Hartmann von Aue

Hartmann von Aue († zwischen 1210 und 1220) gilt neben Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg als der bedeutendste Epiker der sogenannten mittelhochdeutschen Klassik um 1200. Gemeinsam mit Heinrich von Veldeke steht er am Beginn des aus Frankreich übernommenen höfischen Romans. Von ihm sind die Verserzählungen Erec, Gregorius, Der arme Heinrich, Iwein, Das Klagebüchlein sowie einige Minne- und Kreuzlieder überliefert.
Leben
Hartmanns Name ist – wie die Namen der meisten mittelalterlichen Dichter – in keiner Urkunde bezeugt, so dass die Rekonstruktion seiner Lebensumstände auf eigene Äußerungen in seinen Werken und Nennungen durch andere Autoren angewiesen ist.
Zeitliche Einordnung
Das literarische Schaffen Hartmanns kann nur durch Querverbindungen zu Werken anderer Dichter zeitlich eingegrenzt werden. Chrétiens de Troyes Érec et Énide und Yvain, die altfranzösischen Quellen für Hartmanns Erec und Iwein, entstanden um 1165 bzw. um 1177. Deshalb geht man davon aus, dass Hartmann nach 1180 als Dichter in Erscheinung trat. Spätestens 1205 waren alle Versromane Hartmanns bekannt, denn Wolfram von Eschenbach nimmt im Parzival auf den Iwein Bezug (253,10-14; 436,4-10), der aus stilistischen Gründen als letzter der vier Romane Hartmanns gilt.
In diesem Rahmen ist es sowohl möglich, dass Hartmann erst gegen 1190 zu schreiben begann, als auch, dass zu dieser Zeit schon alle Epen vorlagen. Letztere Annahme ist jedoch nicht allzu wahrscheinlich, da um 1210 Gottfried von Straßburg in einem Literaturkatalog im Tristan Hartmann unter den lebenden Dichtern nennt (V. 4621-4635). Heinrich von dem Türlin beklagt dagegen nach 1220 in der Crône seinen Tod (V. 2372-2437).
Hartmanns Kreuzlieder spielen entweder auf den dritten Kreuzzug (1189) oder den von Heinrich VI. vorbereiteten sogenannten deutschen Kreuzzug (1197) an, der wegen Heinrichs Tod nicht zur Ausführung kam. Eine eigene Teilnahme Hartmanns an einem Kreuzzug ist umstritten. Der Tod eines Gönners, der in den Kreuzliedern zweimal erwähnt wird, ist als Tod des Zähringers Berthold IV. 1186 interpretierbar.
Stand, Bildung und Herkunft
Die meisten Informationen über Hartmanns Lebensumstände liefern die Prologe und Epiloge seiner Werke. Besonders in den Prologen des Armen Heinrich und in kaum abgewandelter Form des Iwein macht Hartmann Aussagen über sich selbst:
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Es war einmal ein Ritter, der so gebildet war, |
- (Hartmann von Aue: Der arme Heinrich, V. 1-5. Hg. v. Ursula Rautenberg, übersetzt von Siegfried Grosse. Stuttgart 1993.)
Hartmann rechnet sich demnach dem Stand der Ministerialen zu und betont seine Schulbildung, gemeint ist lateinische Bildung, die für einen Ritter um 1200 ungewöhnlich ist. Die legendenhaften Werke Gregorius und Armer Heinrich sowie die Klage zeigen auch philosophische, theologische und rhetorische Grundkenntnisse, die eine Ausbildung an einer Domschule wahrscheinlich macht. Der Besuch einer Klosterschule hätte ihm dagegen wohl nicht offengestanden. Da Erec und Iwein aus den französischen Vorlagen Chrétiens übertragen wurden, muss Hartmann auch über gute Französischkenntnisse verfügt haben.
Hartmann schrieb in einem quasi-normierten Mittelhochdeutsch, das Dialekteigenheiten möglichst tilgte und eine Verbreitung außerhalb des eigenen Dialektraums erlaubte, doch weisen seine Reime auf den alemannischen Raum. Dazu passt die Bezeichnung Hartmanns als von der Swâben lande bei Heinrich von dem Türlin (Crône, V. 2353). So lässt sich Hartmanns Herkunft auf das Herzogtum Schwaben eingrenzen.
