Zum Inhalt springen

Nihonjinron

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. Mai 2006 um 00:57 Uhr durch Mkill (Diskussion | Beiträge) (englischer Artikel, eigene Vorlesungsnotizen. wird noch ausgebaut). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Nihonjinron (jap. 日本人論), üblicherweise mit „Japaner-Diskurs“ übersetzt, ist ein Sammelbegriff für eine Literaturrichtung, die sich mit dem „Wesen“ und der Identität der Japaner beschäftigt. Verwandte Begriffe sind Nihonbunkaron („Diskurs über die japanische Kultur“) und Nihonkeizairon („Diskurs über die japanische Wirtschaft“).

Typisch für Werke des Nihonjinron sind die folgenden Prämissen:

  • Einmaligkeit: Japan ist einzigartig
  • Rassische Bedingtheit: Diese Einzigartigkeit der Japaner ist durch die Eigenschaften der Japanischen Rasse / Ethnie begründet
  • Ahistorizität: Die Besonderheiten der Japaner sind eine Konstante durch alle Epochen
  • Die Japaner als Volk / Rasse / Ethnie sind homogen

Diese Grundlegenden Postulate finden sich in Thesen wieder, wie etwa, dass Außenstehende schlicht nicht in der Lage sind die Japanische Sprache, die japanischen Verhaltensregeln und die ganze Essenz der japanischen Kultur zu verstehen. Oder auch, dass nur Japan vier deutlich unterscheidbare Jahreszeiten hat.

Aus der Sicht der Soziologie und anderer Sozialwissenschaften sind die vier Grundthesen abzulehnen, und aus akademischer Sicht sind die meisten Werke des Nihonjinron als populärwissenschaftlich, wenn nicht gar als pseudowissenschaftlich abzulehnen. Nichts desto trotz werden Werke aus dem Bereich des Nihonjinron in der Japanologie immer wieder zitiert.

Ursachen

Die Beliebtheit des Nihonjinron in Japan erklärt sich daraus, dass die japanische Gesellschaft in den letzten 150 Jahren in fast jeder Generation radikale Umbrüche verkraften mußte, immer wieder schwankend zwischen starkem Nationalismus auf der einen Seite und Weltoffenheit auf der anderen, aber auch zwischen rasantem Fortschritt und tiefen Krisen.

in der Edozeit war die japanische Gesellschaft noch streng reglementiert und von der Welt abgeschlossen. Obwohl es mit der Kokugaku-Schule erste Ansätze eines Nationalbewußtseins gab, ging es den Kokugaku-Autoren eher um die Emanzipation vom chinesischen Erbe als um eine moderne nationalstaatliche Idee. Ab 1850 zerbrach dann das starre Gerüst der Vierständeordnung der Edozeit unter dem Druck der Reformer von innen und der westlichen Kolonialmächte von außen. Die Shōgunatsverwaltung versuchte noch bis in die 1860er, den Einfluß des Westens aufzuhalten, mit der Meiji-Restauration wurde das Ruder jedoch herumgedreht: Das Ziel lautete nun, das Land so schnell wie möglich nach dem Vorbild der westlichen Industrienationen umzubauen. Doch schon in den 1890er Jahren wendete sich wieder das Blatt: Mit dem Sieg im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg hatte Japan genug Selbstbewußtsein, den geistigen Einfluß des Westens zurückzudrängen. Das Land steigerte sich in den japanischen Nationalismus, doch auch dies wurde unterbrochen von der Taishō-Zeit, in der die liberalen Kräfte und linke Arbeiterbewegungen erstarkten, während ein schwacher Kaiser den konservativen Kräften keinen Rückhalt bot. Doch in den 1930er Jahren gelang es dem Militär, die politische Kontrolle zu übernehmen, und das Land wurde wieder stramm nationalistisch ausgerichtet. Doch nach militärischen Erfolgen bis 1941 folgte die Niederlage im Pazifikkrieg. Japan wurde durch eine fremde Macht besetzt, das erste Mal in seiner Geschichte, und mit den amerikanischen Soldaten kam die amerikanische Kultur nach Japan. Doch auf die Besatzung folgte ab den 1960ern eine Zeit des beispiellosen Wirtschaftswachstums, dass sich erst in den 1990er Jahren in ein Jahrzehnt der Stagnation wandelte.

Durch diese ständig wandelnden Rahmenbedingungen wuchs jede Generation in einem völlig veränderten Japan auf, so dass das Bedürfnis groß war und ist, eine gemeinsame Identität über die dadurch verursachten Generationenkonflikte hinweg zu schaffen. In den 60er Jahren war die junge Generation Japaner so „anders“, dass für sie der Begriff shinjinrui (新人類), „neuer Menschentyp“ geschaffen wurde.

Geschichte

Die oben erwähnte Kokugaku-Schule kann als Vorläufer des Nihonjinron gelten.

