Zivildienst

Der Zivildienst ist die häufigste Form des Wehrersatzdienstes. Der Zivildienstleistende (ZDL, umgangssprachlich „Zivi“) lehnt aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe ab und leistet statt dessen zur Erfüllung seiner Wehrpflicht den Zivildienst. Dieser umfasst in der Regel Tätigkeiten im sozialen Umfeld, wie etwa in Krankenhäusern, Altenheimen, im Rettungs- und Krankentransport oder in der Behindertenbetreuung. Seltener werden Zivildienstleistende Organisationen im Bereich des Umweltschutzes, der Landwirtschaft oder der Verwaltung zugewiesen.
Regelung in Deutschland
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist kein Wahlrecht zwischen Kriegsdienst mit der Waffe und Zivildienst vorgesehen. Doch laut dem Artikel 4 des Grundgesetzes darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst gezwungen werden. In Deutschland werden die gesetzlichen Bedingungen durch das Zivildienstgesetz geregelt. Die Verwaltung des Zivildienstes geschieht durch das Bundesamt für den Zivildienst.
Finanziell
Der Zivildienstleistende erhält während seiner Dienstzeit die gleichen Bezüge wie ein Wehrdienstleistender bei der Bundeswehr. Der Grundsold teilt sich in drei Soldstufen ein; Soldstufe 1 ( 7,41€/Tag) gilt von Beginn des Zivildienstes an, Soldstufe 2( 8,18€/Tag) wird in der Regel ab dem 4. Dienstmonat gezahlt und die dritte Soldstufe ( 8,95€/Tag) in der Regel ab dem 7. Monat. Ferner erhält jeder Zivildienstleistende Weihnachtsgeld (momentan noch 172,56€) sowie Entlassungsgeld in Höhe von aktuell 690,24€. Von vielen Dienststellen wird den Zivildienstleistenden auch das so genannte Verpflegungsgeld ausgezahlt.
Aktuell
Im Vorschlag der Kommission „Impulse für die Zivilgesellschaft - Perspektiven für Freiwilligendienste und Zivildienst in Deutschland“ (siehe Weblinks) vom 15. Januar 2004 an Familienministerin Renate Schmidt wird empfohlen, die Dauer des Zivildienstes der derzeitigen Dauer des Wehrdienstes anzugleichen (also neun Monate).
Das Grundgesetz schreibt in Artikel 12a (2) vor: "Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen." Es herrscht Interpretationsraum, meist wurde der längere "Zivi" dadurch erklärt, dass ehemalige Wehrdienstleistende zu Wehrübungen herangezogen würden, weshalb der Zivildienstleistende im Ausgleich einen längeren Dienst tun muss. Anderer Ansatz wäre der Verstoß gg. das Grundgesetz bis zum 1. Juli 2004 durch die Bundesregierung.
Diese Empfehlung ist am 1. Juli 2004 vom Bundestag per Gesetz verabschiedet worden: Der Zivildienst dauert seit dem 1. Oktober 2004 nur noch neun statt bisher zehn Monate und wurde somit der Dauer des Wehrdienstes angeglichen. Gleichzeitig wurde die Altersgrenze für die Heranziehung zum Zivil-/Wehrdienst vom 25. auf das 23. Lebensjahr herabgesetzt.
Der Umstand, dass sich der Kommissionsbericht außerdem mit den Auswirkungen einer eventuellen Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht befasst, hat zudem eine generelle Diskussion um den Fortbestand von Zwangsdiensten in Deutschland bewirkt. Mit einer möglichen Abschaffung des Zivildienstes wird jedoch nicht vor dem Jahr 2010 gerechnet. Der Verlauf dieser gesamtgesellschaftlichen Diskussion ist jedoch noch offen und die politischen Auswirkungen sind noch nicht absehbar. Die Große Koalition will jedoch noch längere Zeit am Zivildienst festhalten.
Regelung in Österreich
In Österreich kann der Wehrdienst seit 1975 aus Gewissensgründen verweigert werden. Zuvor hatten Personen, die die Anwendung von Gewalt ablehnten, lediglich die Möglichkeit, ihren Präsenzdienst ohne Waffe zu leisten. 2005 leisteten etwas mehr als 10.000 Personen ihren Zivildienst in Österreich ab.
Bis zur Novelle des Zivildienstgesetzes 1991 mussten Wehrdienstverweigerer ihre Gewissensvorbehalte vor einer Kommission glaubwürdig begründen. Wurden diese Gewissensgründe anerkannt, war ein Zivildienst von acht Monaten (gleiche Länge wie der Grundwehrdienst) abzuleisten.