Aue ist ein so häufiger Ortsname, dass sich der genaue Herkunftsort Hartmanns nicht festmachen lässt. Unter den diskutierten Orten namens Aue oder Au weisen die Indizien am wahrscheinlichsten auf Au bei Freiburg. Dort lässt sich seit 1112 ein Ministerialengeschlecht im Dienst der Zähringer nachweisen, zu den urkundenden Mitgliedern zählt auch ein Henricus de Owon bzw. de Owen.
Auffallend ist die Namensgleichheit mit dem Helden des Armen Heinrich: Heinrich von Ouwe (V. 49) der den vürsten gelîch (V. 43) ze Swâben gesezzen (V. 31). Als Interpretation bietet sich an, hier entweder die eigene Familiengeschichte Hartmanns zu sehen oder eine Huldigung an die Familie des Auftraggebers. Da die Nachkommen des reichsfürstlichen Heinrich durch dessen Ehe mit einem bäuerlichen Mädchen den Adelsstand verlieren, scheint die erste Erklärung die plausiblere zu sein.
Mögliche Mäzene Hartmanns
Als Gönner Hartmanns kommen in erster Linie die Zähringer in Frage. Eine Verbindung ist auch deshalb plausibel, weil die Zähringer enge Kontakte nach Frankreich unterhielten, die bis in den Wirkungskreis Chrétiens de Troyes reichten, so dass Hartmann auf diesem Wege zu seinen Vorlagen für Erec und Iwein gelangt sein könnte. Auch das Wappen, das den Autorenbildern Hartmanns in den Liederhandschriften Anfang des 14. Jahrhunderts beigegeben wird, lässt sich als Abwandlung des Zähringer-Wappens deuten: Weiße Adlerköpfe auf blauem bzw. schwarzem Gund.
Als mögliche Mäzene, ohne die ein mittelalterlicher Dichter nicht hätte arbeiten können, kommen auch die Staufer und die Welfen in Betracht. Besonders die Welfen betätigten sich in den Jahrzehnten vor 1200 nachgewiesenermaßen als Förderer höfischer Versepik.
Werke
Chronologie
Aus stilistischen Gründen lässt sich eine innere Chronologie der Werke erschließen, derzufolge das Klagebüchlein am Anfang steht. Erec ist der erste Versroman Hartmanns, gefolgt vom Gregorius, dem Armen Heinrich und Iwein. Obwohl diese Reihenfolge fast ausschließlich auf Sprachuntersuchungen basiert, ist sie in der Forschung weitgehend anerkannt. Möglich wäre allerdings auch die Entstehung des Armen Heinrich nach oder parallel zum Iwein. Die Stellung der Klage als erstes Werk ist nicht ganz deutlich, allerdings bezeichnet sich Hartmann darin selbst als jungelinc (V. 7).
Eine Reihenfolge der Lieder muß hypothetisch bleiben. Unklar ist schon, ob die erhaltenen Lieder annähernd das vollständige lyrische Œuvre Hartmanns überliefern. Auch über die Aufführungspraxis wissen wir wenig. Sollten sie im Ganzen eine Geschichte erzählen, ließe sich eine Dramaturgie erschließen, die dann auch auf Selbsterlebtes zurückgreifen könnte. Doch ein solcher Zyklus bleibt Spekulation und gilt als eher unwahrscheinlich, so daß nur die Kreuzlieder an historische Ereignisse angebunden werden können - aber selbst das bleibt umstritten.
In der früheren Forschung wurde eine Persönlichkeitsentwicklung Hartmanns angenommen und daraus eine frühe Schaffensphase mit den weltlichen arthurischen Epen Erec und Iwein abgeleitet, auf die dann, nach einer persönlichen Krise, die religiösen Erzählungen Gregorius und Armer Heinrich gefolgt seien. Diese Sicht stützte sich einerseits auf den Gegensatz zwischen den weltlichen Minneliedern und den Kreuzzugsliedern und andererseits auf den Prolog des Gregorius. Hier erteilt Hartmann den eitlen Worten seiner Jugend eine Absage, mit denen er in der Vergangenheit den Beifall der Welt gesucht hätte. Nun aber wolle er mit einer religiösen Erzählung diese Sündelast mildern. Eine solche autorpsychologische Interpretation wird heute aber wegen des topischen Charakters der Prologaussagen für Hartmann wie für die meisten mittelalterlichen Autoren weitgehend abgelehnt.
