Hardcore Punk
Hardcore-Punk, meist schlicht Hardcore genannt, entstand Anfang der 1980er Jahre in den USA. Sie war eine Gegenbewegung zur immer weiter kommerzialisierten Punkbewegung (welche ebenfalls als Gegenbewegung begonnen hatte). Die Musik war noch härter, schneller und weniger Rock ’n’ Roll-beeinflußt als der klassische Punk und unterstrich dadurch die antikommerzielle Haltung. Haare und Kleidung waren weniger bunt und viele Bands waren politisch sehr engagiert. Man zeigte seine Zugehörigkeit zur Hardcore-Szene nicht durch auffällige Frisuren oder Mode wie Lederkleidung, Nietenarmbänder, Sicherheitsnadeln o. ä., sondern durch kleine nur einem Insiderkreis verständliche Zeichen, wie z. B. Schriftzüge oder Symbole von Hardcore-Bands wie Agnostic Front, Cro-Mags, CFA, SFA, SOIA oder Slapshot. Beim Hardcore geht es mehr um die innere Einstellung, um Moral und Politik. Die Hardcore-Szene ist eine Gegenkultur. Bei aller stilistischen und ideologischen Diversität innerhalb der Szene lassen sich drei Grundpfeiler der Hardcore-Bewegung ausmachen: Antikapitalismus, Antirassismus und Antisexismus.
Anfänge
Hochburgen der Hardcore-Bewegung Anfang der 80er waren Los Angeles, San Francisco, Boston und Washington, D.C., zwei Jahre danach folgte auch New York. Urgesteine wie Minor Threat (aus denen später Fugazi hervorgingen), Black Flag, SSD, 7 Seconds, Bad Brains und Scream waren die Protagonisten.
In Deutschland folgten Anfang der 80er vor allem die 5 Urgesteine Vorkriegsjugend, Bluttat, Inferno, The Swat und zum Teil auch EA80, die alle 5 einen massiven Einfluss auf die verbreitung dieses Sub-Genres in Deutschland hatten. Mitte der 80er jahre erblickten dann auch Bands wie die Skeezicks, Spermbirds oder Hostages of Ayatollah das Licht der Welt. Einige der bekannten Labels aus dieser Zeit sind Dischord Records aus Washington, SST, Touch And Go, aus Deutschland beispielsweise X-Mist und Lost&Found Records.
Entwicklung
Stilistisch entfernte sich diese zweite Punk-Generation schnell von den Wurzeln des britischen Punk der ersten Welle. Ging es zunächst noch darum, die "77er" an Massivität zu übertreffen, wurde vielen Künstlern das minimalistische Korsett der Stilmittel ("gerader" up-tempo-beat und die berühmten 3 Akkorde) bald zu eng. Eine ab Mitte der 80er Jahre stetig wachsende Zahl von Musikern suchte unter Beibehaltung einer gewissen Grund-Aggressivität des frühen Punks nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Von zentraler Bedeutung ist dabei die als Crossover bezeichnete konzeptionelle Öffnung gegenüber fast allen Spielarten der (Rock-)Musik. Da die Ergebnisse mit dem ursprünglichen Punk oft wenig zu tun hatten wurde nicht nur aus praktischen Gründen auf dessen explizite Erwähnung verzichtet und die Bezeichnung von Hardcore-Punk bewusst auf Hardcore (oder HC) verkürzt. Auf diese Weise verzeichnete Hardcore eine breite Ausdifferenzierung in diverse oft nur szene-intern bekannte Sub-Genres (Melodycore, Hatecore, Crustcore, New York Hardcore/NYHC, Straight Edge Hardcore, Thrashcore, Grindcore, Jazzcore, Noisecore, Emocore, Skacore, Post-Hardcore, Grunge, Metalcore), die in den späten 80er Jahren untereinander oftmals nur noch wenig gemeinsam hatten.
