Schlesisch (polnischer Dialekt)
Die schlesischen Dialekte (Ślonsko godka) werden von Sprachwissenschaftlern teils als eine der vier großen Dialektgruppen des Polnischen und teils als eigene Sprachgruppe gesehen. Sie sind vor allem in Oberschlesien und in Mährisch-Schlesien verbreitet.
Die Sprecher sind Schlesier, besonders in Oberschlesien, die nicht klar von den deutschen und polnischen Schlesiern abzugrenzen sind und sich manchmal auch als eigenes Volk bezeichnen. In Niederschlesien war die ursprüngliche slawische Bevölkerung weitgehend von den Deutschen assimiliert worden. Vor dem Zweiten Weltkrieg lag der Anteil der Sprecher slawischer Dialekte an der dortigen Bevölkerung bei unter 5 %. Es gab nur noch kleine Sprachinseln bei Groß Wartenberg (polnisch Syców), Namslau (polnisch Namysłów) und Brieg (polnisch Brzeg). Nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung 1945 - 1948 wurde Niederschlesien von Vertriebenen und Umsiedlern aus Ost- und Zentralpolen neu besiedelt, die ost- bzw. zentralpolnische Dialekte sprachen.
Nach Oberschlesien hingegen kamen erst relativ spät im Mittelalter deutsche Siedler und somit wirkte sich die große Pest im Reich der Jahre 1347/48 hier besonders einschneidend aus, da der Strom der Zuwanderer aus dem Reich stark abnahm und schließlich die Ostsiedlung stillstand. Dadurch stockte der sprachliche Assimilierungsprozess und so konnten sich hier polnische Dialekte erhalten.
Die schlesischen Dialekte sind in sich relativ uneinheitlich und verfügen nur über wenige gemeinsame Merkmale:
- Assimilation von stimmlosen Konsonanten an folgende Sonanten, auch über die Wortgrenze hinweg;
- Endung der 1. Person Singular Präteritum auf -ch (und nicht -m wie in der Standardsprache);
- Vorhandensein eines speziellen Lautes ř (wie im Tschechischen).
Für die nördlichen Dialekte ist auch das sog. Masurieren typisch, d.h. die Aussprache von sz als s, von ż als z, von cz als c und von dż als dz, es fehlt aber beispielsweise in den oberschlesischen Dialekten.
Unter anderem findet man im Schlesischen neben dem im Polnischen nasalierten O (Ą) und dem nasalierten E (Ę), zusätzlich noch ein nasaliertes U (Ų), das meist das Ą ersetzt. Außerdem wird das A in vielen Wörtern teilweise durch ein O oder Oo ersetzt.
Aus historischen Gründen wurden die schlesischen Dialekte stärker vom Deutschen beeinflusst als das Hochpolnische. Besonders viele deutsche Wörter enthalten die oberschlesischen Dialekte und enthielten die ausgestorbenen Dialekte in Niederschlesien. Besonders stark germanisierte Varietäten werden traditionell etwas abschätzig als Wasserpolnisch bezeichnet.
In einem gewissen Sinne stellen die schlesischen Dialekte einen Übergang vom Polnischen zur Tschechischen Sprache (und Slowakischen) dar. Unter anderem kommen in ihnen Wörter wie cesta (Weg) vor, die für das Tschechische typisch sind, aber im Polnischen fehlen. Die lachischen Dialekte, die auf dem Gebiet Tschechiens gesprochen werden, werden heute im Allgemeinen nicht mehr zum Polnischen, sondern zum Tschechischen gerechnet.
Unter den Sprachwissenschaftlern besteht immer noch Uneinigkeit darüber, ob das Schlesische nun ein polnischer Dialekt ist oder als eigene Sprache angesehen werden kann. Ein Argument für einen polnischen Dialekt ist, dass die Grammatik weitgehend mit der polnischen identisch ist. Es gibt lediglich mehrere Germanismen und Einflüsse aus dem Tschechischen. Andererseits ist dieser Dialekt durch die Vermischung des Polnischen, Deutschen und Tschechischen entstanden und grenzt somit eine Volksgruppe von anderen ab - daher sehen es manche als eigenständige Sprache an.
Nach dem Systemwandel in Polen erlebt dieser Dialekt in Schlesien eine kleine Wiedergeburt. Im sozialistischen Polen hatte man den Dialekt ungerne gehört, da er zu sehr an die deutsche Sprache erinnerte. Nach 1990 ging man damit offener um. Aktuell besinnen sich immer mehr Schlesier auf ihre Sprache: es erscheinen Bücher, die komplett im schlesischen Dialekt verfasst sind (zumeist witzige Bücher); es gibt auch immer mehr Musikgruppen, die nur auf Schlesisch singen oder Radiosendungen, die ebenfalls nur auf Schlesisch abgehalten werden.
Seit 2005 ist es den Schülern in Schlesien gestattet, im Schulunterricht Schlesisch zu sprechen. Zuvor war nur Hochpolnisch zulässig. Zudem werden teilweise mit Aktionen die Schüler ermuntert, Schlesisch zu sprechen.
Siehe auch:
Ober- und Niederschlesich (Beispiele)
Niederschlesisch (1) | Oberschlesisch (2) | Deutsch | Polnisch |
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Ritsche | ryczka | Hocker | taboret |
Kascheln | klojzdnonć | auf dem Eis rutschen | pośliznąć się |
Nudelkulle | nudelkula | Nudelholz | wałek do ciasta |
Jungaohs | huncwot | ungezogener Junge | łobuz |
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