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Welthunger

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Mit dem Ausdruck Welthunger wird die dramatische Situation beschrieben, dass viele Millionen Menschen auf dieser Erde hungern, obwohl genug Nahrung für alle vorhanden ist.

Die Zahl der hungernden Menschen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, steigt jedoch langsamer als die Bevölkerung an: 1990 waren es ca. 822 Millionen, im Jahr 2004 ca. 852 Millionen Menschen. Das ist etwa jeder achte Mensch auf der Erde. Jeden Tag sterben bis zu 100.000 Menschen an Hunger oder seinen Folgen.

Die meisten Hungernden leben in Asien (550 Millionen), gefolgt von Afrika (170 Millionen). Auch in Lateinamerika und vielen osteuropäischen Ländern ist Hunger ein Problem. Die meisten Hungernden leben in Entwicklungsländern. Aber auch in den Industrieländern gibt es insgesamt 10 Millionen Hungernde.


Ursachen des Hungers

Soziale, politische und ökonomische Faktoren

Hunger entsteht selten dadurch, dass es einfach zu wenig Nahrung gibt. Verschiedene soziale, politische und ökonomische Faktoren sind dafür verantwortlich, dass die Nahrung zuweilen nicht zu denjenigen gelangt, die sie brauchen.

50% der Hungernden sind Kleinbauern, die von dem leben, was sie selbst anbauen. Da sie arm sind, können sie keine ausreichenden Nahrungsmittel kaufen und sind von Hunger bedroht, wenn ihre Ernte schlecht ausfällt. 20% der Hungernden sind landlose Landarbeiter, weitere 20% leben in den Elendsvierteln der Städte, die restlichen 10% sind Fischer und Viehzüchter. Auch sie sind aufgrund ihrer Armut für Hunger anfällig. In vielen Ländern wird die Situation durch Naturkatastrophen (Klimaschwankungen, Dürre, Überschwemmungen etc.), durch bewaffnete Konflikte und die Korruption und "bad governance" der Regierenden verschärft.

Die Entwicklungsländer sind hoch verschuldet und müssen einen großen Teil ihrer Wirtschaftsleistung für Zinszahlungen an das Ausland aufbringen. Dadurch stehen ihnen weniger Mittel für Entwicklung und Armutsbekämpfung zur Verfügung.

In den Industrieländern wird erst in jüngster Zeit Hunger als gesellschaftliches Problem diskutiert. Es ist allerdings gesamthaft weniger gravierend als in den Entwicklungsländern. Die Ursachen sind allerdings ähnlich: zunehmend ungleiche Einkommensentwicklung sowie in einigen Industrieländern eine relativ hohe Arbeitslosigkeit.

Bevölkerungswachstum

Die Weltbevölkerung hat sich im letzten Jahrhundert nahezu vervierfacht; sie ist von 1900 bis 2003 von 1,6 auf 6,3 Milliarden gestiegen. Im Januar 2006 umfasste die Weltbevölkerung 6,519 Milliarden Menschen. Besonders in den Entwicklungsländern wächst die Bevölkerung. Hohes Bevölkerungswachstum muss nicht unbedingt zu Hunger führen, in vielen Entwicklungsländern sind jedoch der Produktions- und der Agrarsektor schlecht entwickelt, so dass das Bevölkerungswachstum zu einem Hungerrisiko wird.

Das starke Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern hat verschiedene Ursachen. In Ländern ohne staatliches Rentensystem sind Kinder die einzige Altersversorgung. Fehlende Bildung und sexuelle Aufklärung stehen der Familienplanung im Wege. Eine Rolle spielen auch religiöse Gründe, die zur Ablehnung von Verhütungsmitteln führen.

Welthandelsstrukturen

Die Strukturen des Welthandels sind eine weitere Ursache für den Hunger in den Entwicklungsländern. Der Welthandel wird durch die Industrieländer dominiert. Der Anteil von Westeuropa am weltweiten Export betrug 2000 39,5%, der Anteil von Nordamerika 17,1%. Der Anteil Afrikas dagegen lag 2000 bei 2,3%.

Die Industrie ist in den meisten Entwicklungsländern schwach entwickelt. Viele Entwicklungsländer sind vom Export eines einzigen Rohstoffes abhängig. Diese wirtschaftlichen Strukturen sind ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit, in der die Industrieländer ihre Kolonien zum Export von Rohstoffen und gleichzeitig zur Abnahme ihrer Industriegüter gezwungen hatten. 2001 waren 95% aller Exporte von Guinea-Bissau eine bestimmte Nusssorte. 76% des Exports von Burundi war 2001 Kaffee. 72% aller jamaikanischen Exporte war Aluminium. Entsprechend schwer werden diese Länder von Preisschwankungen dieser Produkte getroffen, wie der Verfall des Kaffeepreises und die Folgen für Kaffeebauern auf der ganzen Welt deutlich machen.

