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Parkinson-Krankheit

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Die Parkinson-Krankheit = Morbus Parkinson ist eine langsam fortschreitende neurologische Erkrankung mit den drei Hauptsymptomen Rigor (Muskelstarre), Tremor (Muskelzittern) und Akinese (Bewegungsarmut). Sie wird ausgelöst durch das Absterben von Zellen im Hirnstamm, die den Botenstoff Dopamin herstellen. Der Mangel an Dopamin führt letztlich zu einer Verminderung der aktivierenden Wirkung der Basalganglien auf die Großhirnrinde.

Synonyme: Parkinson’sche Krankheit, Paralysis agitans = Schüttellähmung, Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS = aktuelle wissenschaftliche Bezeichnung)


Einordnung

Geschichte

Die Erkrankung wurde erstmals von dem englischen Arzt James Parkinson im Jahre 1817 in der Monographie An Essay on the Shaking Palsy (Eine Abhandlung über die Schüttellähmung) beschrieben. Er definierte die Erkrankung durch die Symptome unwillkürlicher Ruhetremor mit verminderter Muskelkraft, einem Vorbeugen des Rumpfes mit Beschleunigung beim Gehen, jedoch ohne Störung von Bewusstsein oder Intelligenz. Die verminderte Muskelkraft ist aus heutiger Sicht Resultat der Akinese und keine Lähmung im eigentlichen Sinne. Parkinson wies aber auf das langsame Fortschreiten der Erkrankung hin.

Die aktuelle Definition des Parkinson-Syndromes fordert das Kernsymptom der Akinese in Kombination mit wenigetens einem der Kardinalsymptome Rigor, Ruhetremor und instabiler Körperhaltung. Daneben sind verschiedene sensorische, vegetative, psychische und kognitive Störungen möglich.

Systematik

Die Parkinson-Syndrome werden in folgende vier Gruppen eingeteilt:

  1. Das familiäre Parkinson-Syndrom
    • streng vererbte Formen, selten, benannt nach jeweiligem Genort (z.B. PARK1 usw.)
  2. Das Idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS - Gegenstand dieser Seite)
    • mit ca. 75% häufigstes Parkinson-Syndrom
  3. Symptomatische (sekundäre) Parkinson-Syndrome und häufigere Differenzialdiagnosen
    • vaskulär, medikamenten-induziert, posttraumatisch, toxininduziert, entzündlich, metabolisch, essentieller Tremor)
  4. Parkinson-Syndrome im Rahmen anderer neurodegenerativer Erkrankungen (atypische Parkinson-Syndrome)

Häufigkeit

Das IPS tritt nur selten vor dem 40sten Lebensjahr auf, in der Altersgruppe 40-44 Jahre ist etwa 1/10.000 Menschen betroffen. Die Erkrankung wird mit zunehmendem Alter häufiger, so dass bei den über 80jährigen etwa 1/50 von einem IPS betroffen ist. Insgesamt wird von 300.000-400.000 Patienten in Deutschland ausgegangen, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen.

Die Erkrankung beginnt meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. In Ausnahmefällen sind Früherkrankungen vor dem 40. LJ möglich (z.B. Michael J. Fox - seit dem 31. LJ erkrankt).

Ursachen

Ursache: Mangel an Dopamin und anderen Neurotransmittern

Morbus Parkinson ist eine degenerative Erkrankung des Extrapyramidal-motorischen Systems (EPS) bzw. der Basalganglien. Diese Anhäufungen von Nervenzellen steuern die automatischen Bewegungen - Gehen, Laufen, Springen, Schwimmen - und die aufrechte Körperhaltung. Es handelt sich um einen selektiven (abtrennenden), progredienten (fortschreitenden) Untergang von melaninhaltigen Dopamin-produzierenden Neuronen (Nervenzellen) in der Substantia nigra (auch Nucleus niger, "schwarzer Kern") mit konsekutivem Dopaminmangel in den Stammganglien. Durch den Mangel an Dopamin kommt es zu einem relativen Acetylcholinüberschuss. Zudem zeigt sich in einigen Regionen des Hirnstammes ein Serotonin- und Noradrenalinmangel. Die genannten Stoffe dienen als Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, um Impulse zwischen den Nerven weiterzuleiten. Sind diese Neurotransmitter nicht ausreichend vorhanden, kommt es zu massiven Einschränkungen, hier im Bereich der Motorik, sowie im psychischen, sensorischen und vegetativen Bereich.

