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Vanitas

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Vanitas-Motiv aus dem 18. Jahrhundert: Hinter der Maske der Schönheit lauert der Tod

Herkunft

Vanitas (lateinisch „leerer Schein, Nichtigkeit, Eitelkeit“) ist ursprünglich die christliche bzw. jüdische Vorstellung von der Vergänglichkeit alles Irdischen, die im Buch Kohelet im Alten Testament ausgesprochen wird (Koh. 1, 2): "Es ist alles eitel." Diese Übersetzung Martin Luthers verwendet "eitel" im ursprünglichen Sinne von "nichtig". Insbesondere Narren standen im Mittelalter für Vanitas. Hofnarren sollten ihren Herrscher an die Vergänglichkeit erinnern.

Vanitas als Kunstmotiv

Die Vanitas bildet zudem ein wichtiges Motiv in der Literatur und Kunst des Barock. Schönheit und Verfall werden miteinander verbunden. Sie findet sich beispielsweise 1643, zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in einem Sonett des Andreas Gryphius (1616 – 1664), das tiefe Lebensresignation ausdrückt und in der Nachkriegszeit nach 1945 in Deutschland wieder oft zitiert wurde:

Es ist alles eitel
Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden;
Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden;
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein;
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn?
Ach, was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind,
Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't!
Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten.

Beliebte Sinnsprüche, die die Vergänglichkeit alles Irdischen ins Gedächtnis rufen sollten, waren im Barock auch „memento mori“ („Gedenke, dass du sterben musst“) und „carpe diem“ („Nutze den Tag“, ein Zitat von Horaz).

Vanitas- Symbole

In der bildenden Kunst soll mit Vanitas-Symbolen, häufig in moralisierender Absicht, an die Vergänglichkeit des Lebens und der irdischen Güter erinnert werden. Häufige Vanitas-Symbole sind der Totenschädel, die erlöschende Kerze, die Sanduhr und die verwelkte Blume, im weiteren Sinn auch Einsiedler- und Kasteiungsszenen (Hieronymus, Magdalena).

Besonders in der Niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts wurde immer wieder Vanitas als eine Variation des memento mori thematisiert. Vor dem Hintergrund grassierender Pestseuchen, nicht endenwollender Greuel der Religionskriege und der bombastischer Pracht- und Machtentfaltung stellt dies eine durchaus verständliche und zeitkritische Haltung dar. Meist steht das Motiv der Vanitas in Verbindung mit einem Appell zur Hinwendung an Gott und den christlichen Glauben.

Sehr beliebt waren die Vanitas-Stillleben, die den Augenreiz eines perfekt gemalten Arrangements scheinbar beliebiger Gegenstände mit einem Geflecht von Symbolen verbanden, die um den Begriff der Vanitas kreisten. Diese Symbole waren dem zeitgenössischen Betrachter durchaus geläufig.

Luxusgüter

Ein sehr beliebtes, aber auch ambivalentes Symbol sind Luxusgüter sind aller Art. In Verständnis der calvinistisch geprägtren Niederländer des Barock ist Luxus die wohlverdiente Belohnung des Rechtschaffenen und Frommen. Es ist ein äußeres Zeichen für das Auserwähltsein und für Gottes Segen. Der Reichtum des Frommen ist zugleich auch eine Verpflichtung für vorbildlichen und tugendhaften Lebenswandel. Andererseits sind weltliche Güter der verführerische Köder des Lasters. Luxus führt oft in die Dekadenz und Lasterhaftigkeit. Lasterhaftigkeit wird aber bestraft – mit dem Verlust eben jener irdischen Glücksgüter! So ist jede Art von materiellen Reichtums eitel und vergänglich. Der gedankenlose Genuss von Luxus und das unangemessene Streben nach Reichtum und Luxus ist sündhaft und muss zum Verlust derselben führen. Kostbare Schalen, Glaskelche, getriebene Metallbecher, aber auch Schmuck, exotische Lebensmittel wie Zitrusfrüchte stehen für Luxus, für das menschliche Streben nach den materiellen Reichtümern. Angesichts der Vergänglichkeit allen irdischen Glanzes ist dieses menschliche Streben natürlich vergänglich-eitel.

Spiegel und Schmuck

Sie stehen für Schönheit, Weibliche Anziehungskraft, aber auch für ihre Vergänglichkeit, für Eitelkeit, Selbstverliebtheit und die Todsünde der Hoffart.

