Zum Inhalt springen

Gewerkschaft

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. Juni 2004 um 04:20 Uhr durch 134.245.3.65 (Diskussion) (K). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Gewerkschaften sind (1) Interessenvertretungen von Arbeitnehmern, die sich zur Wahrung ihrer gemeinsamen Arbeitnehmerinteressen freiwillig und auf Dauer zusammengeschlossen haben, (2) als bergrechtliche Gewerkschaften eine altertümliche Form einer privatrechtlichen Kapitalgesellschaft.

Gewerkschaften als Arbeitnehmervertretungen

Gewerkschaften sollen in Deutschland unabhängig von politischen Parteien, Kirchen, Staat und Arbeitgebern sein, und bereit und fähig, die Interessen ihrer Mitglieder nicht nur mit Kampfmaßnahmen zu verfolgen. (Nominell selbständige, in der Tat von Arbeitgebern abhängige oder gegründete (meist Betriebs-)Gewerkschaften werden abschätzig als Gelbe Gewerkschaften bezeichnet.)

Sie müssen streikfähig sein und in der Lage, in Arbeitskämpfen dem Arbeitgeber "erheblichen Schaden" zufügen zu können, um den "Tarifpartner" an den Verhandlungstisch zu zwingen. Hierfür unterliegen Gewerkschaften dem Schutz des Grundgesetzes. Sie haben das Recht, ohne Einflussnahme des Staates Tarifverträge zu schließen. Dies nennt man Tarifautonomie. Tarifautonomie gehört zur Koalitionsfreiheit und ist in Deutschland durch das Grundgesetz, Artikel 9 Absatz 3 geschützt. Aus dieser Vorschrift folgt auch das Streikrecht der Gewerkschaften.

Geschichte

Gewerkschaften haben sich Mitte des 19. Jahrhunderts, in Reaktion auf die von den Arbeitern als Ausbeutung empfundene Entlohnung während der Industriellen Revolution entwickelt. Sie entstanden in einer Zeit, in der die Arbeiterschaft aufgrund der Landflucht in den rapide wachsenden Städten zunächst um ihr Existenzminimum ringen musste und die Unternehmer oft auch noch feudalistische Privelegien besaßen. Es ging zunächst nicht darum, die Unterlegenheit der Arbeitnehmer beim Aushandeln von Arbeitsbedingungen auszugleichen, sondern man musste Gewerkschaften seit je her als Arbeiter-Kartell verstehen, welches lediglich daran interssiert war, die jeweilige Lage ihrer Mitglieder zu verbessern. Dazu schlossen sie sich zusammen und führten Arbeitskämpfe gegen die Unternehmer. Bevorzugtes Mittel des Arbeitskampfes war und ist der Streik. Über das Ziel eines reinen Ausgleiches der Bedingungen wurde aus politischen Gründen etliche Male hinausgeschossen, genauso wie es Gang und Gebe war, Gewerkschaften bzw. deren Vorformen zeitweise immer wieder zu verbieten oder gesetzlich zu behindern. Heute sind in Deutschland Gewerkschaften ihrerseits als Interessengruppe gesetztlich priveligiert.

Zwischen 1933 und 1945 versuchten Teile der Gewerkschaften zunächst, sich mir der neuen Führung zu arrangieren, um ihr Überleben zu sichern, wurden jedoch dann von den Nationalsozialisten zerschlagen. Erst nach dem Sieg der alliierten Mächte über Deutschland wurde unter der Besatzungsmacht ein Wiederaufbau der Gewerkschaften vorangetrieben.

Mittlerweile sind die deutschen Gewerkschaften zu sehr großen Vereinen herangewachsen, deren Aufgabe in erster Linie die Vertretung der in ihnen zusammengeschlossenen Mitglieder bei Tarifverhandlungen ist. In den letzten Jahren müssen die Gewerkschaften mit hohen Mitgliederverlusten leben.

Ziele

Unter dem Vorzeichen hoher Arbeitslosigkeit sowie aufgrund der häufig anzutreffenden und auch der wachsenden volks- und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit seitens der Arbeitgeberseite, Arbeitsplätze bis hin ins Ausland zu verlagern zu müssen, laufen traditionelle Druckmöglichkeiten der Gewerkschaften auf regionaler und nationaler Ebene zunehmend ins Leere oder leisten sogar einer neuen Spaltung der Gesellschaft in Arbeitsplatzbesitzer und Arbeitslose Vorschub. Noch ist nicht erkennbar, dass die Gewerkschaften oder die betroffenen Interessengruppen selbst in absehbarer Zeit eine probate Antwort auf diese paradoxe Situation durchsetzen können.

Als strategisch richtungsweisende Ansätze sind zum Beispiel internationale Mindeststandards für Arbeitsbedingungen, eine steuerliche Belastung von Kapitaltransfers und ein von Voraussetzungen unabhängiges Bürger-Mindesteinkommen zu nennen, welches die grundsätzliche soziale Abhängigkeit und situative Erpressbarkeit des als Arbeitnehmer oder Arbeitslose bezeichneten Bevölkerungsteils beenden könnte.

Rechtsstatus

Manche Gewerkschaften haben den Rechtsstatus eines eingetragenen Vereins und sind deshalb juristische Personen des Privatrechts. Sofern sie keine eingetragenen Vereine sind, werden sie aber dennoch als "rechtsfähige" Personenvereinigung behandelt, was eine rechtliche Besonderheit ist. Sie ähneln darin besonders den deutschen Parteien.