Neben der idiopathischen Parkinson-Krankheit sind als erheblich seltenere Formen zu erwähnen:

  • enzephalitischer Parkinsonismus
  • medikamentös-toxisches Parkinson-Syndrom
  • vaskuläres Parkinson-Syndrom
  • posthypoxisches Parkinson-Syndrom
  • traumatisches Parkinson-Syndrom

Durch das Auftreten im höheren Lebensalter sind oft gleichzeitig andere Krankheiten vorhanden (Multimorbidität), die die Diagnose einer Parkinson-Erkrankung erschweren können. Der M. Parkinson wird dadurch eventuell verschleiert und erst relativ spät behandelt. Umgekehrt kann die Parkinson-Krankheit den Verlauf anderer Erkrankungen ungünstig beeinflussen.

Symptome

Neben den drei Leitsymptomen Rigor (Muskelsteifheit, Rigidität), Ruhetremor (rhythmisches Schütteln von Armen und Beinen im Ruhezustand) und Akinese (allgemeine Bewegungsarmut, auch Bradykinese oder Hypokinese genannt) kommt es auch zu einer Störung der Stellreflexe: Die Bewegungen des Erkrankten sind gebunden, die Haltung nach vorne über gebeugt, der Gang kleinschrittig, die Wende mit Zwischenschritten, und der Stand oft unsicher, einhergehend mit erhöhter Fallneigung. Neben Hypomimie (herabgesetzte mimische Bewegungen) fällt auch oft eine leise, wenig modulierte Sprache auf. Die Leitsymptome müssen nicht alle gleichzeitig auftreten. Bereits eines sollte als Alarmzeichen ernstgenommen werden.

Es zeigen sich phasenhaft niedergedrückte Stimmung, Angst und Unlust, Schlafstörungen, Störungen im Temperaturempfinden, Schweißausbrüche, vermehrte Talgproduktion mit Bildung eines Hyperseborrhö (salbenartigen Gesichtsausdruck), Hypersalivation (vermehrter Speichelfluss), Mikrographie (sehr kleines Schriftbild), Amimie (Maskengesicht) und Bradyphrenie (geistige Verlangsamung). Den motorischen Symptomen geht bei ca. 40% der Patienten eine Depression voraus.

Eine Grafik eines typischen Parkinsonpatienten findet sich unter [1].

Behandlung

Es gibt heute noch keine Möglichkeit einer ursächlichen Behandlung des Parkinson-Syndroms, die in einem Aufhalten der fortschreitenden Degeneration der Nerven des nigrostriatalen Systems bestünde. Daher muss man sich mit einer Behandlung der Symptome begnügen, die zunehmend gut möglich ist, was den Patienten, zumindest in den ersten Jahren (manchmal auch Jahrzehnten) der Erkrankung ein nahezu unbehindertes Leben ermöglicht.

Dies geschieht hauptsächlich durch die Gabe von L-Dopa, einer Vorstufe des Dopamins. Dieser ist es - im Gegensatz zum Dopamin selbst - möglich, die Blut-Hirn-Schranke zu durchqueren. Nach mehrjähriger Einnahme von L-Dopa können unwillkürliche Bewegungen, sogenannte Dyskinesien, auftreten. Diese erklärt man durch eine "pulsatile" Rezeptorenstimulation, da L-Dopa nur eine Wirkzeit von wenigen Stunden hat.

Deswegen empfiehlt man in der Regel beim Beginn der Parkinson-Krankheit die Behandlung mit einem länger wirkenden Dopaminagonisten. Dopaminagonisten ahmen an den Dopamin-Rezeptoren die Wirkung von Dopamin nach.

Mit sogenannten MAO-B-Hemmern wird der Abbau von Dopamin im Gehirn verlangsamt.

Anticholinergika werden heute wegen ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils auf die kognitive Leistungsfähigkeit nur noch selten verordnet.