Do It Yourself und Straight Edge
Oft verbunden mit der Hardcore-Szene sind die Begriffe Do it yourself (D.I.Y.) und Straight edge (SXE). Do it yourself unterstreicht die angestrebte Unabhängigkeit von der Musikindustrie, der Gesellschaft und anderen äußeren Einflüssen und somit den Glauben an sich selbst und seine eigene Stärke Dinge zu erreichen. Diese Haltung findet sich auch in der durchaus nahen Indie-Szene wieder. Straight Edge wird von einigen unterschiedlich definiert. Eingeführt wurde der Gedanke von der amerikanischen Band Minor Threat, die ihre Anhänger aufriefen: "Don't drink, don't smoke, don't fuck! At least you can fucking think!!" Anhänger der Straight Edge Philosophie legen den Gedanken allerdings verschieden aus. Wohl alle Anhänger lehnen Trinken (Alkohol), Rauchen sowie alle weiteren Drogen ab. Manche der Anhänger ernähren sich zusätzlich vegetarisch bzw. vegan, oder lehnen jede Form von sexuellem Kontakt, der ohne Liebe stattfindet, ab. Bekennt man sich zu Straight Edge, so soll das als "Commitment for Life" stattfinden. Der Straight Edge-Gedanke beinhaltet auch die Suche nach eigenen moralischen Grundsätzen und ein konsequentes Festhalten an diesen, auch gegen äußere und innere Widerstände (Zitate: Set your goals! Hold on to your morals! Be bold! Stand clear! Hold your ground! No compromise! etc.). Ein beliebtes Zeichen sich als Straight edge-Anhänger zu erkennen zu geben ist ein schwarzes "X" auf dem Handrücken. Ursprünglich wurde das schwarze X in Clubs verwendet um minderjährige Besucher zu markieren, so dass diese keinen Alkohol ausgeschenkt bekamen.
Grunge und Alternative
'Grunge' war ursprünglich der Teil der US-amerikanischen Hardcore-Bewegung der 80er Jahre, der mittels Crossover Elemente des Hardrock der 70er zu integrieren versuchte. Zu den ersten Bands, die in diesem Bereich experimentierten gehörten Black Flag, Dinosaur Jr., Hüsker Dü, Soundgarden, Screaming Trees, Green River, Mudhoney und Melvins. Der von Nirvana und Pearl Jam ausgelöste Grunge-Boom Anfang der 90er-Jahre und die in den Jahren darauf erfolgte Entdeckung von Hardcore/Crossover-Bands wie Rage Against The Machine, Biohazard, Green Day und Offspring durch den Mainstream markierte dann auch den vorläufigen Endpunkt der Untergrund Hardcore-Bewegung. Die beiden erfolgreichsten Bereiche, Grunge und Crossover, wurden inzwischen als eigene Stilrichtungen wahrgenommen, während die anderen Hardcore Stilrichtungen soweit ausdifferenziert waren, dass nur noch wenig Gemeinsamkeiten gesehen wurden. Da sich parallel die Metal-Szene geöffnet hatte, wurde auch dort Mitte der 90er vieles (wie z. B. Helmet) als Metal betrachtet, was kurz zuvor noch als Hardcore gegolten hätte. Vor diesem Hintergrund bürgerte sich in den frühen 90er Jahren in der Öffentlichkeit immer mehr der allgemeinere Oberbegriff Alternative für alles ein, was vorher Hardcore oder Independent genannt wurde. Dies vor allem, weil MTV diese Musik erstmals wahrnahm und diese Begriffe für die Masse prägte. Ob die Musiker den immer noch stark mit Punk assozierten Begriff Hardcore nicht mehr als passend empfanden oder ob die Wortschöpfung 'Alternative' zur besseren Massenvermarktung von der Musikindustrie erfunden wurde (wie in der Szene vermutet wurde), lässt sich nicht mehr eindeutig klären. Wie fast sämtliche Neuerungen der anderen Hardcore-Crossover-Richtungen sind auch die Grunge-Sounds von vielen Musikern der Alternative und Nu Metal Szene absorbiert worden, so dass die Elemente des Grunge mittlerweile zum selbstverständlichen Instrumentarium aktueller Rockmusik zu zählen sind.
