Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann ist eine Erzählung von Heinrich Böll, verfilmt von Volker Schlöndorff. Sie ist 1974 zunächst im Wochenmagazin Der Spiegel, dann im Kiepenheuer & Witsch-Verlag erschienen. Böll verarbeitet darin unter anderem seine Erfahrungen einer Hetzkampagne der Bild-Zeitung gegen ihn, nachdem er Anfang der 1970er Jahre eine sachliche Presseberichterstattung gegenüber der RAF gefordert hatte. Die Erzählung ist ein Beitrag zur Gewalt-Debatte der 1970er Jahre. Neben die physische Gewalt, die Gewalt von Waffen, sowie die "Gewalten, die auf der Bank liegen", stellt Böll hier die Gewalt von Worten, die Gewalt von Schlagzeilen, die er am eigenen Leib erleben musste ("Die Bölls sind gefährlicher als Baader-Meinhof."). Im Oktober 1974 erklärte Böll in einem Interview: "Die Gewalt von Worten kann manchmal schlimmer sein als die von Ohrfeigen und Pistolen." Angeprangert wird in der Erzählung am Beispiel der Normalbürgerin Katharina Blum der Machtmissbrauch der Boulevardpresse. Literarisch liegt eine Nähe zu Friedrich Schillers Der Verbrecher aus verlorener Ehre vor.
Inhalt
Kurzbeschreibung
Am Abend vor spastenfastnacht des Jahres 1974 veranstaltet Else Woltersheim, die Patentante der Titelfigur, eine Karnevalsfeier, zu der auch die Haushälterin Katharina Blum und der wegen Raubmordes gesuchte Ludwig Götten kommen. Die 27 Jahre alte Katharina verliebt sich Hals über Kopf in den Schwerverbrecher, ohne über seine Taten Bescheid zu wissen. Sie verbringen gemeinsam die Nacht in Katharinas Wohnung. Am nächsten Tag stürmt die Polizei, die Götten beschattet hat, das Gebäude. Als diese nur die junge Frau vorfindet, weil Katharina in der Nacht Götten zur Flucht verholfen hatte, wird sie vom ermittelnden Kriminalkommissar Beizmenne vorläufig festgenommen.
Die Zeitung (eine Anspielung auf die vom Axel Springer Verlag publizierte Bild) behandelt den Fall ausführlich und stellt Katharina als Schwerverbrecherin und "Flittchen" hin. Sie behauptet, Katharina habe Götten schon seit Jahren gekannt, und bringt gelegentliche "Herrenbesuche" mit Treffen und Orgien von Kriminellen in Verbindung. In Recherchen und Interviews verdreht die Zeitung Aussagen von Personen, die Katharina kennen, um sie in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Die zu Beginn gesellschaftlich voll integrierte junge Frau wird so zu einer verachteten Außenseiterin.
Als Werner Tötges, ein Journalist der Zeitung, Katharinas kranke Mutter im Krankenhaus aufsucht und sie mit den Vorwürfen gegen ihre Tochter konfrontiert, stirbt diese in der Nacht. In der gleichen Nacht wird auch Ludwig Götten im Landhaus von Alois Sträubleder, zu dem Katharina einen Schlüssel hatte, verhaftet. Katharina Blum verzweifelt an ihrer Situation und ermordet bei einem Interview den Journalisten Tötges. Nach stundenlangem Herumirren in der Stadt stellt sie sich selbst und wird verhaftet.
Rezeption
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Verfilmung
Die Erzählung wurde für das Theater bearbeitet und 1975 von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta in einem 102 Minuten langen Film verfilmt. Musik: Hans Werner Henze.
Allgemeines
Die Finanzierung des 1,7 Millionen DM teuren Films kam wie folgt zustande: 500.000 DM zahlte der WDR, 500.000 DM eine Koproduktion von Paramount Orion, ein 300.000 DM hohes Darlehen von der Filmförderungsanstalt (Es wurde durch das Einspielergebnis zurückgezahlt). Der noch fehlende Betrag von etwa 400.000 DM wurde vom Produzenten beglichen (Eigenbeteiligung).
