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Thomas Pynchon

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Thomas Ruggles Pynchon, Jr. (* 8. Mai 1937) ist ein amerikanischer Schriftsteller.

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Thomas Pynchon (um 1957)


Biografie

Pynchon entstammt einer alten neuenglischen Familie. Ihr Name taucht beispielsweise in Nathaniel Hawthornes Roman Das Haus der sieben Giebel (1851) als Pyncheon auf. Er wurde in Glen Cove auf Long Island (New York) als Sohn von Thomas Ruggles Pynchon, Sr. und Katherine Frances Bennett Pynchon geboren. Er studierte Physik an der Cornell-Universität, wo er Schüler von Vladimir Nabokov war; auch war er dort mit Richard Fariña befreundet, zu dessen Roman Been Down So Long It Looks Like Up To Me (1966) er 1983 ein Vorwort verfaßte.

Er unterbrach das Studium 1955, um zwei Jahre bei der US Navy zu dienen.Nach seinem Abschluß 1958 lebte er ein Jahr im New Yorker Greenwich Village, wo er an seinem ersten Roman arbeitete. 1960 fing er als technischer Redakteur bei Boeing an. Nach dem Erscheinen seines ersten Romans V. 1963 schottete er sich völlig von der Öffentlichkeit ab und lebte fortan wohl an der amerikanischen Westküste. Spätestens seit den 1990ern wohnt er in Manhattan mit seiner Frau und Agentin Melanie Jackson und ihrem Sohn, Jackson Pynchon. 1997 spürte ihn dort ein Reporter von CNN auf. Pynchon verbat sich die Veröffentlichung der dabei entstandenen Aufnahmen als Verletztung seiner Privatsphäre, gab dem Sender aber ein kurzes Interview.

Es kursieren nur einige über vierzig Jahre Fotos von Pynchon; zu sehen sind sie z.B. im Film "A Journey Into The Mind Of [P.]" (2001), der sein Leben und Werk thematisiert. Jüngst hatte Pynchon einen Gastauftritt in einer Episode der Simpsons (Diatribe of a Mad Housewife). Er spricht sich selbst, seine Figur hat allerdings eine Tüte mit einem Fragezeichen über den Kopf gestülpt.

Werk

Ähnlich J.D. Salinger, für den er schon gehalten wurde und der zurückgezogen lebt wie Thomas Pynchon, beschränkt sich sein literarisches Schaffen auf wenige Werke: 5 Romane und einige Kurzgeschichten. Seine Bücher zeichnen sich durch stilistische Virtuosität und enzyklopädische Informationsfülle aus. Ein immer wiederkehrender Handlungsfaden Pynchons ist die Suche, wobei letztlich unklar bleibt, ob das Objekt der Suche überhaupt existiert oder nur Einbildung ist. Auch zählen Todessehnsucht, Paranoia und Entropie zu den Hauptthemen in seinen Büchern. Routiniert wechselt er dabei von einer literarischen Gattung in die nächste, ist in der Welt der Comics und Zeichentrickfilme ebenso zu Hause, wie er Technik und Physik mit Religion, Psychologie und Kulturgeschichte in Zusammenhang zu bringen vermag. Sein Werk wurde oft mit dem von James Joyce verglichen. Wegen der Komplexität seiner Bücher gilt er als schwierig zu lesender Autor und ist deshalb der breiten Öffentlichkeit unbekannt.

Sein nächster Roman soll nach Informationen des ehemaligen Staatsministers für Kultur und Medien, Dr. Michael Naumann, der Pynchon persönlich kennt, von der russischen Mathematikerin Sonja Kowalewski handeln, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Göttingen bei dem deutschen Mathematiker David Hilbert studiert hat. Für die Recherchen befand Pynchon sich zeitweise in Deutschland.

V.

Als V. 1963 erschien, brachte es Thomas Pynchon, der bis dahin durch eine Reihe von Kurzgeschichten auf sich aufmerksam gemacht hatte, auf Anhieb den Ruf eines der bedeutendsten Gegenwartsautoren ein. Er erhielt dafür im gleichen Jahr den William Faulkner Foundation First Novel Award für den besten Erstlingsroman des Jahres.

Das Buch handelt von zwei gegensätzlichen Figuren: Benny Profane und Herbert Stencil. Profane lebt im New York der 50er Jahre und läßt sich durch sein Leben treiben. Ihm gegenüber steht die Suche Herbert Stencils nach V., einer geheimnisvollen Frau, die in kritischen Perioden der europäischen Geschichte in verschiedenen Gestalten auftaucht und im Leben von Stencils Vater, einem ehemaligen britischen Geheimagenten, eine besondere Rolle gespielt hat. Je mehr sich Stencil in seine Suche hereinsteigert, desto wahrscheinlicher wird die Möglichkeit, daß es sich bei V. jedoch nur um ein Hirngespinst Stencil handeln könnte. Die Handlung um V. spielt an den verschiedensten Plätzen der Erde, vom Ägypten des Jahres 1898 über Florenz ein Jahr später, Paris im Jahr 1913, Deutsch-Südwestafrika 1922, Malta im zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart.