Hemmstoffe der Catechol-O-Methyltransferase, sogenannte COMT-Hemmer hemmen den Abbau der Dopaminvorstufe L-Dopa zu inaktiven Metaboliten. Dadurch erhöhen sie bei der gemeinsamen Einnahme mit Levodopapräperaten die Verfügbarkeit von Levodopa um 40-90% und verlängern seine Plasmahalbwertszeit.

Die Kombinationstherapie von Levodopa mit COMT- bzw. MAO-B-Hemmern kann aufgrund einer Verringerung der Abbaurate von Dopamin zu Einsparungen bei der Dosierung von Levodopa führen und somit das Nebenwirkungsprofil positiv beeinflussen.

Mit dem unaufhaltsamen Fortschreiten der Erkrankung muss die medikamentöse Behandlung im Verlauf immer wieder angepasst werden, am besten durch einen Arzt für Neurologie.


L-Dopa-Präparate

L-Dopa-Präparate, von denen es in Deutschland mehr als 20 verschiedene Präparate gibt, enthalten immer L-Dopa (Levodopa) in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer, der den Abbau des gegen das Parkinson-Syndrom wirksamen L-Dopa peripher (das heißt im Organismus) hemmt, bevor es die Blut-Hirn-Schranke überwindet. So kommt man mit geringeren L-Dopa-Dosen aus und mit geringeren unerwünschten Wirkungen des Präparats außerhalb des Gehirns (wie zum Beispiel Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Mundtrockenheit).

Seit wenigen Jahren existiert ein Präparat, das neben einem Decarboxylasehemmer auch einen einen COMT-Hemmer enthemmt, der den Abbau des L-Dopa zentral (das heißt im Gehirn) hemmt. Damit kann die Wirkung des L-Dopa innerhalb des Gehirns „geglättet“ und unerwünschte Wirkungsspitzen reduziert werden.


Dopaminagonisten

In der Therapie der Parkinson-Krankheit werden neben dem oben genannten Levodopa auch Arzneistoffe eingesetzt, die Dopamin-Rezeptoren stimulieren und somit eine dem Dopamin analoge Wirkung besitzen. Hierzu zählen die klassischen Mutterkornalkaloide (Pergolid, Cabergolin, Bromocriptin und Lisurid) und die neueren selektiven D2-Rezeptoragonisten (Pramipexol, Ropinirol und Rotigotin). Die verschiedenen Präparate unterscheiden sich in ihrer Wirkdauer und auch in ihrem Nebenwirkungsprofil.

COMT-Hemmer

COMT-Hemmer sind Arzneistoffe, die das Dopamin und Levodopa abbauende Enzym Catechol-O-Methyl-Transferase kompetitiv hemmen. COMT-Hemmer werden immer in Kombination mit Levodopa eingesetzt. Durch die Hemmung des Abbaus und der Anreicherung von Levodopa in der Peripherie steigt die Aufnahme von Levodopa ins Zentralnervensystem und führt somit dort zu einer gewünschten Erhöhung der Dopaminkonzentration. Der derzeit am häufigsten eingesetzte Vertreter dieser Stoffgruppe ist Entacapon. Tolcapon, das vorübergehend wegen schwerer, aber nur vereinzelt auftretender Leberschäden vorübergehend vom Markt genommen wurde, ist nach einer erneuten Sicherheitsbewertung wieder von der europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) wieder für die Therapie der Parkinson-Krankheit zugelassen worden.


Tiefenhirnstimulation

Seit Jahren werden auch chirurgische Behandlungsmöglichkeiten eingesetzt. Eine sehr erfolgreiche Methode ist die Tiefenhirnstimulation, bei der dem Patienten ein "Hirnschrittmacher" eingesetzt wird. Er sendet über dünne Drähte elektrische Impulse in die Hirnregionen Nucleus subthalamicus und Globus pallidus, die überaktive Fehlimpulse unterdrücken. Dieses Verfahren kommt bei schweren Dyskinesien und schweren tremorbetonten Parkinson-Syndromen in Frage, wenn die medikamentöse Therapie ihre Grenzen erreicht hat.

Bei dem Eingriff handelt es sich zwar um eine schwierige und nicht ungefährliche Gehirnoperation, die rund 6 - 10 Stunden dauert. Die positive Wirkung ist aber hervorragend.

