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Schuldnerverzug (Deutschland)

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Im Schuldnerverzug befindet sich der Schuldner einer fälligen Forderung, wenn er seiner Leistungspflicht trotz Mahnung oder Zeitablauf nicht entsprochen und diese Verzögerung zu vertreten hat. Im Falle einer Geldforderung spricht man außerhalb der Rechtswissenschaft auch vom Zahlungsverzug.

Der Schuldnerverzug löst verschiedene Rechtsfolgen, vor allem die Schadenersatzpflicht des Schuldners, aus.

Definitionen

Eine gebräuchliche Definition für den Schuldnerverzug lautet: "Schuldnerverzug ist die schuldhafte Nichtleistung trotz Mahnung und Fälligkeit". Sie entspricht nicht exakt der Gesetzeslage, ist aber für ein erstes, grobes Grundverständnis des Begriffs hilfreich. Präziser, wenn auch weniger eingängig ist der Schuldnerverzug zu definieren als die pflichtwidrige Verzögerung einer noch möglichen Leistung aus einem durch den Schuldner zu vertretenden Grund.

Die Betriebswirtschaftslehre spricht bei Überschreitung eines vereinbarten Zahlungszieles zur Valutierung einer Rechnung von Zahlungsverzug.

Gesetzliche Regelung in Deutschland

Im deutschen Recht ist der Schuldnerverzug im BGB geregelt; maßgeblich sind die §§ 286 ff., 280 Abs. 1, 2 BGB.

Voraussetzungen

Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich, Vorlage:Zitat § I BGB.

Eine Mahnung ist bisweilen entbehrlich. Die wichtigsten Fälle sind hierbei, dass für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist oder der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, vergleiche Vorlage:Zitat § II BGB. Darüber hinaus kommt der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung leistet - gegenüber einem Verbraucher muss hierauf in der Rechnung hingewiesen worden sein, vergleiche Vorlage:Zitat § III BGB.

Rechtsfolgen

Die Folgen des Verzugs bestehen vor allem in der Regreßpflicht des Schuldners sowie in einer verschärften Haftung.

Verzugsschaden

Der Schuldner ist zum Ersatz des Verzögerungsschadens verpflichtet, er schuldet also Schadenersatz, Vorlage:Zitat § II, Vorlage:Zitat § BGB.

Zinsschaden

Bezüglich Geldforderungen bedeutet das insbesondere den Ersatz des Zinsschadens des Gläubigers. Hierfür gibt es in Vorlage:Zitat § BGB mit Wirkung vom 1. Januar 2002 einen pauschalen Mindestsatz: Eine Geldschuld ist danach während des Verzugs mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (Vorlage:Zitat § I BGB) zu verzinsen; sind Verbraucher nicht beteiligt, also Schuldner und Gläubiger insbesondere Kaufleute, so beträgt der Zinssatz acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Der Gläubiger kann auch höhere Zinsen als Verzugsschaden geltend machen, die er wegen des Verzugs aufbringen muß. Die Verzugszinsen werden bis zur ersten Mahnung, der Zahlungserinnerung, nicht berechnet.

Sonstiger Schadenersatz

Über die Verzinsung der Forderung hinaus hat der Schuldner auch jeden weiteren durch den Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen. Typischerweise betrifft dies etwa die dem Gläubiger erwachsenden Mahnkosten einschließlich etwaiger Rechtsanwaltsgebühren.

Haftungsverschärfung

Außerdem ist die Haftung des Schuldners, also seine Verantwortlichkeit dafür, dass die Leistung noch erbracht wird, während des Verzugs verschärft: zum Beispiel haftet er unter Umständen sogar bei zufälligem Untergang der zu liefernden Sache auf weitergehenden Schadenersatz, vergleiche Vorlage:Zitat § BGB.

Beendigung

Der Schuldnerverzug wird beendet, wenn seine Voraussetzungen fortfallen. Vornehmlich ist dies der Fall, wenn der Schuldner seine Leistung nachträglich noch erbringt, oder deren Erbringung in einer zur Begründung des Annahmeverzugs geeigneten Weise anbietet.

Die Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs fallen dann mit Wirkung ex nunc weg.

Beweislast

Der Gläubiger muss alle Voraussetzungen des Verzugs mit Ausnahme des Verschuldens nachweisen. Wegen eines möglicherweise fehlenden Verschuldens ist es hingegen Sache des Schuldners, sich zu exkulpieren.

Diese Normierung ist die Konsequenz einer interessanten Regelungstechnik. § 286 Abs. 4 BGB lautet: "Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat."

Entsprechend der eingangs entwickelten Definition scheint dies eine Selbstverständlichkeit zu sein. Wenn der Schuldnververzug durch die schuldhafte Nichtleistung trotz Mahnung etc. eintritt, dann liegt Verzug dort, wo der Schuldner das Ausbleiben der Leistung nicht zu vertreten hat, folgerichtig auch kein Verzug des Schuldners vor.

Tatsächlich handelt es sich bei § 286 IV BGB aber auch weniger um die Normierung dieses selbstverständlichen Grundsatzes, als vielmehr um eine Beweislastregel. Während der Gläubiger, der Schadensersatz fordert oder eine sonstige Rechtsfolge des Verzugs geltend machen will, den Nachweis führen muss, dass objektiv ein Verzug vorliegt, die Leistung also trotz Mahnung, Rechnungsstellung usf. nicht erbracht ist, muss der Schuldner, der sich auf § 286 IV BGB berufen will dessen tatbestandliche Voraussetzungen, also das Fehlen des Verschuldens nachweisen.

Typisches Beispiel

Käufer K bestellt bei Verkäufer V am Morgen des 15. Januar Ware, die prompt noch am selben Tag geliefert wird. Beigefügt ist ein Lieferschein und die Rechnung ohne besonderes Zahlungsziel. Der Vorgang ist der Abschluss und die Abwicklung eines Kaufvertrages (Vorlage:Zitat § BGB). Auf die Lieferung hin wird der Kaufpreis fällig, und zwar mangels anderer Abrede sofort (Vorlage:Zitat § I BGB).

Zahlt K nicht, gerät er mit einer Mahnung in Verzug. Erfolgt die Mahnung beispielsweise am 30. Januar, so gerät K zu diesem Zeitpunkt in Verzug. Angenommen, K ist nicht Verbraucher und V mahnt nicht, so kommt K 30 Tage nach Zugang der Rechnung (oder Lieferung der Ware), also ab 15. Februar, in Verzug (Vorlage:Zitat § III 2 BGB). Er schuldet ab diesem Zeitpunkt den Verzugszins nach (Vorlage:Zitat § BGB). Wird V ungeduldig und beauftragt danach einen Rechtsanwalt mit der Einziehung der Forderung, so ist dies eine adäquate Verfahrensweise, so dass K auch die Kosten des Anwalts als Verzugsschaden zu tragen hat. Zahlt K noch immer nicht und kommt es zum Mahnverfahren oder zur Klage, hat K auch noch die damit ausgelösten Kosten zu tragen.

Dieses Beispiel betrifft den Verzug mit einer Geldforderung. Umgekehrt ist selbstverständlich auch der Verzug mit der charakteristischen Hauptleistung, also regelmäßig mit einer Warenlieferung oder Dienstleistung als typischer Verzugsfall denkbar.