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Kleines Lexikon des Buddhismus
Abhidharma [skt.], Abhidhamma [p.]. »Höhere Lehre«. Die scholastische Philosophie des Buddhismus.
Abhidharmapitaka [skt.], Abhidhammapitaka [p.]. Dritter Korpus des buddhistischen Kanons, in dem die Lehren Buddhas und seiner Hauptschüler eine psychologische und philosophische Begründung resp. Ausformulierung erfahren.
Achtfacher Pfad (ashtângikamârga [skt.], atthangikamagga [p.]). Die letzte der Vier Edlen Wahrheiten, in der die ethischen Richtlinien der Lehre Buddhas aufgezeichnet sind: Rechte Einsicht, rechter Entschluss, rechte Rede, rechtes Handeln, rechte Lebensführung, rechte Bemühung, rechte Achtsamkeit, rechte Sammlung oder Konzentration.
ahimsâ [skt./p.]. Das ethische Verhaltensprinzip des Nichtschädigens und Nichttötens sowie der absoluten Gewaltlosigkeit.
Amida. Japanische Name für Amitâbha.
Amidismus. Nach dem transzendenten Buddha Amitâbha (jap. Amida) genannte Schulrichtung, die auch unter der Bez. Amida-Buddhismus bekannt ist. Im Amidismus steht das Vertrauen in die Allgüte Buddha-Amitâbhas (Amida) und die Erwartung auf eine Wiedergeburt im »Reinen Land« (sukhâvatî; jap. jôdo) im Vordergrund. Der Amidismus ist der im sino-japanischen Raum am weitesten verbreitete Ausdruck der buddhistischen Lehre.
Amitâbha [skt.], Amida [jap.]. Einer der fünf transzendenten Buddhas. – Vgl. Amidismus.
anâtman [skt.], anattâ [p.]. »Nicht-Selbst«. Der Begriff umschreibt das Nichtvorhandensein eines Selbst oder einer Seele (âtman) . – Vgl. Mensch, Seele.
anitya [skt.], anicca [p.]. Wrtl. nicht-ewig, unbeständig, vergänglich.
arhat [skt.], arahat [p.]. Wrtl. »Würdiger«, »Vollendeter«. Bez. für den »Heiligen«, der auf dem Wege der Loslösung alle Bindungen an die Welt überwunden und damit den Zustand des Nirvâna erreicht hat.
ârya [skt.], ariya [p.]. Edel, fromm, gut.
Askese. Der Buddhismus fordert keine Askese im Sinne einer entsagenden oder bußfertigen Lebenshaltung, sondern eine pragmatische Haltung der Mitte, die alle Extreme (Selbstkasteiung oder Zügellosigkeit) meidet.
Atheismus. Verneinung der Existenz Gottes oder seiner Erkennbarkeit. Der Buddhismus ist eine Religion ohne Gott und damit nicht-theistisch oder atheistisch.
âtman [skt.], attâ [p.]. Selbst oder Seele. – Vgl. antâtman, Mensch, Seele.
Avalokiteshvara [skt.], Chenresi [tibet.]. Transzendenter Bodhisattva des universellen Mitleids.
avidyâ [skt.], avijjâ [p.]. Nichtwissen, Unwissen, das an die samsârische Existenz bindet. – Vgl. vidyâ.
bar-do [tibet.]. »Zwischenzustand« (skt. antarabhâva), d.h. Zustand zwischen Tod und Wiedergeburt. Es werden sechs Bardo-Zustände beschrieben. Die Lehre ist besonders im Vajrayâna beheimatet und im Bardo Thödol, dem Tibetischen Totenbuch, beschrieben.
Bedingte Entstehung (pratîtyasamutpâda [skt.], paticcasamuppâda [p.]). Lehre, die besagt, dass sämtliche Erscheinungen aus sich gegenseitig bedingenden Voraussetzungen entstehen. Es handelt sich demnach um einen Konditionalismus, in dem alle Dinge und Zustände als Ergebnis reziproker Verhältnisse aufgefasst werden. Die Dinge und Vorgänge entstehen nicht aus in sich isolierten Ursachen (lat. causa), sondern aus einer Vielzahl sich wechselseitig bedingender Faktoren oder Verknüpfungen (lat. conditio). – Vgl. Kausalität, Konditionalismus.
Begierde (trshnâ [skt.], tanhâ [p.]). Ausdruck des Anhaftens an die Welt und damit die Hauptursache leidvoller Existenz.
bhikshu [skt.], bhikkhu [p.]. Bez. für den buddhistischen Mönch.
bhikshunî [skt.], bhikkhunî [p.]. Bez. für die buddhistische Nonne.
bodhi [skt./p.]. Erwachen, vollkommene Erkenntnis, Erleuchtung. – Vgl. satori.
Bodhisattva. Ein nach höchster Erkenntnis strebendes Wesen, das darum bemüht ist, allen noch nicht erlösten Wesen auf ihrem Heilsweg beizustehen. Das Ideal des Bodhisattva ist Ausdruck des Mahâyâna und dem Theravâda nicht zugehörig.
Ch’an. Chinesischer Name für Zen.
Dalai Lama (Ta-le bLama) [mongol.-tibet.]. »Unbegrenzter Ozean«. Titel der höchsten spirituellen Autorität im tibet. Buddhismus. Bis 1959 war der Dalai Lama auch weltlicher Herrscher Tibets.
dharma [skt.], dhamma [p.]. Wrtl. das »Zugrundliegende« oder »Tragende« (von dhar = tragen). Vielfältiger Begriff in der Bedeutung von: [1] kosmisches Gesetz, [2] Natur oder Beschaffenheit der Dinge, [3] Manifestation der Wirklichkeit (Daseinsfaktoren, Phänomene, Sachverhalte), [4] Geistinhalte, Denkobjekte, Ideen, [5] sittliche Pflicht, [6] Lehre Buddhas. – Vgl. dharmâh.
dharmâh [skt.; Pl. von dharma], dhammâh [p.; Pl. von dhamma]. Bezeichnung für die den Dingen zugrunde liegenden wesenlosen Daseinskonstituenten. – Vgl. Dharma-Theorie.