Das Klagebüchlein
Als erstes Werk Hartmanns gilt Das Klagebüchlein, auch Die Klage oder Das Büchlein. Das Reimpaargedicht umfasst 1914 Verse und ist wie der Erec lediglich im Ambraser Heldenbuch überliefert (um 1510). Es ist in der Form einer gelehrten Disputation verfasst. Gesprächspartner sind das herze als geistiges Zentrum und der lîp als körperlich-sinnlicher Teil des Menschen. Thema des Streitgesprächs ist der Sinn der hohen Minne und das richtige Verhalten des Mannes bei der Werbung um eine Frau.
Das literarische Muster des Streits zwischen Seele und Leib war in der religiösen mittelalterlichen Dichtung weit verbreitet, die Übertragung in die weltliche Sphäre durch Hartmann hatte dagegen keine direkten Vorläufer oder Nachfolger im deutschsprachigen Raum. Erst im 14. Jahrhundert sind vergleichbare Minnereden zahlreich überliefert - Hartmanns Werk war zu dieser Zeit aber wohl schon vergessen. Diskutiert wird eine mögliche französische oder provençalische Vorlage, da die Minnelehre die modernste Minnekonzeption aus Frankreich adaptiert. Auf französische Quellen deutet auch eine Textstelle, in der davon gesprochen wird, das herze habe den Kräuterzauber aus Frankreich gebracht (V. 1280). Die Suche nach überlieferten französischen Texten, die für eine solche Vorlage in Frage kommen könnten, blieb allerdings erfolglos.
Lieder

Insgesamt sind 18 Töne (d.h. Strophen zu denen vermutlich jeweils eine eigene Melodie gehört) bzw. 60 Strophen unter Hartmanns Namen überliefert. Der Codex Manesse enthält sämtliche Strophen, die Weingartner Liederhandschrift 28, die Kleine Heidelberger Liederhandschrift 10, dazu kommt vereinzelt Streuüberlieferung. Die drei Kreuzlieder Hartmanns sind im Codex Manesse überliefert, eines davon auch in der Weingartner Liederhandschrift.
Thematisch stehen die Minnelieder dem didaktischen Text des Klagebüchleins nahe. Hier wie dort werden die subjektiv-erotischen und die gesellschaftlich-ethischen Aspekte der Geschlechterliebe im Sinne der höfischen Minne diskutiert. Thematisch sind davon die Kreuzlieder unterschieden, die formal aber mit den Minneliedern das lyrische Œuvre Hartmanns bilden.
Charakteristisch für Hartmann ist ein ernster, nüchterner und rationaler Stil, der sich argumentierend im höfischen Minnediskurs bzw. in der Auseinandersetzung mit der Kreuzzugsthematik bewegt. Im Urteil der Literaturhistoriker, die Hartmann als Lyriker lange Zeit keinen besonderen Rang eingeräumt hatten, werden die Minnelieder etwa seit den 1960er Jahren zunehmend positiv bewertet. Lediglich den Kreuzliedern war schon immer ein hoher literarischer Wert zuerkannt worden.
In der deutschsprachigen Kreuzzugslyrik nehmen die beiden Lieder eine Sonderstellung ein. Kein anderer Dichter, ausgenommen Walther von der Vogelweide mit seiner Elegie, greift mit solchem Ernst ethische Grundfragen auf.
Das größte interpretatorische Problem der Lieder Hartmanns ist ihr biographischer Gehalt. In der älteren Forschung wurde das Werk Hartmanns autorpsychologisch gedeutet und eine Kreuzzugsteilnahme als Abschluß einer persönlichen Entwicklung betrachtet, seine Kreuzzugsdichtung als Absage an die irdische zugunsten der Gottesminne verstanden. Ob Hartmann tatsächlich an einem Kreuzzug teilgenommen hat, muß hypothetisch bleiben, eine reale Teilnahme scheint jedoch wahrscheinlicher als der Bruch eines Kreuzzugsgelübdes.
Artusepik: Erec und Iwein
Siehe Hauptartikel: Erec und Iwein.
Erec und Iwein gehören dem Sagenkreis vom König Artus an, beiden liegen französische Epen von Chrétien de Troyes zu Grunde. Hartmann übertrug den Erec sehr frei in die deutsche Sprache und nahm dabei Rücksicht auf seine literarisch weniger vorgebildeten Hörer nahm. Bei der Übertragung des Iwein hielt er sich, bei aller künstlerischen Souveränität, enger an seine Vorlage.