Dose

Kostbar verzierte Dosen stehen für das weibliche Prinzip der Sexualität und für das Leben. Über den gedanklichen Umweg „Frau = Evastochter“ ist die Dose indirekt ein Symbol für den Sündenfall.

Uhren

Uhren stehen für die Zeit und insbesondere für die uns bemessene Lebenszeit. Sie symbolisieren damit recht unverblümt Sterblichkeit. Es müssen übrigens keine Sanduhren sein. Mechanische Taschenuhren übermitteln die gleiche Botschaft. Doch sie stehen als Luxusgüter natürlich auch für Wohlstand und die vergänglichen irdischen Güter.

Machtinsignien

Kronen, auch die Tiara, Szepter, Harnisch oder Helm, Amtsketten usw. sind Zeichen für die irdische Weltordnung und seine Vergänglichkeit, der die himmlische Weltordnung als ewige Institution gegenübersteht.

Fauna und Flora

Blumen, Blätter, Zweige

Sie stehen für Vitalität und Lebenskraft. Aber: Blühendes Leben Gezweig ist zum Verwelken verurteilt. Schnittblumen sind sogar schon tot. Um den Aspekt der Vergänglichkeit überdeutlich zu betonen, werden oft auch schon angewelkte Blumen neben aufblühenden dargestellt. Neben dieser allgemeinen Bedeutung gilt natürlich auch noch die besondere Bedeutung der einzelnen Pflanzen- und Blumensymbolik.

Rose

Die Blume der Venus vertritt vor allem die Liebe und die Sexualität. Diese weltliche Liebe ist aber - wie alles Menschliche - eitel.

Mohn

Mohn, bekanntlich ein Beruhigungsmittel, steht für den Schlaf und die Todsünde der Trägheit. Darüber hinaus symbolisiert er auch des Schlafes Bruder - den Tod. Wegen seiner roten Farbe ist der Mohn andererseits auch ein Symbol für die Passion Christi.

Tulpen

Im 17 Jahrhunderts erlebten Tulpen in Holland einen unglaublichen Boom. Über Nacht wurden aus den orientalischen Tulpenzwiebeln eine begehrte Handelware und Spekulationsobjekt. Im Zuge eine aberwitzigen Tulpenmanie wurden viele Hasardeure mit dem Handel von Zwiebeln reich. Noch mehr aber verloren durch Fehlspekulation Hab und Gut. Deshalb steht die Tulpe - zumindest bei niederländischen Stilleben des 17. Jahrhunderts- auch für Leichtsinn, Verantwortungslosigkeit und unvernünftigen Umgang mit der Gottesgabe Geld.

Früchte

Früchte bedeuten Fruchtbarkeit und Fülle und im übertragenen Sinne für Reichtum und Wohlstand. Aber auch dieser ist natürlich nicht von Dauer. Dies wird sehr oft veranschaulicht, indem neben appetitlichen Früchten auch überreifes und angefaultes Obst dargestellt wird. Etliche Früchte tragen eigene symbolische Bedeutungen. Der Sündenfall kann so z.B. von Birnen, Tomaten, Zitrusfrüchten, Trauben, Pfirsichen, Kirschen, symbolisiert werden. Und natürlich auch vom Apfel! Erotik kann von von Feigen, Pflaumen, Kirschen, Äpfeln oder Pfirsichen angedeutet werden.



Mäuse, Ratten

Diese sehr fruchtbaren Tiere waren große Vorratsschädlinge. Sie werden mit dem Teufel in Verbindung gebracht und symbolisieren oft den Sündenfall.

Eidechse

Ein unreines Tier, eine Schlange mit Füßen, ein kleiner Drache, Begleiter des Teufels. Aber auch, weil sie sich sehr gerne der Sonne aussetzen, ein Symbol für die hingebungs-volle Zuwendung eines guten Christen zu seiner Sonne, Jesus Christus.

Schneckengehäuse

Leere Schneckengehäuse sind die Überbleibsel eines einst lebendigen Tieres. Sie stehen deshalb für Tod und Vergänglichkeit. Ebenso die Muschelschalen. Schnecken sind aber als Kriechtiere sind darüberhinaus eine Verkörperung der Todsünde der Trägheit. Als Zwitterwesen sind sie zudem ein Symbol der Wollust, einer weiteren Todsünde.