Es gibt auch Gewerkschaften, deren Status umstritten ist. So bezeichnet die IG Metall die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) als verkappte Interessenvertretung der Arbeitgeber und spricht ihr ab, eine Gewerkschaft zu sein, weil sie zu wenig Mitglieder habe, um deren Interessen effektiv zu vertreten. Die CGM betont dagegen, dass sie die Interessen der Mitglieder ebenfalls effektiv durchsetzt. Auf Antrag der IGM wird zur Zeit der Gewerkschaftsstatus der CGM überprüft. (siehe auch die Diskussionsseite)

Finanzierung

Gewerkschaften finanzieren sich insbesondere über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die Erstattungen gewerkschaftlicher Mitglieder in Aufsichtsräten werden in die gewerkschafsteigene Hans-Böckler-Stiftung eingebracht.

Kritik

Kritiker gehen davon aus, dass es nicht im Interesse einer Gewerkschaft liegt, Arbeitslose zu vertreten, da Mitglieder von Gewerkschaften, und damit Beitragszahler, in aller Regel keine Arbeitslosen sind. Eine Interessengruppe vertritt insbesondere denjenigen, der für ihre Finanzierung sorgt. Vielmehr haben Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob dies volkswirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht, ein Interesse an Lohnerhöhungen, sicheren Arbeitsplätzen und geringer Arbeitszeit, während Kritiker davon ausgehen, dass nur geringe Lohnkosten, flexible Arbeitsplatzmodelle und Arbeitszeitmodelle die Konkurrenzfähigkeit mit billigeren Ländern in Asien und Osteuropa aufrechterhalten kann und damit neue Stellen schaffen kann.

Dem entgegen stehen zahlreiche Initiativen von Gewerkschaften zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, zu Arbeitszeitverkürzung für mehr Beschäftigung usw.

Ziele

In den letzten Jahren nahm der Druck auf die Gewerkschaften zu. Trotz eines teilweise erheblich geringeren Lohn- und Abgabenniveaus gelang es Staaten in Mittel- und Osteuropa sowie in Asien, ein hohes Bildungs-, Produktivitäts- und Infrastrukturniveau aufzubauen. Die Folge war zum Teil die Abwanderung von Arbeitsplätzen aus Westeuropa. Auch auf Grund der weiterhin bestehenden hohen Produktivität und internationalen Konkurrenzfähigkeit etwa der deutschen Wirtschaft (die sich auch in den Exporterfolgen zu Beginn der 2000er Jahre zeigte), halten die Gewerkschaften an Lohnforderungen fest, die mindestens die Inflation ausgleichen und Teile des Produktivitätszuwachses umverteilen. Dafür waren Gewerkschaften in den letzten Jahren fallweise auch zu Streiks bereit. Streiks werden von vielen als abschreckender Standortnachteil empfunden, aber im internationalen Vergleich hat Deutschland die wenigsten Streiktage. Die meisten Gewerkschaften halten Strategien von Lohnsenkung, um gegen Maschinen zu konkurrieren oder um arbeitsintensive Produktionen zu halten, langfristig für verfehlt, wenn es auch in betrieblichen Auseinandersetzungen zu entsprechenden Abmachungen kommt.

Gewerkschaften zielen bei ihren Aktivitäten auf die Schaffung neuer Nachfrage, die die Binnenkonjunktur anregen soll. Wirtschaftsexperten kritisieren jedoch, dass dabei der doppelte Nachfrageeffekt von den Gewerkschaften keine Berücksichtigung findet. Nachfrage entsteht auch dann, wenn man es Unternehmen erleichtert, Investitionen zu tätigen. Gemeint ist also die Nachfrage der Unternehmen. Dadurch werden letztlich neue Rohstoffe benötigt und zu deren Herstellung neue Arbeitsplätze geschaffen.

Wie andere gesellschaftliche Großorganisation auch leiden die Gewerkschaften insbesondere seit den 1990er Jahren an Mitgliederschwund. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Häufig genannte sind:

  • Unzufriedenheit mit der Politik der Gewerkschaftsführung
  • gesellschaftliche Tendenzen zur Individualisierung
  • Hohe Arbeitslosigkeit
  • mangelnde Erfolge der Gewerkschaften im Kampf um Löhne und gegen Arbeitslosigkeit
  • Auflösung von Großbetrieben und Verlust übergreifender gemeinsamer Arbeitserfahrung und Interessen

Siehe auch


Aktuelle Artikel / Diskussion

Bergrechtliche Gewerkschaften

Eine Gewerkschaft im bergrechtlichen Sinne ist die Gesamtheit der Kuxeigentümer (Gewerken) eines Bergwerks. Entscheidungen, die alle Mitgewerken betrafen, konnte nicht ein Gewerke oder Lehnträger allein treffen, sondern die Gewerkenversammlung. Bei größerer Anzahl von Kuxinhabern wurden in der Regel Gewerkenvorstände gebildet, die eine Handlungsbefugnis besaßen. Im späteren Bergrecht war deren Bildung vorgeschrieben. Im Gegensatz zu den gewerkschaftlichen Gruben gab es auch Eigenlehnergruben. Dies bedeutete, dass der Lehnträger auf eigene Rechnung baute und keine Kuxe ausgab.

Preußen

"Gewerkschaften" nach preußischem Bergrecht von 1864 betrieben den Abbau von Bodenschätzen (Kohle, Erz, Salz, Öl, Torf) und ähneln einer "Aktiengesellschaft mit vinkulierten Namensaktien", deren Anteiler ("Gewerken") ihre Anteile ("Kuxe") nicht ohne Zustimmung der anderen Gewerken veräußern durften. Kuxe sind also schwer handelbar, doch gab es vor dem Zweiten Weltkrieg eine eigene Kuxbörse in Essen.