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Fichtenspargel

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Fichtenspargel
Fichtenspargel (Monotropa hypopitys)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Divisio: Bedecktsamer (Magnoliophyta)
Vorlage:Classis: Dreifurchenpollen-Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Vorlage:Subclassis: Asternähnliche (Asterdae)
Vorlage:Ordo: Heidekrautartige (Ericales)
Vorlage:Familia: Heidekrautgewächse (Ericaceae)
Vorlage:Species: Fichtenspargel
Wissenschaftlicher Name
Monotropa hypopitys
L.

Der Fichtenspargel (Monotropa hypopitys) ist ein blattgrünloser Rhizomgeophyt aus der Familie Ericaceae (Unterfamilie Monotropoideae). Er ist die einzige einheimische chloropyllfreie Gefäßpflanzenart, die nicht parasitisch lebt und keine Orchidee ist. Schon seit langem ist die Art ein wichtiges Untersuchungsobjekt der Mykorrhizaforschung: Am Fichtenspargel wurden wesentliche Erkenntnisse über das Zusammenleben von Pflanzenwurzeln mit Pilzen gewonnen. BIDARTONDO (2005) bezeichnet Monotropa als "the sphinx of mycorrhizal research".

Beschreibung

Die Pflanzen unterscheiden sich durch die blass gelblich-braune Farbe der fleischigen Blütenstände von fast allen anderen heimischen Gefäßpflanzen. Verwechslungsgefahr besteht allenfalls mit der Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avis).

Die Laubblätter sind zu Schuppen reduziert. Am Ende des 10-30 cm langen Stängels befinden sich in einer nickenden Traube die (1)2-15(30) Blüten. Sie sind bis auf die Endblüte vierzählig, diese ist zumeist fünfzählig. Für Europa wurden zwei Unterarten beschrieben (die von einigen Autoren auch als eigene Arten geführt werden):

  • subsp. hypopitys: Griffel und Staubbeutel behaart, Blüten innen weichhaarig, Pflanzen 10-15-blütig, Fruchtkapsel länger als breit; unter Fichten. Chromosomenzahl: 2n = 48.
  • subsp. hypophegea („Buchenspargel“): Blüte innen kahl, Pflanze 3-6(10)-blütig, Frucht kugelig; unter Buchen. Chromosomenzahl: 2n = 16.

Allerdings sind beide Sippen durch Übergangsformen miteinander verbunden, wachsen oft unmittelbar nebeneinander und lassen sich auch chorologisch und ökologisch-soziologisch nicht eindeutig trennen.

Für Japan und Ostasien wird die subsp. japonica angegeben, für Nordamerika ssp. lanuginosa. Als einzige weitere Art der Gattung kommt Monotropa uniflora L. in Süd/Ostasien und Amerika, nicht jedoch in Europa, vor. Im Gegensatz zu M. hypopitys ist sie stets nur einblütig.

Verbreitung und Lebensraum

Der Fichtenspargel ist über die gemäßigten Zonen der gesamten Nordhalbkugel verbreitet (Arealformel: temperat(-boreal)/circumpolar). In Nordamerika geht die Art südlich bis Mexiko, in Asien bis zum Himalaya und Nord-Thailand. In Europa kommt sie vor allem im gemäßigten Bereich vor: nordwärts erreicht sie das mittlere Skandinavien, der Polarkreis wird nur ganz vereinzelt überschritten. Nach Süden erreicht sie mit Italien und Griechenland das Mittelmeergebiet, wo sie vor allem in den Gebirgen vorkommt.

Die Art besiedelt ein weites Spektrum von Habitaten, von Weidengebüschen in Küstendünen bis hin zu Gebirgsnadelwäldern. Typische Habitate sind feucht-schattige Laub-, Nadel- und Mischwälder, wobei aufgrund der heterotrophen Ernährungsweise (s. u.) auch lichtärmste Biotope noch besiedelt werden können. Auch das Wärmebedürfnis des Fichtenspargels ist gering, wie die extreme Vertikalverbreitung von der planaren bis in die subalpine Höhenstufe sowie die Vorkommen jenseits des Polarkreises zeigen. Fast immer sind die Fundorte der Art aber durch eine hohe Luftfeuchtigkeit gekennzeichnet, die u. U. auch durch eine hohe Gesamtniederschlagsmenge ersetzt werden kann.

aus: Thomé: Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz, 1885

Blüten- und Ausbreitungsbiologie

Die Blüten werden von Insekten bestäubt (Hummeln), denen Nektar als Belohnung angeboten wird. Daneben sind die Blüten aber wahrscheinlich auch zur Selbstbestäubung (Autogamie) fähig, wie nicht zuletzt der sehr hohe, fast immer vollständige Fruchtansatz zeigt.

Der ausdauernde, trockene Stengel ist elastisch, die zahlreichen Samen sind extrem klein und leicht. Der Fichtenspargel gehört somit zu den semachoren Pflanzenarten (Wind- und Tierstreuer).