Fliegen und Insekten

Fliegen und andere Insekten symbolisieren die Kurzlebigkeit. Darüber hinaus sind sie als Nahrungsmittelschädlinge Bringer des Verderbens. Besonders die Fliege gilt als Begleiterin des Teufels (Beezebub = Hebr. Herr der Fliegen). Achtung: Ausnahme: Schmetterlinge s.u..

Spinnen

Ikonographisch wurde nicht zwischen Spinnen und Insekten unterschieden. Siehe dort.

Papagei

Ein Papagei ist ein sehr kostbares Tier, und deshalb ein Luxusgut. Aber er ist auch ein Tier das die menschliche Sprache nachahmt. Da der Papagei aber nie versteht, was er sagt, ist er ein Symbol für die Eitelkeit des Menschen, der unsinnigen Moden nachläuft, anstatt sich seinem Gott zuzuwenden.

Schädel

Wie könnte man besser Tod und Vergänglichkeit darstellen als mit einem menschlichen Schädel?

Haushaltsgeräte

Kerze

Die brennende Kerze ist ein Sinnbild für Materie und Geist, die Flamme steht für die menschliche Seele, ihr Verlöschen für den Tod.

Messer

Mit seiner Schärfe und Gefährlichkeit erinnert ein Messer an die Verletzlichkeit des Menschen und an seine Sterblichkeit. Es ist außerdem ein Phallussymbol und eine verdeckte Darstellung der männlichen Sexualität.

Glas und Keramik

Kostbar verzierte Gläser und besonders Geschirr aus Porzellan waren sehr teuer, es waren Luxusgüter. Darüberhinaus stellen sie sehr sinnfällig Zerbrechlichkeit dar und damit natürlich Vergänglichkeit. Wegen seiner Strahlenden Weiße steht das Porzellan aber auch für Reinheit. Analog dazu steht wegen seiner durchscheinenden Klarheit Glas für Keuschheit.

Leeres Glas

Ein leeres Glas, oft einem vollen gegenübergestellt, symbolisiert den Tod.

Zerbrochenes Glas oder Geschirr

Zerbrochenes Glas oder Geschirr zeigt die Verletzlichkeit menschlichen Glücks und steht ebenfalls für den Tod.

Krug

Ein Krug kann das Laster der Trunksucht mit allen Folgeerscheinungen symbolisieren: Lasterhaftigkeit, Leichtsinn, schlechter Lebenswandel.

Mörser und Pistill

Symbole für männliche und weibliche Sexualität und das Streben nach sexueller Erfüllung. Dieses Streben ist natürlich eitel.

Nahrungsmittel

Konfekt, Zuckerzeug

Kostbares Naschwerk ist einerseits ein Symbol für den christlichen Glauben, da es schon einen Vorgeschmack auf „die süßen Genüsse des Himmels“ liefert. Andererseits ist es wegen des hohen Preises ein Zeichen für Luxus und eitle Verschwendung.

Käse

Käse ist verderblich und steht deshalb für Vergänglichkeit. Er kann aber auch, weil aus Milch hergestellt, als Symbol für Christus verstanden werden, der, was damals jeder wusste, „die Milch des Himmels“ ist.

Zitrone

Die damals sehr teure Südfrucht ist ein Zeichen für Luxus. Da man sie aber wegen ihrer Säure nur sparsam einsetzt und nicht gierig verzehrt, ist sie auch ein geläufiges Symbol für die Tugend der Mäßigung.

Wildbret oder Jagdbeute

Besonders in den Küchenstilleben findet sich oft Wildbret oder Jagdbeute, was einerseits die üppigen Tafelfreuden andeutet und für Wohlstand, Wohlleben und Luxus steht. Anderseits führen die drapierten, stillen Tierkadaver augenfällig die Sterblichkeit allen irdischen Lebens vor Augen. Bei den Beutetieren kommt dem Hasen eine besondere Bedeutung zu. Der Hase ist bergauf wegen seiner kurzen Vorderbeine am schnellsten und flieht bevorzugt bergauf. In seiner Wehrlosigkeit steht er für den gläubigen Menschen. Wie der Hase bergauf flieht, so soll sich der Christ seinem Gott, seinem Berg der Weisheit zuwenden, seinem einzigen Schutz und seiner wahren Zuflucht. (In der Ikonographie wird zwischen Kaninchen und Hase übrigens nicht unterschieden.)

Zeitvertreib

Briefe

Briefe sind materielle Produkte menschlicher Beziehungen und verkörpern sie. Diese Beziehungen sind aber natürlich vergänglich.