Dharma-Theorie. Lehre von den das Dasein bedingenden Faktoren (vgl. dharma [3]). Die dharmâh (Pl. von dharma) sind in der Art von punktuellen Kraftzentren oder wesenlosen Wirkkräften die nicht weiter reduzierbaren letzten Realitäten, die alles Dasein konstituieren und im Sinne von molekularen Verbindungen oder konditionalen, fluktuierenden und energetischen Potenzen zu verstehen sind.
Drei Daseinsmerkmale (trilakshana [skt.], tilakkhana [p.]). Bez. für die drei Merkmale (lakshana) welthafter Existenz: Vergänglichkeit (anityatâ), Leiden (duhkha) und Nicht-Ich (anâtman).
Dreikorb (tripitaka [skt.], tipitaka [p.]). Bez. für die drei »Körbe« (pitaka) des buddhistischen Kanons: Vinâyapitaka, Sûtrapitaka und Abhidharmapitâka. – Vgl. Pâli-Kanon, Tiptika, Tripitaka.
Drei-Leiber-Lehre. Vgl. Trikâya.
duhkha [skt.], dukkha [p.]. Vgl. Leiden.
Ethik. Vgl. Achtfacher Pfad, pañcashîla, Vier Edle Wahrheiten.
Gesetz, kosmisches. Der atheistische Buddhismus kennt kein göttliches Urprinzip, auf dem Welt und Kosmos beruhen. Er spricht von keiner Schöpfung und von keinem göttlichen oder überseienden Urwillen. Und ebenso wenig unterstellt er eine dem Hinduismus ähnliche Weltseele (brahman), die als kosmischer Weltgeist alles Dasein durchdringt. Dagegen anerkennt er ein universales Prinzip im Sinne einer sich selbst regulierenden kosmischen Ordnung oder Gesetzmäßigkeit, die er dharma (Weltgesetz) nennt. – Vgl. Dharma, Kosmologie, Schöpfung.
Gier. Vgl. Begierde.
Glaube (shraddhâ [skt.], saddhâ [p.]). Der Buddhismus fordert keinen Glauben an eine göttlich gedachte Wirklichkeit, sondern Einsicht und Erkenntnis. Allein im Amidismus ist das Vertrauen in die Heilswirksamkeit des transzendenten Buddha Amitâbha hervorgehoben. – Vgl. Kult.
Gott, Götter, Gottheit. Der Buddhismus ist eine Religion ohne Gott. Ist im Buddhismus von Gott (deva) oder Göttern (devatâ) die Rede, so sind damit Wesen gemeint, die sich aufgrund karmischer Verdienste einer zeitweilig höheren Existenzstufe erfreuen. Auch Götter leben nicht ewig, sondern unterliegen – gleich allen Erscheinungen der Daseinswelt – dem Gesetz des ständigen Wandels (samsâra). Demnach sind Götter weder absolut noch allmächtig. Im Übrigen gilt auch für göttliche Wesen, dass ihre Existenz letztlich nur subjektiv »real« ist, denn auch sie sind, wie alles auf dieser Welt, bloße Zustände des Bewusstseins, Ideationen des Geistes und »wirklich« nur im Erleben der menschlichen Psyche.
Guru [skt.]. Lehrer oder Meister auf dem spirituellen Weg.
Güte (maitrî [skt.], mettâ [p.]). Güte oder Liebe ist die aus der Einsicht in die universale Verwobenheit aller karmisch bedingten Phänomene resultierende Haltung umfassender Benevolenz. Maitrî ist die selbstlose, leidenschaftslose und umfassende Allgüte zu allem Daseienden und deshalb verschieden von Liebe im Sinne der Zuneigung und des Verlangens. Sie ist nicht aktive, sondern passive Liebe, die an Intensität verliert, was sie an Umfang gewinnt. Ihr fehlt vor allem die leidenschaftliche Inbrunst, denn für den Buddhisten gilt, dass Leidenschaft nur Leiden schafft. – Vgl. Liebe, Nächstenliebe.
Hass (dvesha [skt.], dosa [p.]). Hass ist zusammen mit Gier das zentrale Grundübel leidvoller Existenz. Sie sind einander zugehörig, da das Begehren immer in Abneigung und Widerwillen umschlägt, sobald und solange Widerstände vorhanden sind, die den eigenen Wünschen entgegenstehen. So konstituiert sich der in Ignoranz gefangene Mensch in Gier nach erstrebten und in Hass auf verhinderte Dinge und Zustände. – Vgl. Begierde, Leiden.
Hînayâna. »Kleines Fahrzeug« [über den Strom des Leidens]. Die neben dem Mahâyâna zweite große Hauptrichtung des Buddhismus. Das Hînayâna bildet keine eigene Schule, der Name ist lediglich ein Überbegriff, der in Abgrenzung zu den Schulen des Mahâyâna steht. Von den früher zahlreichen Schulen des Hînayâna hat nur der Theravâda überlebt.
Ich. Vgl. anâtman, Mensch, pudgala, Seele.
Jenseits. Der Buddhismus kennt keine nachtodliche Jenseitssphäre. Das Nirvâna ist kein ewiges Paradies, sondern das »Verlöschen« der an das Dasein haftenden Bedingungen. Bildlich vorgestellten Jenseitssphären kommt lediglich eine metaphorische Bedeutung zu; sie sind eine Projektion des Geistes und »wirklich« nur im subjektiven Erleben des Betrachters.
jôdo [jap.]. Vgl. sukhâvatî.