Veränderte Ernährungsgewohnheiten

Seit dem Zweiten Weltkrieg zeichnet sich eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten auf der Welt ab. Der Fleischkonsum ist stark gestiegen, besonders in den Industrieländern, seit einiger Zeit auch in Schwellenländern wie China.

Ursprünglich erfand der Mensch die Viehzucht, weil Nutztiere Abfälle oder für Menschen ungeniessbare Pflanzen wie Gras in Milch oder Fleisch umwandeln können. Heute werden die Tiere, die zur Fleischproduktion gemästet werden, größtenteils mit Getreide gefüttert. Ein Großteil des Getreides, das auf der Welt produziert wird, wird für die Fütterung von Nutztieren verbraucht. Nur etwa 10% des verfütterten Getreides wird dabei in Fleischmasse umgewandelt, die restlichen 90% sind für die menschliche Ernährung verloren. In Brasilien dient bereits ein Fünftel der landwirtschaftlichen Nutzflächen zur Futtermittelproduktion für die Viehmast, und es wird weiterhin Regenwald abgeholzt, um noch mehr Anbauflächen dafür zu schaffen.

Wenn sich mehr Menschen pflanzlich ernähren oder auch nur ihren Fleischkonsum senken würden, könnten große Anbauflächen und Getreidemengen zugunsten der menschlichen Ernährung genutzt werden statt für die Viehmast.

Lösungsansätze

Die Lösung des Problems Welthunger ist sehr komplex. Ein Patentrezept gibt es nicht. Je nach Region müssen die dortigen sozialen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen berücksichtigt werden.

Der Bekämpfung der Armut kommt eine zentrale Bedeutung zu. Ein Schritt dazu könnte eine Reform der Welthandelsstrukturen sein, etwa der Abbau der milliardenschweren Exportsubventionen, mit denen die Industrieländer ihre landwirtschaftlichen Überschüsse massiv verbilligt in Entwicklungsländer exportieren und so die einheimische Kleinlandwirtschaft in den Ruin treiben. Weitere Maßnahmen könnten Schuldenerlasse, höhere Entwicklungshilfen und die Sicherstellung gerechter Rohstoffpreise sein.

Als weitere Maßnahme wird oft ein verbesserter Zugang für landwirtschaftlliche Produkte aus Entwicklungsländern zu den Märkten der Industrieländer gefordert. Ob höhere landwirtschaftliche Exporte den Hungernden helfen, ist jedoch zweifelhaft. Meist kommen die Exporterlöse lediglich einer kleinen Schicht von Großgrundbesitzern zugute. In vielen Ländern ist der Landbesitz extrem ungleich verteilt, die Mehrheit der Hungernden sind landlose Landarbeiter und Kleinbauern. Landreformen wären vielerorts dringend notwendig, um die Ursachen von Hunger und Armut zu bekämpfen.

Ein wichtiger Ansatz ist auch die Eindämmung des Bevölkerungswachstums. Methoden dazu sind bessere sexuelle Aufklärung und Familienplanung. Bildungsprogramme und Aufklärung für Frauen sind eine weitere Methode, um das Bevölkerungswachstum einzudämmen. Laut Studien der Weltbank ist die Geburtenrate bei Frauen ohne Schulbildung dreimal höher als bei Schulabsolventinnen.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsmethoden, insbesondere die Förderung umweltschonender Anbautechniken. Dies könnte beispielsweise durch verbesserte Anbaumethoden und Bewässerungstechniken und entsprechende Bildungsprogramme für Bauern geschehen.

Undemokratische Strukturen und "bad governance“ stehen in vielen Entwicklungsländern der Bekämpfung des Hungers im Weg. Gezielte Förderungen für demokratische Reformen und Programme zur Bekämpfung von Korruption durch internationale Organisationen könnten in diesem Bereich eingesetzt werden.

Siehe auch

Hungersnot, Hungertod, Welthungerhilfe, Brot für die Welt

Literatur

  • J. Nussbaumer, G. Rüthemann: Gewalt.Macht.Hunger
  • Jean Ziegler, Wie kommt der Hunger in die Welt? Ein Gespräch mit meinem Sohn, München 2000.
  • Claus Leitzmann: Welternährung zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Die globale Ernährungssituation.
  • Biologie in unserer Zeit 31(6), S. 408 - 416 (2001), ISSN 0045-205X
  • Datta, A. (1993). Welthandel und Welthunger. Deutscher Taschenbuchverlag, München.
  • Hoffman, T. & Korby, W. (2001). Terra Global - Welternährung zwischen Mangel und Überfluss. Klett-Perthes Verlag, Stuttgart.
  • Hoffman, T. & Korby, W. (2001). Terra Global – Arme Welt, reiche Welt. Klett-Perthes Verlag, Stuttgart.
  • Daniel Quinn: Ismael (1991) Goldmann Verlag
  • Daniel Quinn: Ismaels Geheimnis (1999) Goldmann Verlag
  • Daniel Quinn: The Story of B (1997) Bantam Books (Die etwas andere Sicht auf den Welthunger)