Vesper (Liturgie)
Die Vesper (v. lat. vesper: Abend) ist ein liturgisches Abendgebet, das eine zweifache Wurzel hat:
- frühchristliche Abendgottesdienste mit feierlichem Hereintragen einer Lampe (Lichtritus, Luzernarium), wie er in den antiken christlichen Stadtgemeinden seit den ersten Jahrhunderten bezeugt ist, und
- die abendliche Gebetszeit in einer monastischen Gemeinschaft.
Gebetet werden vorwiegend Psalmen mit abendlichen Motiven.
Katholische Kirche
In der katholischen Kirche ist die Vesper als Abendgebet zusammen mit den Laudes als Morgengebet Angelpunkt des Stundengebets. Die Vesper besteht der Eröffnung Oh, Gott, komm mir zur Hilfe, einem Hymnus, mehreren Psalmen, einer kurzen Schriftlesung mit Responsorium, dem Magnificat, Fürbitten, dem Vater Unser und wird mit Tagesgebet und Segen abgeschlossen. Ist die Vesper die letzte Hore des Tages, die in Gemeinschaft gebetet wird, wird eine Marianische Antiphon angefügt.
Die Vesper ist für Ordensleute mit ewiger Profess und Priester wegen ihres Weiheversprechens verpflichtend. Laien wird sie empfohlen, daher wird sie in manchen katholischen Pfarreien sonntags und besonders an hohen Festtagen als feierlicher Gottesdienst vollzogen.
Anglikanische Kirche
Mit dem Modell des Daily Evening Prayer im Book of Common Prayer knüpfte die anglikanische Kirche im 16. Jahrhundert wieder an die Tradition des abendlichen Gemeindegebets an. Sie ist gegenwärtig wohl die einzige Kirche, der es gelang, das tägliche Abendgebet in den Gemeinden lebendig zu halten. Zum altkirchlichen Erbe gehört der tägliche Hymnus O Gracious Light (Phos hilaron). Im heutigen Lektionar (1979) sind die Psalmen in einem Sieben-Wochen-Zyklus geordnet. Dieses Abendgebet nennt man Evensong.
Lutherische Kirche
Im Bereich der Reformationskirchen ist zunächst ein Traditionsabbruch zu konstatieren, bedingt durch Luthers negatives Urteil über das Stundengebet. Dass die Christvesper am Heiligen Abend ihre Bezeichnung vom kirchlichen Stundengebet hat, dürfte nur den wenigsten Gemeindegliedern bewußt sein. Zumal diese Veranstaltung auch keine Ähnlichkeit mit einem Tagzeitengebet hat.
Seit den Zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts bildeten sich Kreise wie die Berneuchener Bewegung, die Michaels- oder Ansverusbruderschaft, die sich zu täglichen Gebetszeiten verpflichteten und Formen eines evangelischen Tagzeitengebets, meist durch Entwicklung einer deutschen Gregorianik, erprobten.
Mit der Agende II wurde 1960 in den evangelische-lutherischen Kirchen eine Ordnung für die Vesper als Gemeindegottesdienst angeboten; dieses Werk wurde bei der Agendenreform bislang nicht neu herausgegeben und hat wohl insgesamt wenig Wirkung gehabt. Die Thüringische Landeskirche gab 1959 das sog. Evangelische Brevier heraus (5. Auflage 2001 unter dem Titel "Biblisches Brevier"). Es enthält neben Morgengebet (Mette) und Tagesgebet (Laudes) eine Ordnung für die Vesper, die im wesentlichen der oben aufgeführten katholischen Ordnung gleicht, aber an zwei Punkten eigene Wege geht: a) anstelle des Responsoriums tritt die Erklärung des Credo aus Luthers Kleinem Katechismus; b)anstelle des ganzen Vaterunsers wird jedem Wochentag eine Vaterunser-Bitte zugeordnet, verbunden mit der entsprechenden Strophe aus Luthers Vaterunser-Lied. Damit nimmt dieses Modell alte Traditionen evangelischer Wochentagsgottesdienste, die dem Unterricht im Katechismus dienten, auf und verbindet sie mit der Struktur des Stundengebets.
Byzantinischer Ritus
Die Vesper in den Kirchen des Byzantinischer Ritus (vor allem die orthodoxen Kirchen) wird vor allem vor den großen Festen festlich mit der ganzen Gemeinde gefeiert, in den Klöstern wird sie täglich zelebriert. Unterschieden wird zwischen Großer und Kleiner Vesper. Die Große Vesper besteht aus: Eröffnung und Einleitungsgebeten, Psalm 104 mit den Leuchtengebeten, Großer Litanei, Kathisma, Kleine Litanei, Weihrauchopfer mit Psalm 141, Einzug, Hymnus "Freundliches Licht",Prokimenon, Lesung, Inständige Litanei, Kataxioson, Bittlitanei, (evtl. Litija), Aposticha, Lobgesang des Simeon, Trishagion, Vater unser, Troparia, (evtl. Artoklasia), Psalm 34, Segen und Entlassung. Die Kleine Vesper wird weniger festlich gefeiert, bestimmte Gebete entfallen.
Koptischer Ritus
Der Koptische Ritus, die ihrerseits wieder auf die äthiopische Kirche ausstrahlte, ist überaus stark durch das Mönchtum geprägt, was sich durch das umfangreiche Psalmen-Pensum im "Agpeya", dem koptischen Stundenbuch, niederschlägt: zur Vesper Ps. 51; 117.118.120-129.
Andere Bedeutungen
Vesper kann auch andere Bedeutungen haben: Vesper