Karma [skt.], kamma [p.]. Wrtl. »Tat«. Universelles Gesetz von Ursache und Wirkung. Als solches ist Karma kein zufälliges, bedingungsloses Geschehen, kein blinder Automatismus und keine Vorherbestimmung, sondern die Wirkkraft, die entsprechend der grundgelegten Qualität die Voraussetzungen einer jeden Daseinssituation begründet. Karma ist somit nicht Schicksal, sondern die Tat, welche nach dem Gesetz der bedingten Verursachung in dieser oder einer neuen Daseinsform ihre Auswirkungen zeitigt. Karma ist also jene Kraft, welche die Ordnung des gesamten Kosmos beherrscht und durchwaltet. Da die natürliche (einer Gottheit entbehrende) Weltordnung zugleich eine sittliche ist, gelangt eine jede Handlung oder Tat (karma) – insoweit sie von moralischer Tragweite ist – zur Auswirkung und bestimmt den Zustand der Lebewesen in ihrer jetzigen oder nächsten Daseinsform. Folglich befinden sich alle Wesen in den Zuständen, die sie durch ihre Taten selbst erwirkt haben, wobei das Motiv von Lohn und Strafe entfällt, denn Karma vergilt nicht, sondern misst zu. Das heißt: Wir werden nicht für unsere Taten belohnt oder bestraft, sondern durch sie konditioniert. – Vgl. Wiedergeburt.
karunâ [skt./p.]. Vgl. Mitleid.
Kastenordnung. In der Betonung der Gleichheit aller Menschen weist der Buddhismus das hinduistische Kastensystem von sich.
Kausalität. Ursächlichkeit. In der Bestimmung kausaler Zusammenhänge geht der Buddhismus nicht von isolierten (Einzel-)Ursachen aus, sondern von wechselseitig sich beeinflussenden Voraussetzungen und ersetzt damit den Begriff der Ursache (lat. causa) durch den der Bedingung (lat. conditio). – Vgl. Bedingte Entstehung, Konditionalismus.
kô-an [jap.]. Im Zen-Buddhismus Zwiegespräch zwischen Meister und Schüler (gewöhnlich in der Form von Frage und Antwort), in dem die Aporien des begrifflichen Denkens aufgezeigt und in einem intuitiven Akt der Erkenntnis (satori) überwunden werden sollen. Die Kô-an-Praxis ist vor allem Ausdruck der Rinzai-shû.
Konditionalismus. Erkenntnistheoretische Lehre, bei der nicht von der selbstständigen Ursache eines Ereignisses, sondern von der Gesamtheit seiner Bedingungen ausgegangen wird. – Vgl. Bedingte Entstehung, Kausalität, Ontologie, Werden.
Kosmologie. Nach buddhistischer Auffassung hat der Kosmos (damit auch die Erde) nicht gegenständlichen, sondern dynamischen Charakter. In dem nie endenden Kreislauf von Werden und Vergehen (samsâra) gibt es nichts Beharrendes und keine unvergänglichen Substanzen. Der Kosmos ist eine Erscheinung von Energien und somit keine göttliche Schöpfung aus dem Nichts (creatio ex nihilo). Er ist eine Entwicklung aufgrund der wechselseitigen Relation konditionaler, d.h. aus Bedingungen entstehenden Verursachungen und Wirkungen (pratîtyasamutpâda), wobei ein Urbeginn nicht erkennbar ist. Also keine Schöpfung, kein Anfang und kein Ende. Diese allem Geschehen immanente Gesetzmäßigkeit (dharma) ist die einzige Grundlage von Welt und Kosmos. – Vgl. Gesetz (kosmisches), Schöpfung.
Kult. Bezeichnung für die religiöse Verehrung, die in Anbetung, Opferhandlungen, sakralen oder rituellen Begehungen usw. zum Ausdruck kommt. Buddha maß dem Kultbetrieb, den er als hinderlich auf dem Heilsweg bezeichnete, keinerlei Bedeutung bei und forderte folgerichtig auch für sich selbst keine kultische Verehrung. Dennoch entwickelte sich unter dem Eindruck einer nach dinglichen Mitteln verlangenden Volksfrömmigkeit im Laufe der Zeit auch im Buddhismus ein reicher Kult, der in vielem zur ursprünglichen Lehre stark kontrastiert. Besonders ausgeprägt sind Kult und Ritual im Mahâyâna. Die Buddha und den Bodhisattvas erwiesene Devotion (pûjâ) beinhaltet jedoch keine Anbetung, sondern ist ausschließlich ein Ausdruck der Verehrung des Erleuchtungsprinzips. – Vgl. Glaube.
Lama (bLa-ma) [tibet.]. »Der Obere«, tibet. Bezeichnung für das Sanskritwort guru. Ein Lama ist kein Priester und auch nicht in jedem Fall ein Mönch. Gemeinhin wird »Lama« aber als höfliche Anrede für jeden tibet. Mönch verwendet, ungeachtet seiner spirituellen Entwicklung oder Stellung innerhalb des Ordens.
Lamaismus. Alternative Bez. für das Vajrayâna.
Leere, Leerheit. Vgl. shûnyatâ.
Leiden (duhkha [skt], dukkha [p.]). Zentraler Begriff buddhistischer Existenzerfahrung. Leiden ist jene Konstante, die allem Dasein zugrunde liegt; es entsteht dadurch, dass wir uns an eine Welt binden, in der nichts von Bestand ist und bewahrt werden kann. Die Überwindung des Leidens lässt sich demnach nur in der Überwindung welthafter Existenz (samsâra) erreichen. Der Begriff »Leiden« wird im Buddhismus viel weiter gefasst als in der christlich-abendländischen Denktradition. Leiden ist mehr als nur Traurigkeit, Drangsal, Schmerz, Angsterfahrungen, Isolation, Todesgewissheit usw. Leiden ist ein Ausdruck für die karmische Gebunden; es ist all das, was den Menschen an die Bedingungen dieser Welt fesselt. Leiden bedeutet demnach Unvollkommenheit, Unwirklichkeit, Nichtigkeit. Leiden ist das Charekteristikum allen Daseins, denn in allem, was entsteht und sich vollzieht, ist das Ende immer schon mitangelegt. – Vgl. Vier Edle Wahrheiten.