Forscher der Forschungszentrum Jülich und der Universität Köln erhielten 2005 den Erwin-Schrödinger-Preis für ihre interdisziplinäre Weiterentwicklung von Hirnschrittmachern für die Parkinson-Therapie.


Implantation fetalen Hirngewebes

Diese ethisch höchst umstrittene Behandlungsform wird auch aufgrund ihrer erheblichen unerwünschten Wirkungen praktisch nicht mehr praktiziert.


Nicht medikamentöse Behandlungsverfahren

Neben der Medikation spielen beim fortgeschrittenen Parkinson-Syndrom Krankengymnastik und ausreichende Bewegung eine wichtige Rolle für den Erhalt der persönlichen Mobilität.

Eine logopädische Unterstützung kann sinnvoll sein, wenn sich mit Fortschreiten der Erkrankung die Sprache verschlechtert (leise und verwaschene Aussprache).

Ergotherapie unterstützt durch Hilfen für den Alltag (z.B. Knöpfhilfen, Greifzangen) und arbeitet an der Raumwahrnehmung zur Verbesserung der Bewegung.


Akupunktur und andere alternative Behandlungsmethoden

Wie alle Patienten mit unheilbaren Erkrankungen wenden sich auch Parkinson-Patienten fast immer auch "alternativen" Therapien zu. Diese können bei manchen Patienten, wie alle anderen Therapien auch, zu einer subjektiven Besserung führen, ohne dass es zu Nebenwirkungen kommt. Versprechungen, dass damit ein Fortschreitens der Erkrankung aufgehalten wird, sind aber falsch.

Bekannte Erkrankte

Atypische Parkinson-Syndrome

Es gibt Krankheiten, die der Parkinsonschen Erkrankung ähneln und deren Ursache ebenfalls in einem Verfall von Nervenzellen im Bereich der Basalganglien im Gehirn liegt. Man nennt sie atypische Parkinson-Syndrome oder auch Parkinson-Plus: Menschen, die an diesen Krankheiten leiden zeigen neben der Parkinson-Symptomatik weitere Symptome. Die häufigsten Krankheiten aus dem Bereich der atypischen Parkinson-Syndrome sind folgende:

Die atypischen Parkinson-Syndrome sind vergleichsweise selten. Allerdings gibt es eine hohe Dunkelziffer, eben weil diese Krankheitsbilder selten sind und die Patienten oft fehldiagnostiziert werden (als Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer oder auch Depression). In Autopsien stellte sich z.B. die Lewy-Körperchen-Erkrankung (engl. Lewy body disease) als Ursache von ca. 50% der klinisch als "typisch" diagnostizierten Parkinson-Syndrome heraus.

Literatur

Bücher

  • Gerd A. Fuchs: Die Parkinsonsche Krankheit. Ursachen und Behandlungsformen. C.H. Beck Verlag, 2002, ISBN 3406480012
  • Oliver Sacks: Awakenings: Zeit des Erwachens., Rowohlt 1997, ISBN 3499188783. Beeindruckender Bericht eines Neurologen über mehrere Patienten mit schwerem postenzephalitischem Parkinsom-Syndrom, vor und nach ihrer Behandlung mit L-Dopa. Keine Fachliteratur, bietet ein umfassendes Bild auf das Leben mit dieser Form von Parkinson.


Aufsätze

  • Wolfgang Götz: Geschichte der Therapie des Morbus Parkinson - fast 200 Jahre keine kausale Therapie. Pharmazie in unserer Zeit 35(3), S. 190 - 196 (2006), ISSN 0048-3664
  • Hansruedi Büeler: Die Parkinson-Krankheit - Molekulare Mechanismen und Genetik. Pharmazie in unserer Zeit 35(3), S. 198 - 203 (2006), ISSN 0048-3664
  • Bernd Riebesehl, Ralph Lipp: Darreichungsformen in der Parkinson-Therapie - Arzneiformen eröffnen neue Wege für Parkinson-Patienten. Pharmazie in unserer Zeit 35(3), S. 226 - 233 (2006), ISSN 0048-3664
  • Jan Schindehütte, Walter Paulus, Ahmed Mansouri: Stammzellentherapie bei Morbus Parkinson - Zellersatz als eine therapeutische Option? Pharmazie in unserer Zeit 35(3), S. 250 - 254 (2006), ISSN 0048-3664