Zum Inhalt springen

Apostasie im Islam

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. Mai 2006 um 00:42 Uhr durch Tickle me (Diskussion | Beiträge) (rv 84.7.0.37 -> Diskussion:Apostasie_im_Islam#Link-Vorschl.C3.A4ge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Apostasie im Islam, meist Ridda oder Irtidad genannt, (arabisch ردة ridda, ارتداد irtidâd), ist nach dem islamischen Recht (Schari'a) streng geregelt. Derjenige, der vom Islam abgefallen ist, wird Murtadd genannt. Der Koran sieht für den Apostaten nur eine Bestrafung im Jenseits vor. In der Schari'a dagegen ist die Todesstrafe die allgemein akzeptierte Bestrafung des Apostaten. Dabei bezieht sich die Rechtslehre auf Aussagen des Propheten Mohammed, Hadith, wie: „tötet denjenigen, der seine Religion wechselt“.

Religionswechsel vom Judentum zum Christentum und umgekehrt ist damit nicht gemeint. Der Prophetenspruch bezieht sich ausschließlich auf den Austritt aus dem Islam. Die Ehe zwischen dem Apostaten und dem muslimischen Ehepartner wird aufgelöst, die gemeinsamen Kinder bleiben Muslime und sind vom muslimischen Elternteil zu erziehen. Erbrechtliche Ansprüche eines Apostaten/Apostatin sind durch irtidâd islamrechtlich erloschen. Mit Ausnahme der hanafitischen Rechtsschule ist auch die Apostatin zu töten; Schwangere aber erst nach der Niederkunft.

In der frühislamischen Geschichte bezeichnete die Ridda das Abfallen der arabischen Stämme Zentralarabiens von der Religion, die unmittelbar mit der Verweigerung der Zakat-Zahlungen an den ersten Kalifen Abu Bakr nach dem Tod des des Propheten Mohammed verbunden war. In jener Zeit waren auch einige nach der islamischen Tradition „falsche Propheten“ in Zentralarabien aktiv. Für die historische Bedeutung der Ridda spricht die Tatsache, dass islamische Historiographen des 8. Jahrhunderts diese Ereignisse in den sog. Ridda-Büchern (kutub al-ridda) nach älteren, überwiegend mündlichen Überlieferungen verarbeitet haben.

Heutige Situation in verschiedenen Ländern

In Saudi-Arabien, im Iran, im Jemen, im Sudan, in Qatar, in Pakistan, in Afghanistan und in Mauretanien wird Abfallen vom Islam noch heute mit dem Tode bestraft und es werden auch Hinrichtungen durchgeführt, so etwa im Jahre 2000 ein somalischer Staatsbürger. Der Gelehrte Mahmud Muhammad Taha wurde im Sudan am 18. Januar 1985 offiziell wegen erwiesener Apostasie hingerichtet.

Iranische Muslime, die zu einer anderen Religion konvertieren, gelten als der Apostasie schuldig und werden mit der Todesstrafe oder mit lebenslanger Haft bestraft. Frauen werden eher mit lebenslanger Haft bestraft. In vielen anderen muslimischen Ländern, in denen heute nicht mehr offiziell der Tod auf den Abfall vom Islam steht, wird der Mord an einem Murtadd meist nicht geahndet, da solch ein Mord von weiten Teilen der Bevölkerung gebilligt wird.

2005 wurde in Ägypten ein Mann, der zum Christentum übertrat, zwangsweise in die psychiatrische Anstalt eingewiesen und später auch von der Polizei gefoltert.[1]

2006 drohte in Afghanistan Abdul Rahman wegen Konversion zum Christentum die Todesstrafe, bis er, laut offiziellen Angaben wegen Verfahrensmängeln freigelassen wurde. Er reiste nach Italien aus und erhielt dort Asyl.

In Libyen wird ein Abfall vom Islam mit dem sofortigen Verlust der Staatsbürgerschaft sanktioniert.

Nach der Verfassung Malaysias sind alle ethnischen Malaien von Geburt automatisch Muslime. Ein Abfallen vom Islam wird de facto mit Freiheitsstrafe bestraft.

Der Fatwa-Ausschuss der Azhar über die Tötung von Apostaten

Rechtsgutachten

Ein Rechtsgutachten (fatwa) des Fatwa-Ausschusses der Azhar über die Tötung von Apostaten aus dem Jahr 1978. Übersetzung des Originaldokumentes aus dem Arabischen:

al-Azhar. Fatwa-Ausschuss. Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes.

Frage vom Herrn Ahmad Derwisch; er hat diese Frage durch Herrn (Name nicht sichtbar), deutscher Staatsangehörigkeit, vorgelegt:

Ein Mann muslimischen Glaubens, ägyptischer Staatsangehörigkeit heiratete eine Frau christlichen Glaubens, deutscher Staatsangehörigkeit. In Übereinstimmung der Eheleute trat der genannte Muslim in die christliche Religion ein und schloss sich dem christlichen Glauben an.

1 - Was ist das Urteil des Islams über den Status dieser Person mit Hinblick auf die islamischen Strafen?

2 - Werden seine Kinder als Muslime oder als Christen angesehen? Was ist das Urteil?

Die Antwort:

Alles Lob gebührt Gott, dem Herrn der Welten. Segen und Friede sei mit dem Führer der Propheten, unserem Herrn Muhammad, seiner Familie und allen seinen Gefährten.

Hiermit erteilen wir Auskunft: da er vom Islam abgefallen ist, wird er zur Reue aufgefordert. Zeigt er keine Reue, wird er islamrechtlich getötet.

Was seine Kinder betrifft, so sind sie als Minderjährige Muslime. Nach ihrer Volljährigkeit, wenn sie im Islam verbleiben, sind sie Muslime. Verlassen sie den Islam, werden sie zur Reue aufgefordert. Zeigen sie keine Reue, werden sie getötet.

Und Gott der Allerhöchste weiß es am besten.

Siegel des Ausschusses. Der Vorsitzende des Fatwa-Ausschusses in der Azhar.

(gez. Unleserliche Unterschrift). Datum: 23. 9. 1978

Siegel mit Staatswappen: Die Arabische Republik Ägypten. Al-Azhar.Der Fatwa-Ausschuss in der Azhar.

Siehe auch

Sachthemen

Personen

Literatur

  • R. Peters, G.J.J. de Vries: Apostasy in Islam. In: Die Welt des Islams. 17/1976–1977, S. 1–25
  • Frank Griffel: Apostasie und Toleranz im Islam. Die Entwicklung zu al-Gazâlîs Urteil gegen die Philosophie und die Reaktion der Philosophen. Brill, Leiden 2000, ISBN 9004115668
  • Yohanan Friedmann: Tolerance and Coercion in Islam. Interfaith Relations in the Muslim Tradition. Cambridge University Press, Cambridge 2003, ISBN 0521827035
  • The Encyclopaedia of Islam. Supplement. Fasc.9-10. S. 692-695, Brill, Leiden 2004, ISBN 90-04-13214-7

Quellen

  1. Meldung, IGFM, 5. Juli 2005