Liebe. Unterschieden wird zwischen sinnlicher Liebe (kâma) und Liebe im Sinne von Wohlwollen und Güte (maitrî). Ist Erstere in ihren Formen des Anhaftens als leidvoll qualifiziert, so gilt Letztere – insoweit sie jeder Bindung und Leidenschaftlichkeit entbehrt – als die höchste aller Tugenden. – Vgl. Güte, Nächstenliebe.
Madhyamaka (auch Mâdhyamika). Die neben dem Vijñânavâda bedeutendste Philosophenschule des Mahâyâna (gegr. im 2. Jh.). Nach der Lehre der Madhyamaka sind die Dinge nicht wesenhaft, da sie in Abhängigkeit von verursachenden Bedingungen entstehen (pratîtyasamutpâda) und ihnen somit kein Eigensein zukommt. Sie sind also seelenlos (nirâtmya), wesenlos (asvabhâva) und leer (shûnya). Als »leer« werden alle Phänomene bezeichnet, die in gegenseitiger Abhängigkeit entstehen. Die Welt des Daseins ist keine Welt des Seins, sondern des ständigen Werdens. Die Leere (shûnyatâ) ist aber kein Nichts, denn ist das Sein nicht, dann ist auch das Nichts als sein Gegenteil nicht. Leerheit ist die Negation von Sein und Nichtsein. Die phänomenale Welt unterliegt dem konditionalen Entstehen und verfügt über kein Eigensein; da sie aber subjektiv vorhanden ist, ist sie dennoch kein Nichts und somit »real« im Sinne unseres Auffassens und Erlebens. Mit ihrer Leerheitsauffassung vertritt die Madhyamaka einen universellen Relativismus. – Vgl. Bedingte Entstehung, Nihilismus, Relativismus, Werden.
Mahâyâna. »Großes Fahrzeug« [über den Strom des Leidens]. Die neben dem Hînayâna zweite große Hauptrichtung des Buddhismus. Entstanden im 1. Jh. v.Chr. vertritt es eine gegenüber dem mönchischen Ideal (Theravâda) liberalere Auffassung, wurde aber vor allem durch seine doketische Buddha-Interpreation und seine Lehre vom Bodhisattva bedeutsam. Im Gegensatz zum mehr rational und monastisch angelegten Hînayâna zeichnet sich das Mahâyâna in erster Linie dadurch aus, als in ihm die gefühlsbetonte und volksreligiöse Frömmigkeit stärker hervorgehoben. Das Mahâyâna verkörpert keine eigene Schule, der Name ist lediglich ein Überbegriff, der in Abgrenzung zu den Schulen des Hînayâna (heute nur noch durch den Theravâda vertreten) steht. Das Mahâyâna ist vor allem in Nord- und Ostasien (China, Japan, Taiwan, Korea, Tibet, Mongolei) vertreten. Seine wichtigsten Schulen sind der Amidismus, die Lotos-Schulen, das Tantrayâna (Vajrayâna) und die Zen-Lehre.
mandala [skt.]. »Kreis«. Vor allem in den tantrischen Richtungen des Mahâyâna symbolische Darstellung des Universums, die der meditativen Schaubildentfaltung dient.
mantra [skt.]. Vers oder Silbe oder eine Reihe von Versen und Silben, von denen angenommen wird, dass sie magische Kräfte in sich bergen. Das bekannteste mantra ist jenes des Avalokiteshvara: Om mani padme hûm.
Meditation (dhyâna, samâdhi). Neben Sittlichkeit (shîla) und Wissen (prajñâ) stellt die Meditation oder Versenkung ein Grundelement des Weges zur Erlösung dar. Der Buddhismus verzeichnet unterschiedliche Meditationsweisen, die in ihrem Wesen allesamt auf geistig-körperliche Sammlung und Beruhigung ausgerichtet sind. Die buddhistische Meditation beinhaltet jedoch kein Suchen, kein Sich-Ausrichten auf eine überirdische Sphäre (Gott, Allgeist usw.) und ist daher keine unio mystica. Die Meditation will primär den Geist leer machen und ihn von allen Gemütsregungen und Gedanken befreien. Das Ziel der Meditation ist erreicht, wenn alle Vorstellungen von Ich, Ding, Einheit und Vielheit, ja selbst der Gedanke an die Erleuchtung (bodhi) nicht mehr vorhanden sind.
Mensch. In buddhistischer Sicht ist der Mensch keine Schöpfung Gottes und kein Wesen, das mit einer von Gott verliehenen ewigen Seele ausgestattet ist. Der Mensch ist wie alle Phänomene der Daseinswelt eine Erscheinung sich gegenseitig bedingender Faktoren (dharmâh) und verkörpert demnach keine permanente Ich-Einheit. Was wir als Einheit »Mensch«, »Ich«, »Individuum«, »Person« usw. bezeichnen, ist eine Kombination unzähliger, wesenloser, inkonstanter und aufeinander bezogener Daseinsfaktoren oder Aggregaten, ein fluktuierendes Bündel von sich ständig erneuernden Elementen und prozessualen Abläufen, denen keine dauerhafte Substanz, keine unveränderliche Entität (Seele) zugrunde liegt. Das wahrgenommene »Ich« oder »Selbst« ist nicht mehr als ein Verbund instabiler Bestandteile und existiert in Wirklichkeit nicht. Der Mensch besteht wesentlich aus: Körper oder Materie (rûpa), Empfindung (vedanâ), Wahrnehmung (samjñâ), geistigen Regungen (samskâra) – also Wille, Vorstellungen, Begierden usw. – und aus Bewusstsein (vijñâna). Der Mensch ist eine Kombination dieser fünf Seinszustände (pañcaskandhâh), eine Verbindung physischer und geistiger Energien, welche in ständiger Veränderung und Neubildung begriffen sind. – Vgl. Dharma-Theorie, pudgala, Seele, skandhâh, Schöpfung, Wiedergeburt.
Mitleid (karunâ [skt./p.]). Tugend des sympathetischen Mitgefühls am Leid der Menschen und aller anderen Lebewesen.