Das erste Nihonjinron-Buch eines Ausländers war dagegen The Chrysanthemum and the Sword von Ruth Benedict, erschienen 1946. Das Buch entstand während des Pazifikkriegs, als die amerikanische Regierung plötzlich von dem Problem stand, einen bisher unbekannten Gegner, eben die Japaner einschätzen zu müssen. Die Analyse von Ruth Benedict basiert auf Interviews, die sie mit japanischen Kriegsgefangenen und internierten japanischstämmigen Amerikanern (Nikkeijin) führte,

Von Nihonjinron spricht man allerdings erst bei Publikationen der Nachkriegszeit. Dem japanischen Autor Tamotsu Aoki zufolge lassen sich vier Phasen des Nihonjinron festmachen:

Erste Phase (1945-1954): Japanizität als Negativum

Durch den verlorenen Krieg, die Zerstörung des Landes, den Verlust der Kolonien und die frische Erinnerung an Gleichschaltung und Gräueltaten wurde Japan von den Autoren der Nachkriegszeit als irrational und vormodern gesehen. In der Kritik stehen nicht nur Nationalismus und Militarismus, sondern auch das autoritäre Familiensystem der Meiji-Zeit.

Autoren: Kawashima

Zweite Phase (1955-1963): Japanizität als historisches Relativum

Mit der Wiedererlangung der Souveränität 1952 und der Stabilisierung der politischen Verhältnisse im 55er-System nimmt die Fundamentalkritik ab, Japan wird nun als Mischkultur gesehen. Die Autoren suchen nun nach Parallelentwicklungen zwischen Japan und Europa.

Autoren: Katō, Umesao

Dritte Phase (1964-1976, 1977-1983): Japanizität als Positivum

Vierte Phase (1984-): Von der Japanizität zur Globalität

Kritik

Literatur

Wichtige Vertreter des Nihonjinron

  • Kuki, Shûzô (九鬼周造). 1930. 「いき」の構造 English tr. An Essay on Japanese Taste: The Structure of 'Iki'. John Clark; Sydney, Power Publications, 1996.
  • Watsuji, Tetsurô (和辻哲郞). 1935. Fûdo (風土). Tokyo, Iwanami Shoten. trans. Geoffrey Bownas, as Climate. Unesco 1962.
  • Japanese Ministry of Education (文部省). 1937. 國體の本義 (Kokutai no hongi). tr. as Kokutai no hongi. Cardinal principles of the national entity of Japan, Cambridge, MA: Harvard UP, 1949.
  • Nishida, Kitarô (西田幾多郞). 1940. 日本文化の問題 (Nihon Bunka no mondai). Tokyo.
  • Benedict, Ruth. 1946. The Chrysanthemum and the Sword: Patterns of Japanese Culture. Houghton Mifflin, Boston
  • Herrigel, Eugen. 1948. Zen in der Kunst des Bogenschiessens, = 1953 Zen in the Art of Archery. New York, NY. Pantheon Books.
  • Nakane, Chie (中根千枝). 1967. タテ社会の人間関係 (Human relations in a vertical society) English tr Japanese Society, Weidenfeld & Nicolson,London, UK, 1970.
  • Mishima, Yukio (三島由紀夫). 1969. Bunka Bôeiron (文化防衛論, A Defense of Culture). Tokyo, Japan: Shinchôsha.
  • Doi, Takeo. 1971. 「甘え」の構造 (The Structure of 'Amae'). Tokyo, Japan: Kôdansha. trans.The Anatomy of Dependence Kodansha, Tokyo 1974
  • Singer, Kurt. 1973 Mirror, Sword and Jewel. Croom Helm, London
  • Izaya Ben-Dasan, (‘translated’ by Yamamoto Shichihei:山本七平) 1972 Nihonkyô ni tsuite (日本教について), Tokyo, Bungei Shunjû
  • Vogel, Ezra F. 1978. Japan As Number One: Lessons for America.. Cambridge, MA: Harvard UP.
  • Reischauer, Edwin O. 1978. The Japanese. Cambridge, MA: Harvard UP.
  • Tsunoda, Tadanobu (角田忠信). 1978. Nihonjin no Nô (日本人の脳―脳の働きと東西の文化, The Japanese brain). Tokyo, Japan: Taishûkan Shoten (大修館書店) ISBN 4469210684.
  • Murakami, Yasusuke (村上泰亮), Kumon Shunpei (公文俊平), Satô Seizaburô (佐藤誠三郎). 1979. The 'Ie' Society as a Civilization (文明としてのイエ社会) Tokyo, Japan: Chûô Kôronsha.
  • Berque, Augustin 1986. Le sauvage et l'artifice: Les Japonais devant la nature. Gallimard, Paris.
  • Takie Sugiyama Lebra 2004 The Japanese Self in Cultural Logic, University of Hawai’I Press, Honolulu