Die Versteigerung von № 49 (engl. The Crying of Lot 49)

1966 erschien Pynchons zweiter Roman, der mit Vineland zu seinen zugänglicheren Büchern gehört. Es erhielt den Richard and Hilda Rosenthal Foundation Award.

Im Umfang eher klein, behandelt das Buch im wesentlichen die Suche von Oedipa Maas, die als Testamentsvollstreckerin für Pierce Inverarity eingesetzt worden ist, einem Ex-Liebhaber von ihr. Im Laufe der Ereignisse stellt sich heraus, daß es anscheinend ein von der offiziellen Welt losgelöstes, geheimes Post- und Kommunikationsnetz gibt, das die Bezeichnung W.A.S.T.E. trägt (We Await Silent Tristero's Empire), wobei Tristero ein anarchistisches Netzwerk ist, das durch die Jahrhunderte hinweg existiert hat und die existierende Gesellschaftsordnung zu zerstören trachtet. Während die Hinweise immer dichter werden, konkrete Anhaltspunkte Oedipa aber gleichzeitig immer wieder im letzten Moment entgleiten, dämmert ihr (und dem Leser), dass es sich genau so gut um eine Wahnvorstellung handeln könnte und daß diese Frage für das Subjekt praktisch unentscheidbar ist.

Die Enden der Parabel (engl. Gravity's Rainbow)

Der Roman Die Enden der Parabel (womit die mathematische Parabel als Flugbahn gemeint ist) erschien 1973 und gilt als Pynchons Hauptwerk. Er wurde 1974 mit dem National Book Award ausgezeichnet. Im gleichen Jahr sollte er nach einstimmigem Beschluß der Jury den Pulitzer-Preis für den besten Roman erhalten. Das Vergabekomitee widersetzte sich jedoch diesem Beschluß, erklärte das Buch für obszön und unlesbar, und so wurde der Preis in diesem Jahr nicht vergeben.

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Testabschuß einer V2

Es ist schlechthin unmöglich, eine Inhaltsangabe des Romans zu liefern, da er sich in zahllosen in einander verschlungenen Handlungssträngen verliert. Zudem ist nie klar, welche Episoden sich tatsächlich ereignen, welche geträumt oder im Drogenrausch halluziniert werden. Es gibt an die 400 Personen, von denen manche wieder verschwinden, einige hundert Seiten später aber unvermittelt wieder aufzutauchen. Pynchon verlangt dem Leser ständige Wachsamkeit ab.

Die Ereignisse in Die Enden der Parabel spielen sich größtenteils in den Kriegsjahren 1944 und 1945 ab. Im Mittelpunkt der Ereignisse steht immer wieder die deutsche V2-Rakete. Die Handlung setzt im London zur Zeit der Raketenangriffe ein und einer der Handlungsstränge handelt von Tyrone Slothrop, der als eine Art übersinnliche Begabung mit einer Erektion auf sich nähernde V2 reagiert.

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Tarot: Der Tod

Im Verlauf der Ereignisse stellt sich heraus, daß Slothrop als Kind von dem Wissenschaftler Laszlo Jamf auf einen neuen Kunststoff der IG Farben, Imipolex G, konditioniert worden ist, der später dann auch im Schwarzgerät, der Rakete mit der Seriennummer 00000, verarbeitet wurde. Ein großer Teil des Buches behandelt Slothrops Reise durch Deutschland (im Buch Die Zone genannt) auf der Suche nach seiner Identität und dem S-Gerät.

Gravity's Rainbow ist außerdem mit zahllosen mehr oder minder obskuren Querverweisen gespickt. Einige immer wiederkehrende Motive sind die Kabbala, Astrologie, Tarot und andere esoterische Geheimwissenschaften, germanische, griechische und Herero-Mythologie, puritanische Theologie, die Opern von Rossini und Wagner, die Operetten von Gilbert und Sullivan, die Lyrik Rilkes und d'Annunzios, Kohlenstoffderivate sonder Zahl, Statistik, Stochastik und Ballistik, die pawlowsche Konditionierung, King Kong, Dumbo und Der Zauberer von Oz, und nicht zuletzt Schweine - Pynchons Lieblingstiere.