Nächstenliebe. Der Begriff der Nächstenliebe ist dem Buddhismus in seiner christlichen Konnotation fremd. Liebe oder Güte (maitrî) meint nicht die Konzentration auf den »Nächsten« als Mitmenschen, sondern die von persönlichen und emotionalen Beziehungen losgelöste Benevolenz oder das umfassende Wohlwollen gegenüber allen lebenden Wesen. Buddhistische Güte entbehrt des persönlichen Involviertseins und aktiver Partizipation; sie ist nicht besitzergreifend, ist weder Emotion noch Leidenschaft, sondern als ungebundene und damit umfassende Identifikation, Anteilnahme und Sympathie zu verstehen. – Vgl. Güte, Liebe.
Nicht-Ich. Vgl. anâtman, Mensch, Seele.
Nicht-Sein. Vgl. Madhyamaka, Mensch, Nihilismus, Seele, Vijñânavâda.
Nihilismus (ucchedavâda). Lehre vom Nichts, welche jede Wertorientierung und die Möglichkeit einer Seinsbegründung von sich weist. Aufgrund der Ablehnung von festen Substanzen und der Lehre vom Nicht-Ich wird der Buddhismus zuweilen des Nihilismus bezichtigt. Der Buddhismus lehrt jedoch kein Nicht-Sein – das aufgrund der Partikel »Sein« ja auch als ein Etwas definiert werden müsste –, sondern die Nichtexistenz von festen Substanzen im Sinne der Lehre vom Bedingten Entstehen. Das heißt: Was bedingt entsteht, ist nicht (ist kein Sein); es ist zugleich aber auch kein Nichts, da aus nichts nichts entstehen kann. – Vgl. anâtman, Bedingte Enstehung, Madhyamaka.
Nirvâna [skt.], nibbâna [p.]. Bezeichnung für das buddhistische Heilsziel, den status perfectae liberationis. Nirvâna bedeutet »Verlöschen« und meint das Auslöschen aller an das Dasein bindenden Faktoren. Es ist die Stilllegung der ich- und formbildenden Kräfte, welche an die Welt ketten und dadurch leidvolle Erfahrungen verursachen. Nirvâna ist ein Abschluss, kein Neubeginn in einer ewigen Sphäre (Himmel, Paradies, Jenseits), kein Kontinuum einer geistigen Substanz (Seele). Es ist die Beendigung der Vorstellung einer Ichheit, das »Verlöschen« der empirischen Person, das Ende allen Verlangens, das Zurruhekommen aller Unruhe des Geistes. Es ist weder ein Ort, weder Sein noch Nichtsein, sondern die örtliche Begrenzungen sowie Sein und Nichtsein transzendierende »Leerheit« (shûnyatâ), in der alle Gegensätze der Vielheitswelt aufgehoben sind. Nirvâna ist auch kein Lohn für ein heiliges Leben, denn wer nur im Blick auf jenseitiges Verdienst (punya) ein tugendhaftes Leben führt, ist nicht frei von Begierden und bleibt dem leidvollen Geburtenkreislauf (samsâra) verhaftet. Nirvâna ist kein Zustand endgültiger Glückseligkeit, sondern der Status vollkommener Be-freiung, das Frei-sein von allen karmischen Wünschen und Denkgebilden, mithin auch jenseits aller Glücksvorstellungen. Das »Glück« des Nirvâna besteht denn gerade darin, dass es kein Glück verheißt, denn alle Glückszustände sind vergänglich und somit dem Samsâra zugehörig. – Vgl. Jenseits.
om [skt.]. Heilige Silbe der Hindus, Jainas und Buddhisten. – Vgl. mantra.
om mani padme hûm [skt.] - »O Kleinod in der Lotosblüte«. Mantra des Bodhisattva Avalokiteshvara. – Vgl. mantra.
Ontologie. Die buddhistische Lehre vom Sein (Ontologie) gründet auf der Anschauung, dass alles Dasein und alles Leben auf der gesetzmäßigen Kooperation flüchtiger Faktoren (dharmâh) beruht und es somit nichts auf der Welt geben kann, das unabhängig von anderem existiert und ein selbstständiges Eigensein (svabhâvatâ) aufweist. Ein beharrendes Sein hinter allem Seienden, eine ewige Substanz oder Wesenheit wird demnach abgelehnt. Alle Existenz ist der dauernden Aufeinanderfolge von Werden und Vergehen anheim gestellt. Unbeständigkeit (anityatâ) und Wesenlosigkeit (asvabhâvatâ) sind die Merkmale aller Erscheinungen schlechthin. – Vgl. Bedingte Entstehung, Dharma-Theorie, Werden.
Pâli-Kanon. Andere Bezeichnung für den »Dreikorb« (Tipitaka / Tripitaka), das kanonische Schrifttum des Frühbuddhismus. Seine Bücher sind: Vinayapitaka, Suttapitaka und Abhidhammapitaka.
pañcashîla [skt.], pañcasîla [p.]. Von pañca (fünf) und shîla (Sittlichkeit), die »Fünffache Rechtschaffenheit«, die die ethischen Grundsätze oder Verhaltensregeln des Buddhismus aufweist: [1] Abstehen von Lebensberaubung, [2] Abstehen von Diebstahl, [3] Abstehen von unreinem Lebenswandel, [4] Abstehen von Lüge, [5] Abstehen von Sucht fördernden Mitteln.
Panchen Lama (Pan-cen bLa-ma). Neben dem Dalai Lama der zweithöchste Hierarch der tibet. Gelugpa-Schule des Vajrayâna. Er gilt als eine Emanation des transzendenten Buddha Amitâbha.