Der Erec gilt als erster Roman Hartmanns. Zugleich war er der erste Artusroman im deutschsprachigen Raum und nach dem Eneasroman Heinrichs von Veldeke der erste höfische Roman, der die aktuelle Minnekonzeption aus Frankreich aufnahm. Der Erec ist, wie das Klagebüchlein, lediglich im Ambraser Heldenbuch überliefert (um 1510). Da der Prolog in dieser einzigen Handschrift fehlt, gibt es leider keine Anhaltspunkte auf den Auftraggeber oder die Umstände der Entstehung.
Strukturell ist beiden Artusepen ein so genannter Doppelweg gemeinsam: Der Held gewinnt durch âventiure gesellschaftliche Anerkennung am Hofe König Artus' und die Hand einer schönen Dame (die Leitbegriffe sind hier êre und minne) und gelangt so aus der Namenlosigkeit zum Gipfel des Ruhms. Durch eigene Schuld gerät er aber in Konflikt mit der Umwelt und verliert die Gunst seiner Dame wieder. Erst in einem zweiten Kursus kann er sich durch erneute ritterliche Taten rehabilitieren und das soziale Ansehen und die Zuneigung der Dame zurückgewinnen.
Legendenhafte Erzählungen: Gregorius und Der arme Heinrich
Siehe Hauptartikel: Gregorius und Der arme Heinrich.
Die beiden Erzählungen Gregorius und Armer Heinrich einer Gattung zuzuweisen, bereitet Schwierigkeiten: Beide behandeln religiös gefärbte Themen um Schuld und göttliche Gnade und nutzen Formen des Erzähltyps Legende, der Arme Heinrich steht auch der Maere nahe. Der Held des Gregorius wird zudem im Verlauf der Geschichte zum Papst und Heiligen. Gleichzeitig handelt es sich aber um romanhafte höfische Erzählungen, die bis zu einem gewissen Grad als fiktional gelten können. Die Forschung behilft sich deshalb mit der Behelfsgattung höfische Legenden.
Der Gregorius greift das Inzest-Motiv doppelt auf. Weitgehend dem Publikum überlassen bleibt die Interpretation, wie schwer die unverschuldete Sünde der Geburt aus einem Inzest und die ungewußte Sünde des eigenen Inzests wiegen.
Der Arme Heinrich ist mehr auf die Reflexion und die subjektive Reaktion der Handelnden Figuren konzentriert, als auf die äußere Handlung. Interessant ist der Bezug zu einer möglichen Familiengeschichte Hartmanns (s.o.).
Rezeption
Überlieferung
Vom Erec sind nur rätselhaft wenig Textzeugen erhalten: Nur eine vollständige Handschrift aus dem 16. Jahrhundert (Ambraser Heldenbuch) und drei Fragmente sind bekannt. Das entspricht nicht der Wirkung, die der Text gehabt haben muß und die auch durch die breite geografische und zeitliche Streuung der vier Überlieferungsträger wahrscheinlich wird. Über die Gründe der spärlichen Überlieferung läßt sich nur spekulieren.
Dagegen gehört der Iwein zu den am stärksten überlieferten Romanen aus der Zeit um 1200: Mit 15 vollständigen Handschriften und 17 Fragmenten von Anfang des 13. bis ins 16. Jahrhundert sind mehr Handschriften erhalten als beispielsweise von Gottfrieds Tristan. Nur die Romane Wolframs von Eschenbach (Parzival, Willehalm) sind noch häufiger als der 'Iwein' abgeschrieben worden.
Gregorius und Armer Heinrich sind mit sechs bzw. drei vollständigen Handschriften und fünf bzw. drei Fragmenten überliefert. Beide Texte sind darüber hinaus in Kompilationen, wie Legendensammlungen, historische Werke oder Volksbücher eingeflossen.
Bearbeitungen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit
Die offene Textform der legendenhaften Erzählungen Hartmanns erleichterte die Aufnahme in Legenden- und Exempelsammlungen, durch die die anonymisierten Stoffe weit verbreitet wurden. Der Gregorius wurde bis 1450 in drei lateinischen und zwei deutschen Adaptionen verarbeitet. Durch die Aufnahme in die in ganz Europa verbreiteten Exempalsammlung Gesta Romanorum und in die populärste deutsche Legendensammlung Der Heiligen Leben wurde der Gregoriusstoff sehr bekannt. Der Arme Heinrich wurde bis ins 15. Jahrhundert tradiert und in zwei lateinische Exempelsammlungen aufgenommen.