Spätzünder (engl. Slow Learner)

"Spätzünder" stellt eine 1984 erschienene Sammlung früher Kurzgeschichten Pynchons dar, die zuvor nur in Magazinen erschienen waren:

  • Der Kleine Regen (The Small Rain)
  • Tiefland (Low-lands)
  • Entropie (Entropy)
  • Unter dem Siegel (Under the Rose)
  • Die heimliche Integration (The Secret Integration)

Vineland

Pynchons vierter Roman erschien 1990 und gilt als sein lesbarstes, da konventionellstes Buch. Sein Titel spielt auf den hoffnungsvollen Namen an, den die wikingischen Entdecker Amerika gaben - Vinland. Vineland ist somit eine Jeremiade, die das Versprechen eines paradiesischen Amerika der sozialen Realität der achtziger Jahre gegenüberstellt, denn Pynchon zeichnet darin das trostlose Bild einer von Reaganomics, dem Fernsehen und Shopping-Malls bestimmten Nation.

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Bewegte Studenten (Berkeley, 1965)

Vineland ist auch ein Familienroman, der drei Generationen und 40 Jahre kalifornischer Geschichte umspannt. Der Taugenichts Zoyd Wheeler lebt mit seiner vierzehnjährigen Tochter Prairie in der Gegend nördlich von San Francisco, umgeben von Althippies und anderen merkwürdigen Gestalten. Die Rückkehr der untergetauchten Mutter Prairies, der vom FBI gesuchten Frenesi Gates, macht die beiden selbst zu Gehetzten. Rückblenden berichten von Frenesis Verwicklungen mit der radikalen Studentenbewegung der 60er Jahre, und auch von der Unterdrückung der amerikanischen Arbeiterbewegung während der 30er Jahre, in der Frenesis Mutter aktiv war.

Mason & Dixon

Mason & Dixon, das 1997 erschien, ist die Geschichte einer Männerfreundschaft. Sprachlich im Stil des 18. Jahrhunderts gehalten, erzählt es die Geschichte der Zusammenarbeit von Charles Mason und Jeremiah Dixon, die zwischen 1763 und 1769 gemeinsam die Mason-Dixon-Linie vermaßen, die traditionell die Grenze zwischen den amerikanischen Nord- und Südstaaten darstellt. Mason und Dixon verfolgen diese Linie immer weiter nach Westen, und die Landschaft erscheint dabei zunehmend unwirklicher.

Auch in diesem Buch verbreitet sich Pynchon über die verschiedensten Abwegigkeiten wie die Hohlwelttheorie oder Feng Shui, und spinnt eine nette Verschwörungstheorie, in der Jesuiten und Chinesen eine erstaunliche Rolle spielen. Als Charaktere treten unter anderem Benjamin Franklin, George Washington, ein sprechender Hund und Vaucansons historisch verbürgte automatische Ente auf.

Essays, Verschiedenes

1959 erschien die Kurzgeschichte Mercy and Mortality in Vienna in der Zeitschrift Epoch; sie erschien 1983 auf deutsch unter dem Titel "Sterblichkeit und Erbarmen in Wien". 1

Pynchon schrieb zudem gelegentlich Essays zu verschiedenen Themen:

  • A Journey into the Mind of Watts (1966) behandelt Rassenunruhen in Watts, einem Vorort von Los Angeles.2
  • Is it O.K. to be a Luddite? (1984) befaßt sich mit der Geschichte des Luddismus 3
  • Nearer, My Couch, to Thee (1993) erschien in einer Reihe der New York Times Book Review, in der prominente Autoren über die sieben Todsünden schrieben. Pynchon knöpfte sich die Faulheit vor. 4

Pynchon verfaßte außerdem Einführungen zu Richard Fariñas Roman Been Down So Long It Looks Like Up To Me, zu den Werken Donald Barthelmes, zu Jim Dodges Roman Stone Junction, und zuletzt zu George Orwells 1984.

Apokrypha

Pynchon wird - wie auch William Gaddis, für den er lange gehalten wurde - der Urheberschaft der Wanda-Tinasky-Briefe (1983-88) verdächtigt, dementierte dies aber über seine Agentin und Ehefrau Melanie Jackson.

Über Pynchon

Pynchon ist wohl einer der meistbearbeiteten Schriftsteller der Gegenwart; die Literatur zu seinen Büchern wächst stetig an. Seit 1979 erscheinen die Pynchon Notes, die sich ausschließlich mit seinem Werk befaßssen. Weiterhin seien empfohlen:

  • Bloom, Harold. ed. Thomas Pynchon. New York: Chelsea House Publishers, 1986.
  • Tanner, Tony. Thomas Pynchon. London: Methuen, 1982.
  • Weisenburger, Steven. A Gravity's Rainbow Companion. Athens: U Georgia Press, 1988.

Hörbuch

  • Denis Scheck: Thomas Pynchon - Eine Rasterfahndung (2000)