Person. Vgl. anâtman, Mensch, Seele.
prajñâ [skt.], paññâ [p.]. Einsicht, Erkenntnis, Weisheit, die als grundlegende Voraussetzungen für die Befreiung aus den Zwängen des Daseins gesehen werden. Im Mahâyâna bezeichnet prajñâ die über philosophische Erkenntnis hinausreichende »höchste Weisheit« im Sinne einer intuitiven Erfahrung der Leerheit (shûnyatâ) als der wahren Wesenheit der gegenständlichen Welt. – Vgl. vidyâ.
pratîtyasamutpâda [skt.], paticcasamuppâda [p.]. Entstehung in Abhängigkeit. – Vgl. Bedingte Entstehung, Konditionalismus, Madhyamaka.
pudgala [skt.], puggala [p.]. Bez. für die empirische Person, das Ich oder das individuelle Selbst. Der Buddhismus verneint die Existenz eines »Selbst« und sieht in dem Wort »Person« lediglich einen konventionellen Ausdruck für eine scheinbare Seinseinheit, die sich allein aus der Zusammensetzung von instabilen und ephemeren psychophysischen Komponenten ergibt. – Vgl. anâtman, Mensch, Seele, Sein.
pûjâ [skt./p.]. Verehrung, Andacht. – Vgl. Kult.
punya [skt.], puñña [p.]. Religiöses oder karmisches Verdienst, Bezeichnung für die karmisch heilsamen Zustände.
Reines Land. Vgl. Sukhâvatî.
Reinkarnation. Vgl. tulku, Wiedergeburt.
Relativismus. Lehre von den wechselseitigen (relativen) Beziehungen und der nicht absoluten Erkenntnis. Aufgrund der Unbeständigkeit und Vergänglichkeit aller Phänomene, der Zurückweisung von festen Substanzen, der gegenseitigen Relation aller Dinge und Zustände sowie der Nichterkenntnis einer absoluten Wahrheit vertritt der Buddhismus einen philosophischen Relativismus, der am deutlichsten in den Lehren der Madhyamaka in Erscheinung tritt.
samâdhi [skt./p.]. Versenkung, Konzentration. »Rechte Sammlung« (samyak samâdhi) bildet den letzten Abschnitt des Achtfachen Pfades.
samsâra [skt./p.]. »Beständiges Wandern«. Bezeichnung für den Kreislauf von Werden und Vergehen, den gegenständlichen Weltenlauf oder die dinghafte Welt. Das Ziel des Buddhismus besteht darin, diesen leidvollen Kreislauf zu durchbrechen, womit der Zustand der Leidenserlöstheit (nirvâna) erreicht wird. – Vgl. Wiedergeburt.
sangha [skt./p.]. Bez. für die buddhistische Gemeinschaft.
satori [jap.]. Erleuchtungserlebnis im jap. Zen-Buddhismus.
Schöpfung. »Schöpfung« (lat. creatio) kennzeichnet die Geschaffenheit der Welt und ihrer Erscheinungen durch eine höhere Macht (Gott). Der atheistische Buddhismus beruft sich dagegen auf keinen kosmischen Schöpfer oder Erschaffer (lat. creator), so dass ihm Begriffe wie »Schöpfung« oder »Kreatur« fremd sind. – Vgl. Gesetz (kosmisches), Kosmologie.
Seele. Nach buddhistischer Auffassung besteht der Mensch nicht als »Selbst«, »Ich« oder »Individuum«, sondern als Zusammensetzung von physischen und psychischen Daseinskonstituenten (skandhâh). In ihnen ist kein »Selbst« enthalten, da die im Menschen wirksamen körperlichen und geistigen Faktoren veränderliche und damit unbeständige Zustände darstellen. Sie bilden kein »Sein«, denn ein solches ist dadurch gekennzeichnet, dass es unerschaffen, wesenhaft, frei von Beeinflussungen und somit ewig ist. Da nun aber alle Erscheinungen dem ständigen und sich gegenseitig bedingenden Werden und Vergehen unterliegen, kann es auch kein den physischen Zerfall und damit den Tod überdauerndes Etwas (Seele) im Menschen geben. Ein »Ich« ist in dem fluktuierenden Bündel der Daseinsfaktoren nicht zu finden; es besteht demnach nur als nominalistische Bezeichnung für substanzlose, fließende und vergängliche Energien. Die »Person« ist ohne Seele, sie ist Nicht-Selbst (anâtman), nichts Wesenhaftes (asvabhâvatâ). – Vgl. anâtman, Mensch, pudgala, Wiedergeburt.
Seelenwanderung (Metempsychose). Unter Zurückweisung einer individuellen und unveränderlichen seelischen Substanz unterstellt der Buddhismus keine der hinduistischen Lehre entsprechende Wanderung der Seele, die von der einen auf die andere Existenz überwechselt. Der Begriff der Seelenwanderung ist auf den Buddhismus also nicht anwendbar. – Vgl. Wiedergeburt.
Sein, Selbst. Vgl. anâtman, Mensch, Ontologie, Seele, Werden.
Sexualität. Der Buddhismus kennt im Bereich der Laienethik keine die Sexualität betreffenden Ge- oder Verbote, doch besteht der Aufruf, sich eines unreinen Lebenswandels zu enthalten und niemandem Schaden zuzufügen. Sexualität per se ist moralisch neutral, weder gut noch schlecht; sie ist ein Ausdruck menschlicher Triebe und im Erleben des Menschen positiv oder negativ allein aufgrund des Gebrauchs, den wir von ihr machen. Im Unterschied zu den Laienanhängern sind die Ordensmitglieder aufgrund der Forderung, allen weltlichen Begierden zu entsagen, dagegen gehalten, sich sexueller Betätigung zu enthalten. Im Bereich des Mahâyâna gibt es aber auch Ordenszweige, die keine sexuelle Enthaltsamkeit fordern.
shakti [skt.]. Schöpferische (zumeist weiblich vorgestellte) Kraft im Hinduismus und tantrischen Buddhismus.
shîla [skt.] sîla [p.]. Vgl. Ethik.
