Wilhelm Meisters Lehrjahre

Wilhelm Meisters Lehrjahre ist ein klassischer Bildungsroman von Johann Wolfgang von Goethe. Der wegweisende Entwicklungsroman erschien 1796.
Der Roman besteht aus acht Büchern. Das 1. bis 5. Buch lehnt sich inhaltlich an das zu Goethes Lebzeiten unveröffentlichte Fragment Wilhelm Meisters theatralische Sendung an. Der Vergleich beider Texte ergibt etliche identische Wendungen bzw. Sätze.
Bildungsroman
...mich selbst, ganz wie ich da bin, auszubilden, das war dunkel von Jugend auf mein Wunsch und meine Absicht, gesteht Wilhelm in einem Brief seinem Schwager Werner. Ziel Wilhelms ist, durch mannigfaltige Bemühungen, durch diese schöpferische Kraft - auf dem geistigen und auch auf dem sozialen Sektor - Ordnung aus Unordnung zu erreichen.
Goethe als Dichter der Aufklärung, doch mit deutschem Geiste (Nietzsche) breitet seine eigenen Gedanken aus, wie die Feudalordnung zu überwinden sei. Goethe, in den Fußstapfen der Aufklärer Diderot und Voltaire, verkündet das Recht des freien Bürgers auf allseitige Bildung.
Der Erzähler ist nicht allwissend. Er fügt ein buntes Mosaik, dessen Steinchen u.a. auch Lyrik und Lebensbeichte (6. Buch) sind.
Was kann ein Mensch aus seinem Leben machen? Goethe gibt im Roman drei Antworten.
1. bis 5. Buch: Erstens will der junge Wilhelm Meister Theatermann werden und scheitert nach beachtlichen Erfolgen schließlich doch.
6. Buch: Zweitens setzt sich eine schöne Seele als junge und fromme Stiftsdame mit Religion auseinander und gestaltet sich als reife Frau ihren Glauben.
7. und 8. Buch: Drittens verlässt Wilhelm die Bretter, die die Welt bedeuten und findet Anschluss an eine Loge, die soziale Veränderungen möchte, bei denen die Vereinigten Staaten Vorbild sind: Hier oder nirgend ist Amerika!
Figuren
Auf Kapitel im Buch wird mit einem Zahlenpaar in der Form (Buch,Kapitel) verwiesen.
- Felix ist der Sohn Marianes und Wilhelms. Nach dem zeitigen Tod der Mutter bringt die listige alte Barbara F. bei Aurelie unter. Der Harfner glaubt im Wahn, F. sei sein künftiger Mörder. Eine "schlechte Tischsitte" rettet F. das Leben.
- Der Harfner (Harfenspieler, Augustin) ist der Bruder des Marchese Cipriani, der heiligen Sperata und der Vater Mignons.
- Baron Lothario (Lothar) ist Mitglied der Turmgesellschaft. Seine Geschwister sind Natalie, die Gräfin und Friedrich. Er heiratet Therese.
- Die junge Schauspielerin Mariane ist die Mutter von Felix. Wilhelm verlässt die schwangere M., weil er nicht weiß, dass sie dem Nebenbuhler Norberg den Laufpass gegeben hat.
- Mignon ist die Tochter der heiligen Sperata und des Harfners Augustin. Wilhelm kauft M. von rohen Gauklern los und behütet sie. M. bedankt sich durch ihre Anhänglichkeit. Das Mädchen stirbt vor Herzeleid, als sich Therese und Wilhelm in Liebe küssen.
- Baronesse Natalie, Wilhelms schöne Amazone, ist die Schwester Lotharios, der Gräfin und Friedrichs. N. pflegt Mignon und wird schließlich Wilhelms Braut.
- Wilhelm, siehe Handlung
- (8,4) Therese vergleicht Wilhelm mit Natalie und schreibt an sie über ihn: ...er hat von dir das edle Suchen und Streben nach dem Bessern, wodurch wir das Gute, das wir zu finden glauben, selbst hervorbringen. Dann setzt Therese noch hinzu: ...seine Lebensbeschreibung ist ein ewiges Suchen und Nicht finden.
Nebenfiguren
- Der Abbé lenkt im Hintergrund die Geschicke Wilhelms.
- Der Arzt steht in Diensten der Familie Lotharios.
- Die Schauspielerin Aurelie (Aurelia) ist die Schwester Serlos.
- Die alte Barbara ist die Haushälterin Marianes.
- Der Baron befasst sich im Auftrag des Grafen mit der Theatertruppe Melina.
- Der Marchese (ital. Markgraf) Cipriani aus Italien ist der Bruder des Harfners und der Onkel Mignons.
- Friedrich ist Mitglied der Turmgesellschaft sowie der Bruder Nataliens, Lotharios und der Gräfin.
- Der Graf nimmt die Schauspielertruppe Melina in seinem Schloss auf.
- Die Gräfin ist die Schwester Nataliens, Lotharios und Friedrich.
- Jarno ist Mitglied der Turmgesellschaft und Bräutigam Lydies.
- Lothario will Lydia (Lydie) nicht mehr als Geliebte. Jarno nimmt sie zur Frau.
- Der Schauspieler Melina leitet die Theatertruppe. Wilhelm unterstützt ihn.
- Madame Melina ist die Frau des Herrn Melina.
- Der begüterte Kaufmann Norberg ist ein Liebhaber Marianes.
- Die Schauspielerin Philine schmeichelt sich bei Herrschaften gern ein und möchte Wilhelms Geliebte sein. Schließlich wird Ph. von Friedrich schwanger.
- Der Theaterdirektor Serlo ist Wilhelms Freund und Förderer. Schließlich will er Wilhelm nicht mehr an der Bühne.
- Eine schöne Seele ist die Tante Nataliens, Lotharios, Friedrichs und der Gräfin.
(8,3) Natalie erzählt Wilhelm von ihrer Tante, der schönen Seele: Ich bin ihr so viel schuldig. Eine sehr schwache Gesundheit, vielleicht zu viel Beschäftigung mit sich selbst, und dabei eine sittliche und religiöse Ängstlichkeit ließen sie das der Welt nicht sein, was sie unter andern Umständen hätte werden können. Wilhelm, der die Bekenntnisse der Tante Nataliens (6. Buch) gelesen hat, bringt zum Ausdruck, dass diese Lektüre sein weiteres Leben beeinflusst hat und fügt bei: Was mir am meisten aus dieser Schrift entgegenleuchtete, war, ich möchte so sagen, die Reinlichkeit des Daseins, nicht allein ihrer selbst, sondern auch alles dessen, was sie umgab, diese Selbständigkeit ihrer Natur und die Unmöglichkeit, etwas in sich aufzunehmen, was mit der edlen, liebevollen Stimmung nicht harmonisch war. - Die heilige Sperata ist die Schwester des Harfners und Mignons Mutter.
- Fräulein Therese wird schließlich die Braut Lotharios.
- Der Kaufmann Werner ist Wilhelms Freund.
Rezeption

- Friedrich Schlegel schreibt Über Goethes Meister im Jahre 1798: Wir sehen auch, daß diese Lehrjahre eher jeden andern zum tüchtigen Künstler oder zum tüchtigen Mann bilden wollen und bild