Seither ist eine formelle Erklärung ausreichend, um zum Zivildienst zugelassen zu werden. Nachdem mit der Abschaffung der Gewissensprüfung die Anzahl der Zivildiener stark anstieg, wurde der Zivildienst ab 1992 in Schritten zuerst auf zehn Monate, dann auf elf Monate und ab 1997 auf zwölf Monate (de facto mit zwei Wochen Urlaubsanspruch) verlängert. Von 1. April 2002 bis 30. September 2005 war die Zivildienstverwaltungs Ges. m. b. H., eine Tochterfirma des Österreichischen Roten Kreuzes, im Auftrag des Innenministeriums für die Zuweisung von Zivildienern verantwortlich. Diese Zuständigkeit endete, da der Verfassungsgerichtshof die Zuweisung als Kernbereich der staatlichen Verwaltung betrachtete und eine Eingliederung in das Bundesministerium für Inneres verlangte. Seit 1. Oktober 2005 ist die Zivildienstserviceagentur, die dem Bundesministerium für Inneres rechtlich unterstellt ist für die Zivildienstverwaltung in erster Instanz zuständig.
Auf Empfehlungen der Bundesheerreformkommission (2004) wurde der Wehrdienst auf sechs Monate verkürzt. Die Dauer des Zivildienstes wurde ebenfalls mit Jänner 2006 adäquat angepasst (nunmehr neun Monate), wobei der Zivildienstleistende die Möglichkeit bekommen hat, seine Dienstzeit freiwillig auf zwölf Monate (bei besserer Bezahlung in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis) zu verlängern.
Verpflegung
In Österreich gibt es bereits seit Jahren eine Kontroverse um die Verpflegungssituation der Zivildiener. Im Jahr 2001 trat eine Novelle des Zivildienstgesetzes (ZDG) in Kraft, die festlegte, dass die Rechtsträger der Einrichtungen “... dafür Sorge zu tragen [haben], dass die Zivildienstleistenden angemessen verpflegt werden” (ZDG §28,Abs. 1) ohne jedoch näher zu definieren, was unter angemessen zu verstehen ist.
Aufgrund dieses unbestimmten Gesetzesbegriffs entschieden sich viele Zivildiensteinrichtungen, ihren Zivildienern ein Verpflegungsgeld von rund 6€/Tag zu zahlen, was zu Protesten und Beschwerden seitens der Zivildiener führte. Nach Ansicht der Zivildiener kann mit 6€/Tag keine angemessene Verpflegung gewährleistet werden, deshalb wurde eine Prüfung vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) angestrebt. Im Oktober 2005 kam der VfGH zu dem Erkenntnis, dass eine Verpflegung von 6€/Tag als zu wenig anzusehen sei und legte eine Bezugsgröße für die Angemessenheit der Verpflegung von 11,26€ bis 13,60€/Tag fest. Dies entspricht dem im Heeresgebührengesetz geregelten Aufwandersatz für die Verpflegung von Soldaten.
Seit Bekanntwerden des Urteils herrscht Uneinigkeit über die Umsetzung des VfGH-Urteils, da weder das für Zivildiener zuständige Innenministerium noch die jeweiligen Zivildiensteinrichtungen bereit sind, für die nun rückwirkend anfallenden sowie zukünftigen Mehrkosten aufzukommen. Es existiert einzig ein Verordnungsentwurf des Innenministeriums, der versucht, das VfGH-Urteil zu umschiffen, indem eine Umstellung auf Naturalverpflegung angedacht wird. (Stand 14. Januar 2006).
Regelung in der Schweiz
In der Schweiz sieht die Verfassung seit 1992 einen zivilen Ersatzdienst anstelle der Militärdienstleistung vor. 1996 wurde das dazugehörige Zivildienstgesetz in Kraft gesetzt. Bis dahin saßen jedes Jahr mehrere hundert Militärdienstverweigerer mehrmonatige Gefängnisstrafen ab.
Um Zivildienst leisten zu können, müssen Wehrpflichtige ein schriftliches Gesuch mit ausführlicher Begründung einreichen. Daraufhin erfolgt eine persönliche Anhörung vor einer zivilen Kommission. Über 90% der Gesuchsteller werden daraufhin zugelassen. Der Zivildienst dauert das 1,5fache des noch zu leistenden Militärdienstes (derzeit total 260 Tage), also maximal 390 Tage. Geleistet wird er schwerpunktmässig im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Umweltschutzbereich. Zudem sind Auslandeinsätze in der Entwicklungszusammenarbeit möglich. In Planung ist die Abschaffung der persönlichen Anhörung.
- English: Swiss Civilian Service
Regelung in Finnland
In Finnland dauert der Zivildienst 13 Monate, während der Militärdienst nur sechs Monate dauert. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wurde erstmals 1931 eingerichtet, beschränkt sich aber bis heute nur auf Friedenszeiten. Bei der Einführung des Zivildienstgesetzes 1987 dauerte der Zivildienst noch 16 Monate, was aber zu vielen Totalverweigerern führte. Die Dienstzeit wurde 1992 verkürzt, weitere Verkürzungen wurden bisher zwar im Parlament verhandelt, aber konnten nicht beschlossen werden. Der Antrag zur Kriegsdienstverweigerung wird ungeprüft genehmigt. Die Zahl der Verweigerer vervierfachte sich in den 1990ern auf 2500 und stellt das Zivildienstsystem auch heute noch vor das Problem, dass es zu wenig Plätze für die Verweigerer gibt.