Instrumente, Noten

Musik konnte man damals nicht aufzeichnen. Sie war damals ein sehr flüchtiger Genuss und naturgemäß vergänglich.

Spielkarten, Würfel

Spielkarten, Würfel und andere Utensilien des geselligen Zeitvertreibs bezeichnen ein falsches Lebensziel, Hinwendung zu flüchtigem Vergnügen, schlechter Gesellschaft, sündhaftem Leben.

Seifenblasen

Seifenblasen und Glaskugeln sind ein Symbol für das menschliche Leben, sowohl für seine Schönheit als auch seine Vergänglichkeit. Als Ball gedeutet, können sie auch als Symbol für die Unbeständigkeit des Lebens gedeutet werden.

Wissenschaft

Gelehrte Bücher, Instrumente, Sammlungen von Couriosa, Antiquitäten, all dies ist nur irdisches Wissen und vergänglich.

Christussymbole

Auf sehr vielen Vanitas- Stillleben stehen den vielen Symbolen der Vanitas auch Symbole gegenüber, die sich auf die Heilslehre Christi beziehen. Denn wenn alles Weltliche vergehen muss, kann nur das Göttliche wirkliche wertvoll, beständig und erstrebenswert sein.

Häufig verwendete Christussymbole sind:

Fisch

Aus dem Griechischen: ιχθυς =ιησους χριστος θεου υος σοτηρ (Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser)

Brot und Wein(trauben)

Sie weisen auf die Eucharestie hin, den Neuen Bund und die damit versprochene Erlösung.

Kelch

Auch der Kelch ist ein Zeichen für Wein und damit für die Eucharistie und den Neuer Bund.

Raupe, Schmetterling

Die Raupe, die sich zum Schmetterling wandelt ist ein Symbol für Wiederauferstehung und Erlösung. Der Schmetterling ist darüberhinaus auch ein Symbol der menschlichen Seele.

Elfenbein

Elfenbein ist wegen seiner Kostbarkeit und seiner Weiße schon seit dem Altertum ein Symbol für Reinheit und Beständigkeit.

Nelke

Wegen der nagelförmigen Samen ist die Nelke ein Symbol für die Passion Christi.

Salz

Salz ist ebenso lebensnotwendig, wie Christus Heilsnotwendig ist. Deshalb ist Salz ein Symbol für Christus.

Erbsenschote

Wegen der Zartheit der Blüte und der in der Schote schützend geborgenen Frucht symbolisiert die Erbsenblüte die jungfräuliche Empfängnis Christi.

Ei

Ein Symbol der Auferstehung.

Perle

Perlen verkörpern Vollkommenheit und Reinheit und stehen deshalb neben anderen Symbolbedeutungen auch für Christus.

Interpretationshilfe

Die Listen der Vanitas- und Christussymbole ist nicht komplett. Es mag noch hunderte weiterer Symbole geben. Die Maler dieser Symbole dachten genau wie ihr Publikum in Analogien: So wie das Salz dem Menschen lebensnotwendig ist, so ist Christus notwendig für das Seelenheil: Salz für Christus.

Bei den Vanitasstilleben bedienten sich die Maler aus dem reichen Fundus der Symbolik. Mit jedem Bild entsteht so ein neues, anderes Potpourri verschiedenster Bedeutungen, die sich teilweise ergänzen, überlagern oder vielleicht sogar widersprechen. Das macht die Interpretation oft nicht ganz einfach.

Nicht jede Dose muss zwangsweise weibliche Sexualität bedeuten. Nicht alles muss unbedingt symbolisch gemeint sein. Es ist hilfreich, zuerst einmal möglichst viele potentielle Symbole zu sammeln und thematisch zu ordnen. Wenn mehrere Symbole in die selbe Richtung weisen, z.B. Sexualität (Mörser, Messer, Rosen...), ist es sehr wahrscheinlich, dass auch die Dose entsprechend zu interpretieren ist. Mögliche Symbolbedeutungen, die isoliert stehen, sollten zum Schutz vor Überinterpretation nur sehr vorsichtig gedeutet werden. Bei der Vielfalt der Möglichkeiten ist auch eine zufällige Darstellung nicht ganz auszustellen.

Bei aller symbolischer Bedeutungsfracht sollte man bei Vanitasstilleben aber immer bedenken, dass diese Bilder auch und vor allem schön anzusehen sein sollten.