapias damasonium beschrieben, der Name stellt das Basionym dar. Die Gattung Cephalanthera wurde zwar schon 1817 begründet, aber erst 1906 erfolgte die Überführung durch der Art George Claridge Druce zu dieser Gattung.

Synonyme:

  • Serapias damasonium Mill. 1768 (Basionym)
  • Serapias latifolia Mill. 1768
  • Epipactis alba Crantz 1769
  • Serapias grandiflora Oeder 1770
  • Serapias tota-alba Gilib. 1792
  • Epipactis lancifolia F.W. Schmidt 1795
  • Serapias alba (Crantz) Salisb. 1796
  • Cymbidium pallens Sw. 1799
  • Serapias lancifolia (F.W. Schmidt) Roth 1799
  • Epipactis ochroleuca Baumg. 1817
  • Serapias ochroleuca (Baumg.) Steud. 1821
  • Cephalanthera lancifolia (F.W. Schmidt) Dumort. 1827
  • Serapias pallens (Sw.) S.B. Jundz. 1830
  • Cephalanthera ochroleuca (Baumg.) Rchb. 1831
  • Cephalanthera acuminata Ledeb. 1852
  • Cephalanthera alba (Crantz) Simonk. 1887
  • Cephalanthera latifolia Janch. 1907
  • Cephalanthera yunnanensis Hand.-Mazz. 1936
  • Cephalanthera damasonium lus ochroleuca (Baumg.) Soó 1970

 

Literatur

Standardliteratur über Orchideen

  • Karl-Peter Buttler: Orchideen, die wildwachsenden Arten Europas. Mosaik Verlag 1986, ISBN 3-570-04403-3
  • Robert L. Dressler: Die Orchideen - Biologie und Systematik der Orchidaceae. (1996) - gutes Werk zum Thema Systematik [deutsch]
  • Hans Sundermann: Europäische und mediterrane Orchideen. Brücke-Verlag, 2. Auflage: 1975, ISBN 3-871-05010-5
  • J. G. Williams: Orchideen Europas mit Nordafrika und Kleinasien. BLV Verlag, ISBN 3-405-11901-4
  • AHO (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands. Verlag AHO Thüringen, Uhlstädt - Kirchhasel 2005, ISBN 3-00-014853-1

Ernährungsweise beim Weißen Waldvögelein

  • JULOU, T., BURGHARDT, B., GEBAUER, G., BERVEILLER, D., DAMESIN, C. & M.-A. SELOSSE (2005): Mixotrophy in orchids: insights from a comparative study of green individuals and nonphotosynthetic individuals of Cephalanthera damasonium. – New Phytologist 166(2): 639-654.

Verbreitungskarten:

Regionales:

Literatur:

Weitere Bilder

Vorlage:Commons3