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Eugen Schiffer

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Eugen Schiffer (* 14. Februar 1860 in Breslau; † 5. September 1954 in Berlin) war ein deutscher Jurist und Politiker.

Leben und Beruf

Schiffer, der aus einer zum Protestantismus konvertierten jüdischen Familie stammte, studierte von 1877 bis 1880 in Breslau, Leipzig und Tübingen, wo er auch das Referendarexamen ablegte, Rechtswissenschaften. Nach Referendarzeit und Promotion folgte die Große Juristische Staatsprüfung. Von 1888 bis 1899 war er als Amtsrichter in Zabrze/Oberschlesien tätig, anschließend bis 1906 als Landgerichtsrat in Magdeburg. 1906 wurde er an das Kammergericht in Berlin befördert, wo er 1910 Oberverwaltungsgerichtsrat wurde.

Nach seinem Ausscheiden aus der Politik 1924 war Schiffer als Rechtsanwalt tätig, veröffentlichte aber auch Schriften über den Zustand der deutschen Rechtspflege. So ließ er sich in seiner 1928 erschienenen Schrift "Die Deutsche Justiz" über die Hypertrophie des Rechts in Deutschland aus, die Masse von Vorschriften, die selbst für Fachleute kaum übersehbar sei, führe in Verbindung mit der Weltfremdheit der Richter und der Rechtsfremdheit des Volkes zu einer Vertrauenskrise von Recht und Justiz. Beinahe resignierend stellt er fest "Ein inneres Verhältnis zwischen Volksseele, Rechtsordnung, Rechtspflege und Richtertum ist (...) nicht gegeben (...) das Band zwischen Volk und Recht ist nicht mehr bloß gelockert, sondern gerissen." (s. Seite 61). Daneben war er Mitherausgeber der Deutschen Juristenzeitung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte er zunächst in der sowjetischen Besatzungszone. Von 1945 bis 1948 war er Präsident der (Ost-)Deutschen Zentralverwaltung für Justiz. 1950 siedelte er in den Westen über. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder. Sein Schwiegersohn Waldemar Koch war 1946 der erste Vorsitzende der LDP in der Sowjetischen Besatzungszone.

Partei

Im Kaiserreich war Schiffer Mitglied der Nationalliberalen Partei. Im Gegensatz zur großen Mehrheit der Parteimitglieder, die die DVP gründete, beteiligte Schiffer sich an der DDP, aus der er im Oktober 1924 austrat, ohne dass bis heute die Beweggründe für diesen Schritt und seinen damit einhergehenden völligen Rückzug aus der Politik bekannt wären.

Gemeinsam mit Wilhelm Külz veröffentlichte er Anfang Juli 1945 einen Aufruf zur Gründung einer Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands. Nach seinem Umzug in den Westen Deutschlands gehörte er der FDP an.

Abgeordneter

Von 1903 bis 1918 war Schiffer Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses für den Wahlkreis Magdeburg. Dem Reichstag des Kaiserreiches gehörte er von 1912 bis 1917 an, wo er den Wahlkreis Wolmirstedt-Neuhaldensleben vertrat. Dort widmete er sich vorwiegend der Vereinheitlichung der Rechtspflege im Deutschen Reich, die trotz der Reichsjustizgesetze noch sehr von den Einzelstaaten bestimmt wurde.

Schiffer gehörte der Weimarer Nationalversammlung an und war dort seit dem 9. Juli 1919 als Nachfolger von Friedrich von Payer DDP-Fraktionschef. Anschließend gehörte er dem Reichstag bis 1924 an. 1923 entwarf er für die DDP-Fraktion einen Antrag für ein "Erstes Gesetz zur Vereinfachung des Justizwesens", das in abgeänderter Fassung im Februar 1924 verabschiedet wurde. Ziel war vor allem die Dauer des Zivilprozesses zu verkürzen und der Prozessverschleppung entgegen zu wirken. Zu diesem Zweck wurde unter anderem ein Güteverfahren eingeführt.

Von 1921 bis 1925 war er auch Landtagsabgeordneter in Preußen. Das Mandat nahm er seit seinem Partei- und Fraktionsaustritt am 22. Oktober 1924 nicht mehr wahr.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Schiffer 1949/50 der provisorischen Volkskammer der DDR an.

Öffentliche Ämter

Während der Herrschaft des Rates der Volksbeauftragten unter Friedrich Ebert war Schiffer, wie schon in den letzten kaiserlichen Regierung von Georg Michaelis und des Prinzen Max von Baden, leitender Staatssekretär des Reichsschatzamtes.

Unter Ministerpräsident Philipp Scheidemann war er bis zum 19. April 1919 stellvertretender Regierungschef und leitete das Reichsministerium der Finanzen, unter Scheidemanns Nachfolger Gustav Bauer bekleidete Schiffer vom 3. Oktober 1919 bis zum 26. März 1920 das Amt des Justizministers und war erneut Vizekanzler. Er gilt als eine der wesentlichen Figuren bei der Niederschlagung des Kapp-Putsches. Schließlich war er im ersten Kabinett von Joseph Wirth vom 10. Mai bis zum 22. Oktober 1921 ein zweites Mal Justizminister.

siehe auch: Kabinett Scheidemann, Kabinett Bauer, Kabinett Wirth I

Ehrungen

Schiffer erhielt die Ehrendoktorwürde der Universität Halle (Saale) (1928) und der Humboldt-Universität Berlin (1950).

Veröffentlichungen

  • Neue Vorschläge zur Beschleunigung und Vereinheitlichung der Rechtspflege, in: Juristische Wochenschrift, 1914, Seiten 2ff.
  • Die deutsche Demokratie nach den Reichtagswahlen, 1920.
  • Die Deutsche Justiz. Grundzüge einer durchgreifenden Reform, Verlag Otto Liebmann, Berlin 1928.
  • Sturm über Deutschland, Verlag Otto Liebmann, Berlin 1932.
  • Die neue Verfassung des Deutschen Reiches. Eine politische Skizze, Hobbing-Verlag, Berlin 1932.
  • Ein Leben für den Liberalismus, Herbig, Berlin 1951.

Literatur

  • Helmut Seier, Nationalstaat und sozialer Ausgleich als schlesische Motive des Nationalliberalen Eugen Schiffer, Stuttgart 1986.
  • Joachim Ramm, Eugen Schiffer und die Reform der deutschen Justiz, Neuwied 1987.
  • Dietrich Goldschmidt, Erinnerungen an das Leben von Eugen und Marie Schiffer nach dem 30. Januar 1933, 1991