Ulrich Fuetrer dichtet nach 1480 eine stark gekürzte Neufassung des Iwein. Der Iban ist der vierte von sieben Artusromanen in seinem Buch der Abenteuer. Die Überlieferung der Artusepen findet mit dem Traditionsbruch der Reformationszeit im 16. Jahrhundert ein Ende. Iwein und Erec werden nicht wie andere mittelhochdeutsche Epen in Prosaversionen aufgelöst und in gedruckte Volksbücher übernommen.
Erwähnungen Hartmanns durch andere Dichter
Bereits von den Zeitgenossen wurde Hartmann als führender Dichter angesehen, dessen Bedeutung einerseits in der formalen und sinnhaften Klarheit seiner Romane liege, andererseits in seiner gattungsbegründenden Rolle innerhalb der deutschen Dichtung.
In einem Literaturexkurs im Tristan (um 1210) spricht ihm Gottfried von Straßburg den ersten Rang unter den Epikern zu:
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Hartmann von Aue |
- (Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Stuttgart ⁵1990, V. 4621-4637)
Dichterkataloge, in denen Hartmann in ähnlicher Weise als stilbildend gelobt wird, finden sich in der Folge in Rudolfs von Ems Alexander (nach 1230) und Willehalm von Orlens (um 1240, hier wird auch der Erec erwähnt). Heinrich von dem Türlin widmet Hartmann in der Crône (nach 1220) eine bewegte Totenklage und stellt ihn auch als Lyriker als normsetzenden Ausgangs- und Mittelpunkt heraus. Auch hier wird auf den Erec Bezug genommen, der bei den Zuhörern als bekannt vorausgesetzt wird.
Ähnliche Nennungen, jetzt schon kanonisiert, finden sich später im Meleranz des Pleier (um 1270), in Konrads von Stoffeln Gauriel (um 1270) und in der Österreichischen Reimchronik Ottokars von Steiermark (um 1310). Während diese Dichter Hartmanns Artusepen hervorheben, rühmt der von Gliers, ein Lyriker aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, ihn als Minnesänger. Trotz ihrer guten Überlieferung und zahlreicher Bearbeitungen werden Hartmanns religiös gefärbten Werke nirgends erwähnt.
Unter den Einzelberufungen stechen diejenigen im Parzival Wolframs von Eschenbach hervor. Da in dem gegen 1205 entstandenen Werk sowohl auf den Erec, als auch auf den Iwein angespielt wird, bietet der Parzival auch den wertvollsten Hinweis für die Datierung der Hartmannschen Epen (terminus ante quem).
Später werden in die Handlung integrierte Anspielungen auf die arthurischen Romane Hartmanns üblich, so im Wigalois Wirnts von Grafenberg, dem Hl. Georg Reinbots von Durne, im Garel des Pleier und im Jüngeren Titurel.
Bildrezeption
Der Iwein wurde mehrmals Gegenstand bildlicher Darstellung, und dies schon sehr rasch nachdem der Roman bekannt wurde. Auffällig ist, daß das Medium dafür nicht die Buchillustrationen, sondern vor allem Wandmalerei und -teppiche sind.

Die künstlerisch anspruchsvollsten Illustrationen sind die Iwein-Fresken auf Burg Rodenegg bei Brixen (Südtirol). Umstritten ist, ob sie nach kunsthistorischen Kriterien unmittelbar nach 1200 oder zwischen 1220 und 1230 zu datieren sind. Der erst 1972 freigelegte Zyklus besteht aus elf Bildern, die nur Szenen aus dem ersten Teil des Iwein darstellen, obwohl keine Wandbilder in dem Raum des Palas verloren gegangen sind. Die Hartmann-Forschung hatte schon früher aus stilistischen Gründen erwogen, daß er den Iwein gleich nach dem Erec begonnen und das ca. 1000 Verse umfassende Fragment erst später vollendet habe. Diese Theorie könnte den Abbruch der bildlichen Erzählung erklären.
Im Hessenhof in Schmalkalden (Thüringen), ebenfalls aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, sind in einem Wohnraum ('Trinkstube') Wandbilder mit 23 Szenen erhalten (von ursprünglich 26).
Um 1400 entstanden weitere Wandbilder mit exemplarischen Helden der höfischen Dichtung in der Burg Runkelstein bei Bozen (Südtirol). Dort bilden Iwein, Parzival und Gawein eine Trias der besten und vorbildlichsten Ritter.