Regelung in Russland
In Russland gibt es erst seit 2004 die Möglichkeit, Zivildienst zu leisten und dieser dauert 3,5 Jahre. Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und der langen Dauer entscheiden sich jedoch nur wenige Russen gegen den Militärdienst. Im Frühling 2005 meldeten sich nur 346 von rund 170 000 Wehrpflichtigen für den Zivildienst und angeblich sind die Zahlen rückläufig. [1] [2] [3]
Kritik am Zivildienst
Der Hauptkritikpunkt ist die fehlende oder mangelhafte Ausbildung der ZDL vor allem im Pflegebereich. Ein ZDL, der in kürzester Zeit den Wechsel vom normalen Leben oder Beruf in die Alten- oder Krankenpflege schaffen muss, kann nicht so routiniert und exakt wie eine Fachkraft mit mehrjähriger Ausbildung und Praxis sein. Auch für Patienten, die über Monate oder Jahre gepflegt werden müssen, kann sich der ständige Wechsel der ZDL negativ auswirken. Seit mehreren Jahren zeigt sich als Trend, daß aufgrund der verkürzten Dienstzeit weniger ZDL im direkten Pflegebereich eingesetzt werden.
Arbeitsmarktpolitische Neutralität (dt. Regelung): Der Grundsatz der a. N. findet sich nicht im ZDG, sondern im Anerkennungsbescheid des BAZ. Dort wird den Dienststellen diese als Auflage mitgegeben. Eine Überprüfung dieser Bestimmung erweist sich als schwierig. Gleichzeitig wird aber vor allem von Sozialverbänden - also den Zivildienststellen, die ZDL beschäftigen - immer wieder beklagt, dass bei Abschaffung der Wehrpflicht - und somit des Zivildienstes - das deutsche Pflegesystem zusammenbrechen würde. Eine Studie von 1993 besagt, dass die Abschaffung des Zivildienstes volkswirtschaftlich gesehen von leichtem Vorteil sei. Praktische Erfahrungen gibt es in einigen Krankenhäusern, die ihre Zivildienststellen abgebaut haben und nicht nur die Finanzen, sondern vor allem das Betriebsklima verbessern konnten.
Ein wesentlicher positiver Aspekt des Zivildienstes ist, dass viele Zivildienstleistende nach Ende des Dienstes ihre Organisationen als ehrenamtliche Mitarbeiter weiter unterstützen. Die Tätigkeit im Zivildienst erleichtert auch vielen jungen Männern eine Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Beruf, etwa im Pflegedienst. Auch wer später in einem technischen Beruf arbeitet bekommt zuvor im Zivildienst noch eine andere Arbeits- und Lebenswelt zu sehen.
Aufgrund der immer kürzeren Dienstzeit stellen viele soziale Einrichtungen um auf FSJ´ler.
Finanziell ist sowohl die Einrichtung als auch der Leistende, bzw. die Leistende in einem Freiwilligen Sozialen Jahr schlechter gestellt. Da Frauen nicht zum Kriegsdienst verpflichtet sind, durften sie keinen Zivildienst leisten und waren in gewisser Hinsicht benachteiligt.
Eine ganze Reihe weiterer Kritikpunkte ergibt sich aus dem Verfahren der Wehrdienstverweigerung selbst (siehe dort).
Siehe auch:
- Soziales Pflichtjahr
- Totalverweigerer
- Wehrgerechtigkeit
- Anderer Dienst im Ausland
- Pflichtjahr
- Freiwilliges Soziales Jahr
- Freiwilliges Ökologisches Jahr
Literatur
Für den Zivildienst in Deutschland:
- Marcus Matthias Keupp: Ratgeber Zivildienst: Reinbek b. Hamburg 2000: Rowohlt (ISBN 3-499-60836-7), inzwischen veraltet
- Steve Przybilla: Das Zivi-Tagebuch. Föritz 2005, amicus-Verlag (ISBN 3-935660-65-0);
Für den Zivildienst in der Schweiz:
- Ruedi Winet: Etwas Sinnvolles tun - Handbuch zum Zivildienst: Zürich 2004 (ISBN 3-85791-449-1)
Weblinks
Deutschland
- Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer (Deutschland)
- Bundesamt für den Zivildienst (Deutschland)
- Zivildienst-FAQ mit häufig gestellten Fragen und Antworten zum Zivildienst in Deutschland
- Buch zum Thema Freiwilliges soziales Jahr / Freiwilligendienste in Deutschland
- zivildienst.zivilist.com
- Leitfaden für die Durchführung des Zivildienstes
- Vorschlag zum Ersatz des Zivildienstes durch eine "Soziale Ehrenkarte"
- Zivildienstinfos der Caritas (Deutschland)
- Ersatzdienst zum Zivildienst im Ausland (FSJ, ADiA)
Schweiz
- Zentralstelle Zivildienst
- Beratungsstelle für Militärverweigerung und Zivildienst
- Gemeinschaft Schweizer Zivildienstleistender