Hardcore in den 90ern und heute
In den 1990er Jahren spaltete sich die übriggebliebene Hardcore-Szene musikalisch in zwei Gruppen: die New School, die den immer noch auf Punkrock basierenden Sound weiterentwickelte und sich bei allen Crossover-Techniken bediente, vor allem aus den Bereichen Metal, Noise und Emo, und die Old School, die den straighten, einfachen und schnellen Hardcore Punk der alten Bands wie Slapshot oder Youth of Today beibehielt oder wiederaufgriff.
Bekannte New School Bands der 1990er und 2000er sind z. B.
Bekannte Old School Bands der 1990er und 2000er sind z. B.:
Erwähnenswert ist auch die Entwicklung von Nazi-Hardcore, die sich in den späten 90ern den Begriff der linksradikalen New Yorker Hardcore-Band SFA "Hatecore" nutzbar machten und der Spielart von White Power-Musik eine weitere Unterart hinzugefügt haben. Dabei setzen sie besonders auf das Hass-Image, das wegen ihres eigenen Hanges zur Gewalttätigkeit als authentisch gilt. Die Aggressivität von Hardcore-Musik wird sowohl von Neonazis als auch von alternativen HörerInnen geteilt. In der neonazistischen Szene ist "Hate Core" indes zum Synonym für extremen Hass geworden, der mit einem starken Militanzfetisch einhergeht und sich gegen die bekannten Feindbilder richtet. Als Antwort der radikalen Linken wurde in der Folgezeit die Good Night White Pride-Aktion ins Leben gerufen.
Bekannte Hardcore-Bands
Für eine Liste der in der Wikipedia momentan vertretenen Hardcore-Musikgruppen siehe Kategorie:Hardcore-Punkband.
Bekannte Hardcore-Punk-Labels
- Dischord
- SST Records
- Dead Serious Records
- Alternative Tentacles
- Burning Heart Records
- Alveran Records
- Bridge9
- Epitaph Records
- Thorp Records
- Victory Records
- Fat Wreck Chords
- Revelation Records
- Bad Taste Records
- BYO Records
- Lifeforce Records
- Sherwood Studios
- Twisted Chords
- Facedown Records
Verweise zu weiteren Themen, die mit der Hardcore-Szene verbunden sind
Vegetarismus - Veganismus - Tierrechte - Tierbefreiung - Riot Grrrl - Anarchismus - Linke Politik - Antifaschismus - Pogo - Slamdance - Moshpit - Stagediving-circlepit
Literatur
- Martin Ableitinger: Hardcore Punk und die Chancen der Gegenkultur : Analyse eines gescheiterten Versuchs; Verlag Dr. Kovac, 2004. ISBN 3830016360
- Martin Büsser: If the kids are united. Von Punk zu Hardcore und zurück.; Ventil Verlag Mainz, 2003 (1. Aufl. 1995). ISBN 393055948X
- Matthias Mader: New York City Hardcore - The Way it was; I.P. Verlag 1999; ISBN 3931624102
- Matthias Mader: This is Boston, not New York. Eine Hardcore Punk Enzyklopädie. I.P. Verlag 2003; ISBN 3931624196
- Steven Blush, George Petros: American Hardcore. A Tribal History., ISBN 0922915717 (engl.)
- Mark Andersen, Mark Jenkins: Dance of Days: Two Decades of Punk in the Nation's Capital, ISBN 1888451440 (engl.)
- Peter Belsito, Bob Davis: Hardcore California: A History of Punk and New Wave, ISBN 086719314X (engl.)
Weblinks
- Allschools Network: Eines der ältesten deutschen Webzines im Hardcore Bereich mit Szeneberichten, Interviews und einer umfangreichen Clubdatenbank
- Flex: Umfangreiches Verzeichnis von US Punk & Hardcore Veröffentlichungen vornehmlich aus den 80ern
- Hardcore & Crossover: Die Entwicklung aus subkultureller Sicht
- Helldriver Magazine: Webzine mit Interviews und CD-Reviews aus der Szene
- Überblick des wissenschaftl. Portal Jugendszenen über die Subkultur des Hardcore
Siehe auch: Portal:Punk | Oi!