shûnyatâ [skt.], suññatâ [p.]. Leere, Leerheit. Zentraler Begriff im System der Madhyamaka und des gesamten Mahâyâna, der die Substanzlosigkeit aller Phänomene in ihrer bedingten Entstehung und Unbeständigkeit bezeichnet. Leerheit ist demnach eine Umschreibung für das Nichtbestehen irgendwelcher Seinsessenzen, für das Fehlen eines Selbst, eines Ich und einer Eigennatur. – Vgl. Madhyamaka.
skandhâh [skt.], khandhâh [p.] (Plural von skandha / khandha). Bezeichnung für die fünf Aggregate oder Seinskonstituenten des Menschen, die zusammen die empirische Person (Ich) ausmachen: [1] Körper/Materie (rûpa), [2] Empfindung (vedanâ), [3] Wahrnehmung (samjñâ), [4] Geistesregungen (samskâra), [5] Bewusstsein (vijñâna). – Vgl. Mensch.
stûpa [skt.], thupa [p.], mchod-rten (Chörten) [tibet.]. Symbolträchtiges und Mittelpunkt bildendes Bauwerk in Tempeln und Klöstern, auch Grabstätte oder Reliquiar hoch gestellter spiritueller Persönlichkeiten.
Sukhâvatî [tibet.], jôdo [jap.]. Das »Reine Land« des transzendenten Buddha Amitâbha (jap. Amida), in das der Vertrauenserweckte durch Rezitieren seines Namens wiedergeboren wird und in dem er zum endgültigen Nirvâna heranreift. – Vgl. Amidismus.
sûtra [skt.], sutta [p.]. Lehrrede(n) Buddhas. – Vgl. Pâli-Kanon, Tripitaka.
Tantrayâna. Im 2. Jh. in Indien (Bengalen, Assam, Kashmir und Uddyâna) aufgekommene esoterische Form des Buddhismus, in der mystische, okkulte und magische Vorstellungen, sowie Ritual und esoterische Stufenwege zur Erkenntnis resp. Erleuchtung eine große Rolle spielen. – Vgl. Vajrayâna.
Theravâda [p.]. »Lehre der Alten«. Älteste und heute allein überlebende Schule des Hînayâna. Seine Verbreitung erstreckt sich auf Süd- und Südostasien. Der Theravâda erhebt den Anspruch, der ursprünglichen Lehre Buddhas am nächsten zu stehen. Seine dogmatische Grundlage bildet der Dreikorb (Tipitaka) oder Pâli-Kanon. Im Zentrum der Lehre stehen die »Vier Edlen Wahrheiten«, sodann die Lehre vom Nicht-Ich (anâtman), der Bedingten Entstehung (pratîtyasamutpâda) sowie die Vorstellungen von Karma und Wiedergeburt. Der Theravâda ist eine reine Selbsterlösungslehre und kennt also keinen dem Bodhisattva-Ideal des Mahâyâna entsprechenden soteriologisch wirksamen Beistand von außen. Große Bedeutung hat im Theravâda die mönchische Tradition und das Ideal des arhat (Heiligen), der auf dem Wege der Überwindung aller an das Dasein haftenden Bedingungen und im Gewinn vollkommener Erkenntnis den Heilszustand des Nirvâna (p. nibbâna) in sich realisiert.
Tibetischer Buddhismus. Vgl. Lamaismus, Vajrayâna.
Tipitaka [p.]. »Dreikorb« oder Kanon des Theravâda (Pâli-Kanon). Der Tipitaka der Theravâdin ist nicht identisch mit den kanonischen Sanskrit-Versionen (Tripitaka) anderer hînayânischer Schulen.
trikâya [skt.]. »Drei-Leiber-Lehre«. Lehre von der dreifachen Beschaffenheit der Buddha-Natur: [1] der Buddha als über der dinglichen Welt stehendes Universalprinzip (= Dharmakâya); [2] der Buddha als meditative Projektion des Absoluten (= Sambhogakâya); [3] der Buddha als Mensch und Lehrer (= Nirmânakâya). – Die Trikâya-Lehre ist ein Spezifikum des Mahâyâna und dem Theravâda, dem einzig noch bestehenden Zweig des Hînayâna, nicht zugehörig.
Tripitaka [skt.]. »Dreikorb«, Bez. für die drei Sammlungen des buddhistischen Kanons, bestehend aus: Vinayapitaka (Ordenszucht), Sûtrapitaka (Lehrreden) und Abhidharmapitaka (Scholastik). Der Kanon des Theravâda nennt sich (in der Pâli-Sprache) Tipitaka und seine Bücher Vinayapitaka, Suttapitaka und Abhidhammapitaka. – Vgl. Pâli-Kanon.
trisharana [skt.], tisarana [p.]. Die »Dreifache Zuflucht« zu Buddha (Lehrer), Dharma (Lehre), Sangha (Gemeinschaft). Sie ist die Bekenntnisformel zum Buddhismus.
tulku (sprul-sku) [tibet.]. »Erscheinungskörper«. Im tibet. Buddhismus (Wieder-)Verkörperungen oder Reinkarnationen von verstorbenen Persönlichkeiten (z.B. hoher Gelehrter oder von Heiligen) oder von mystisch gedachten Gestalten (Buddha- resp. Bodhisattva-Emanationen).
Ursache, Ursächlichkeit. Vgl. Bedingte Entstehung, Kausalität, Werden.
Vajrayâna [skt.], rDor-je t’eg-pa [tibet]. »Diamantfahrzeug«. Ausdruck des tantrischen (esoterischen) Buddhismus im tibeto-mongolischen Raum und dritte große Schulrichtung des Gesamtbuddhismus, die trotz aller Eigenheiten aber dem Mahâyâna zuzuordnen ist. Die wichtigsten Richtungen des Vajrayâna sind: die Gelugpa, die Sakyapa, die Kagyüpa und die Nyingmapa. In der Literatur wird das Vajrayâna auch Lamaismus genannt.
vidyâ [skt.], vijjâ [p.]. Wissen. Gehört zusammen mit Erkenntnis oder Weisheit (prajñâ) zu den bedeutendsten Grundvoraussetzungen für die Erlangung des Heils. Angesprochen ist nicht so sehr ein intellektuelles Wissen, sondern die Einsicht in die Natur der Dinge (Nicht-Selbst, Vergänglichkeit, Unbeständigkeit usw.), die vor der Illusion des Samsâra befreit. – Vgl. avidyâ.