Phänologie und Populationsdynamik

Die Pflanzen erscheinen bei uns frühestens ab Juni. Die Blütezeit reicht von Ende Juni bis Anfang August, kann sich aber auch bis in den September hineinziehen. Dabei werden kontinuierlich neue Sprosse gebildet, während die älteren schon Früchte tragen. Nach der Blüte verholzen die nun aufrechten Blütenstände. Sie überdauern als Wintersteher bis in die nächste Vegetationsperiode, wo dann oftmals die vertrockneten, vorjährigen Pflanzen neben den Diesjährigen zu sehen sind.

Da ausschließlich blühende Sprosse ausgebildet werden, geben jährliche Zählungen der Blütenstände die Populationsgröße gut wieder. Sie kann in beträchtlichem Umfang schwanken (so zum Beispiel in einer finnischen Population während eines elfjährigen Beobachtungszeitraums um mehr als das Hunderfache; SÖYRINKI 1985). Auf trocken-warme Witterungsbedingungen scheint die Art empfindlich zu reagieren, die Pflanzen erscheinen dann nur in geringer Zahl und können sogar ganz ausbleiben. In regenreichen Jahren entwickeln sie sich gut und können auch an Fundorten auftreten, wo sie sonst nicht gefunden werden.

Mykotrophie

Ernährungsweise der Pflanzen: sie sind vergesellschaftet mit Pilzen der Gattung Tricholoma, welche ihrerseits Ektomykorrhizen mit Waldbäumen eingehen. Der Fichtenspargel bezieht über das gemeinsame Pilzhyphen-Netzwerk seine Kohlenstoffhydrate von den Bäumen. Für diese indirekte Form des Parasitismus hat BJÖRKMANN (1960) den Begriff „Epiparasitismus“ geprägt. Im englischsprachigen Raum wird auch von einer „tripartite relationship“ oder „tripartite association“ gesprochen. Die Art ist also kein "Saprophyt", wie bis in die jüngste Zeit fälschlicherweise immer wieder angegeben wird.

Als evolutionäre Anpassungen an diese spezialisierte Lebensweise können genannt werden: fehlendes Chlorophyll; wenige, meist zurückgebildete Stomata; Wurzeln ohne Wurzelhaare.

Gefährdungssituation und Schutz

Obwohl der Fichtenspargel nur zerstreut vorkommt, ist er noch relativ weit verbreitet. Wie viele mykotrophe Pflanzenarten ist er jedoch möglicherweise im Rückgang begriffen. ELLENBERG stufte ihn bereits 1991 als "schwindend" ein. Gefährdungsursachen sind in erster Linie Schadstoffeinträge aus der Luft (Immissionen) sowie die flächendeckende Überdüngung (Eutrophierung), die sich negativ auf die Mykorrhizapartner auswirken können.

Eine Gefährdung nach der Roten Liste liegt auf Bundesebene nicht vor. In den Stadtstaaten Hamburg und Berlin ist der Fichtenspargel „vom Aussterben bedroht“ (Rote Liste-Kategorie 1). „Stark gefährdet“ (RL 2) ist er in Sachsen und Schleswig-Holstein. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gilt er als „gefährdet“ (RL 3). In den meisten übrigen Bundesländern (Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen) wird er nicht als gefährdet eingestuft. In Baden-Württemberg reicht die Datenlage nicht aus, um eine Einstufung in eine Gefährdungskategorie vorzunehmen.

Außer überregionalen Maßnahmen zur Luftreinhaltung sind lokal keine aktiven Naturschutzmaßnahmen notwendig. Allerdings sollten größere Kahlschläge wegen der Abhängigkeit des Fichtenspargels vom umgebenden Baumbestand unbedingt unterlassen werden. Im übrigen dürfte das Fortbestehen der Art bei schonender, naturgemäßer Bewirtschaftung ihrer Biotope gewährleistet sein.


Literatur

  • BJÖRKMANN (1960): Monotropa hypopitys L. – an epiparasite on tree roots. - Physiologia Plantarum 13: 308–327.
  • SÖYRINKI (1985): Über die Periodizität im Blühen von Monotropa hypopitys (Monotropaceae) und einiger Orchideen in Finnland. - Annales Botanici Fennici 22: 207–212.
  • LEAKE et al. (2004): Symbiotic germination and development of the myco-heterotroph Monotropa hypopitys in nature and its requirement for locally distributed Tricholoma spp. - New Phytologist 163: 405–423.
  • BERCH, S. M., MASICOTTE, H. B. & L. E. TACKABERRY (2005): Re-publication of a translation of ‘The vegetative organs of Monotropa hypopitys L.’ published by F. Kamienski in 1882, with an update on Monotropa mycorrhizas. – Mycorrhiza 15: 323-332.