Der Film feierte am 10. Oktober 1975 Premiere in neun Kinos der Bundesrepublik Deutschland und wurde erstmals am 18. Mai 1978 in der ARD gezeigt. Anfang Oktober 1975 wurde der Film auf dem New Yorker Filmfestival gezeigt und kam anschließend in andere Kinos der Vereinigten Staaten. 1977 lief er in 30 Moskauer Filmtheatern, danach in (fast) allen Großstädten der Sowjetunion.
Es ist noch zu erwähnen, dass der Film ein anderes Ende als Bölls Roman hat. Während das Buch mit der Inhaftierung Katharina Blums endet, ist im Film schließlich die Beerdigung des erschossenen Journalisten zu sehen. Eine besondere Ironie liegt darin, dass in der (von Heinrich Böll verfassten) Grabrede der Chef des Verlags, der die ZEITUNG veröffentlicht, die Tat Katharina Blums als "Angriff auf die Pressefreiheit" bezeichnet und man erklärt, dass man derartigen Angriffen künftig stärker entgegenwirken müsse. Die Wirkung des Böll-Manuskripts sollte auf diese Weise noch verstärkt werden.
Auszeichnungen
Der Verfilmung wurde eine Vielzahl von Auszeichnungen verliehen, unter anderem:
- Prädikat besonders wertvoll von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden
- Preis der CEC (spanische Filmkritik)
- Preis des OCIC (internationales Katholisches Filmbüro)
Angela Winkler erhielt folgende Preise:
- Filmband in Gold (Bundesfilmpreis)
- Kritikerpreis 1975 der Sparte Darstellung der Titelfigur
Jost Vacano erhielt als Kameramann ebenso das Filmband in Gold (Bundesfilmpreis).
Bühnenbearbeitung und Oper
Margarethe von Trotta führte im Mai 1976 das Stück nach der Erzählung von Heinrich Böll an der Werkstattbühne des Bonner Stadttheaters auf.
Im Gegensatz zum Film (s.o.) bekam diese Rezeption jedoch wesentlich mehr negative Kritiken.
Am 20. April 1991 wurde am Stadttheater Bielefeld Tilo Medeks Katharina Blum. Oper in fünf Tagen und einem Nachspiel uraufgeführt. Das Libretto stammt von Dorothea Medek, der Ehefrau des Komponisten. Das Echo der Kritik war überwiegend negativ.
Literatur
Der Text der Erzählung liegt als dtv-Taschenbuch vor.
Forschungsliteratur
- Werner Bellmann: Heinrich Böll. Die verlorene Ehre der Katharina Blum. In: Erzählungen des 20. Jahrhunderts. Interpretationen. Bd. 2. Reclam, Stuttgart 1996. S. 183-204. ISBN 3-15-009463-1
- Werner Bellmann / Christine Hummel: Heinrich Böll, Die verlorene Ehre der Katharina Blum. Erläuterungen und Dokumente. Reclam, Stuttgart 1999. [Der Band enthält auch Informationen und Dokumente zu Schlöndorffs Film und zu Medeks Oper, ferner detaillierte Literaturangaben] ISBN 3-15-016011-1
- Beth, Hanno: Rufmord und Mord: die publizistische Dimension der Gewalt. Zu Heinrich Bölls Erzählung Die verlorene Ehre der Katharina Blum. In: Hanno Beth (Hrsg.): Heinrich Böll. Eine Einführung in das Gesamtwerk in Einzelinterpretationen. 2., überarb. Aufl. Königstein (Ts.) 1980. S. 69-95.
- Scheiffele, Eberhard: Kritische Sprachanalyse in Heinrich Bölls Die verlorene Ehre der Katharina Blum. In: Basis. Jahrbuch für deutsche Gegenwartsliteratur 9 (1979) S. 169-187 und 268f.
Es gibt sehr viele deutsch- sowie auch englischsprachige Forschungsliteratur zu Bölls Werk; sie zu nennen, sprengt den Rahmen.
Daneben gibt es eine intensive journalistische Rezeption; zu nennen sind besonders Kritiken im Nachrichtenmagazin Der Spiegel und in diversen Zeitungen des Ruhrgebietsraum.
Letzten Endes existiert auch noch eine ganze Menge didaktisch orientierter Publikationen; es handelt sich weitgehend um Zusammenfassungen von anderer (Forschungs-)Literatur, die zum Teil durchaus lesenswert sind.