Iwein, Laudine und Lunete erscheinen als exemplarische Paare auf dem sogenannten Maltererteppich, der um 1320/1330 entstand (heute: Augustinermuseum Freiburg). In den Medaillons des Teppichs sind 'Minnesklaven' dargestellt - Männer, die in Abhängigkeit einer Frau geraten sind. Neben Iwein sind dies Samson, Aristoteles und Vergil.
Nach neueren Untersuchungen ist der Erec-Stoff Gegenstand plastischer Darstellung auf dem Krakauer Kronenkreuz.[1]
Moderne Rezeption
1780 setzte mit Johann Jakob Bodmers Fabel von Laudine die neuzeitliche Hartmann-Rezeption ein. Sein Schüler Christoph Heinrich Myller veröffentlichte 1784 eine erste Textedition des Iwein nach einer mittelalterlichen Handschrift und 1786 folgt Karl Michaeler mit einer zweisprachigen Ausgabe. Die Iwein-Edition von Georg Friedrich Benecke und Karl Lachmann von 1827 blieb bis heute in verschiedenen Neubearbeitungen die maßgebliche Textedition. Der Erec wurde 1839 von Moriz Haupt ediert.
1815 veröffentlichten die Brüder Grimm die erste kommentierte Ausgabe des Armen Heinrich mit einer Nacherzählung. Den Gregorius brachte zum ersten Mal Karl Simrock 1839 für 'jeden gefühlvollen Leser' heraus und hatte dabei den Anspruch, mit einer Nachdichtung die Echtheit des Textes wiederherzustellen.
Literarisch wurde besonders häufig der Arme Heinrich bearbeitet, unter anderem von Adalbert von Chamisso (1839), Ricarda Huch (1899) und Gerhart Hauptmann (1902). Auch die erste Oper Hans Pfitzners ist eine Vertonung des Armen Heinrich nach einem Libretto von James Grun (1895). August Klughardt komponierte in der Nachfolge Richard Wagners 1879 eine erfolglose Iwein-Oper.
Die freie Gregorius-Adaption Der Erwählte von Thomas Mann (1951) sticht unter allen modernen Bearbeitungen der Werke Hartmanns hervor. Zuletzt griffen Markus Werner (Bis bald, 1995), der Dramatiker Tankred Dorst (1997) und der Lyriker Rainer Malkowski (1997) den Armen Heinrich auf.
Literatur
Die umfangreiche Literatur zu Hartmanns Leben und Werk ist in den Bibliographien von Klemt, Neubuhr und Hörner aufgeführt. Textausgaben und weitere Literatur zu den einzelnen Werken Hartmanns finden sich in den jeweiligen Hauptartikeln.
- Christoph Cormeau, Wilhelm Störmer: Hartmann von Aue. Epoche - Werk - Wirkung. 2., überarb. Auflage. Beck, München 1998, ISBN 3-406-30309-9
- Petra Hörner (Hrsg.): Hartmann von Aue. Mit einer Bibliographie 1976-1997. (= Information und Interpretation; Bd. 8). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1998, ISBN 3-631-33292-0
- Irmgard Klemt: Hartmann von Aue. Eine Zusammenstellung der über ihn und sein Werk 1927 bis 1965 erschienenen Literatur. Greven, Köln 1968
- Hugo Kuhn, Christoph Cormeau (Hrsg.): Hartmann von Aue. (= Wege der Forschung; Bd. 359). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1973, ISBN 3-534-05745-7 (Sammlung wichtiger älterer Aufsätze)
- Elfriede Neubuhr: Bibliographie zu Harmann von Aue. (= Bibliographien zur deutschen Literatur des Mittelalters; 5). Erich Schmidt, Berlin 1977, ISBN 3-503-00575-7
- Peter Wapnewski: Hartmann von Aue. Metzler, Stuttgart 1962 (zuletzt in 7. Auflage 1979, ISBN 3-476-17017-9)
Weblinks
- Vorlage:PND
- Hartmann von Aue Portal mit E-Texten und Abbildungen der Handschriften
- Kommentierte Linksammlung
Personendaten | |
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NAME | Hartmann von Aue |
KURZBESCHREIBUNG | bedeutender mittelhochdeutscher Dichter |
GEBURTSDATUM | um 1160 |
STERBEDATUM | nach 1210 |
- ↑ Joanna Mühlemann: Die Erec-Rezeption auf dem Krakauer Kronenkreuz. PBB 122 (2000), S. 76-102.