Vier Edle Wahrheiten (catvâri-ârya-satyâni [skt.], cattâri-ariya-saccâni [p.]). Die allen buddhistischen Schulen gemeinsame Grundlehre von der Tatsache des Leidens (duhkha-satya), seiner Entstehung (samudaya), seiner Aufhebung (nirodha) und dem zur Leidensbehebung führenden Weg (nirodha-gâminî-pratipad). – Vgl. Achtfacher Pfad, Leiden.
Vijñânavâda. »Bewusstseinslehre«, auch Yogâcâra (»Yoga-Praxis«) genannt. Name der nach der Madhyamaka bedeutendsten Philosophenschule des Mahâyâna (gegr. im 3./4.Jh.).Nach ihr besteht die Welt nur als Vorstellung [lat. esse est percipi ]; sie ist nur Schein und eine kreative Phantasie des Betrachters. In dieser Sicht ist auch die empirische Person (Ich) nicht wirklich, sondern auch nur eine Ideation und Objekt einer imaginierten Welt. Die Dinge bestehen nur im »Geist« (cittamâtra), weshalb ihnen kein Eigensein und keine wahre Wesenhaftigkeit zukommt. Mit dieser Lehre vertritt der Vijñânavâda einen konsequenten Idealismus, der sich in vielen Bereichen mit dem Relativismus der Madhyamaka verbindet.
Wahrheit (satya [skt.], sacca [p.]). Nach buddhistischer Anschauung ist Wahrheit kein ontologisches (seiendes) Faktum, sondern ein epistemologischer (erkenntnistheoretischer) Begriff. Wahrheit ist nicht objektiv vorgegeben, sondern immer nur subjektiv erfahrbar. Sie besteht nicht in fixierten Aussagen und Glaubenssätzen (Dogmen), sondern erschließt sich dem Menschen durch eigenes Forschen und Erkennen. Religiöse Wahrheit ist demnach nur relativ, weshalb es keine unumstößliche Universalwahrheit geben kann.
Werden (bhava). Kennzeichnet im Unterschied zu festen Substanzen den prozessual-dynamischen sich vollziehenden Weltenlauf, die Kontinuität und Impermanenz aller Daseinsphänomene. Die Welt und ihre Erscheinungen sind kein Sein, sondern ein ständiges Werden. – Vgl. Bedingte Entstehung, Ontologie.
Wiedergeburt [Reinkarnation] (punarbhava [skt.], punabbhava [p.]). Vorstellung von der ständigen Wiederkehr im Daseinskreislauf (samsâra). Die periodische Wiederkehr ist ein Ausdruck des kontinuierlichen und nie endenden Weltenlaufs, des ewigen Sich-Verweltens. Wiedergeboren werden die Wesen, weil die nach Verwirklichung drängenden psychischen Kräfte solange über den physischen Tod hinaus bestehen bleiben, bis sie sich von selbst erschöpft haben werden. Die Wiedergeburt ist demnach die Folge des Wunsches nach Aufrechterhaltung des eigenen Ichs und des Drangs nach eigener Unsterblichkeit. In buddhistischer Sicht ist das Ich aber nicht mehr denn ein Bündel fluktuierender Elemente und besteht nicht als permanente Seeleneinheit. Wiedergeburt ist somit keine Seelenwanderung (so die hinduistische Auffassung), sondern eine Kontinuität des noch nicht befreiten und somit karmisch verstrickten Geistes, der nach einer Neuaktualisierung in einem ihm adäquaten Kraftfeld drängt. Die Qualität der Wiedergeburt (oder besser: der geistigen Kontinuität) ist durch die karmischen Imprägnierungen bestimmt, welche die Voraussetzungen einer neu in Erscheinung tretenden Daseinsform festlegen. Die Wiedergeburt wird aber nicht als Lohn oder Strafe verstanden, sondern als notwendige Konsequenz einer karmisch hinterlegten Grundlage. Der Abschluss der Wiedergeburten tritt dann ein, wenn in der Überwindung des eigenen Daseinstriebs alle nach Realisierung drängenden Impulse gleichsam versiegen und nichts mehr da ist, woran das eigene Ich sich noch entzünden könnte. Erreicht ist der Zustand des Nirvâna, das Ende aller Leiderfahrungen und die Beruhigung aller Unruhe des Geistes. – Vgl. Karma, Seele, Seelenwanderung.
Yogâcâra. Synonyme Bezeichnung für die Philosophenschule des Vijñânavâda.
Zazen [jap]. Das Sitzen in Meditation im Zen-Buddhismus.
Zen. Das Wort »Zen« ist die jap. Übersetzung des chin. Wortes Ch’an und entspricht dem Sanskrit-Ausdruck dhyâna. Dhyâna bedeutet Versenkung, Meditation – die Beruhigung aller Unruhe des Geistes. Das Zen ist in China entstanden, geht aber auf den Inder Bodhidharma (470-583) zurück. Die Ch’an-Lehre (Ch’an-tsung) erreichte in China eine hohe Blüte und fand im 12.-13. Jh. ihren Weg auch nach Japan, wo sie Zen genannt wird. Ihre wichtigsten Unterschulen sind die Rinzai- und die Sôto-shû (in China Lin-chi und Ts’ao-Tung genannt). Charakteristisch für alle Richtungen des Zen ist die strenge Geisteskonzentration (unter gleichzeitiger Verwerfung allen Intellektualismus) und die meditative Praxis, sodann der betonte Einklang mit der Natur und die Reduktion auf eine schlichte und praxisbezogene Lebensweise. Die Verbreitung des Ch’an oder Zen erstreckt sich auf Ostasien (China, Japan, Taiwan und Korea), hat aber auch in der westlichen Welt zahlreiche Anhänger.